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Der ORF muss sparen, 300 Millionen Euro bis 2026. Das sind grob zwei Jahresumsätze von ProSiebenSat1Puls4 oder fünf des STANDARD. So will es Medienministerin Susanne Raab. Die Folge: ein Streit darüber, was bleiben darf und was nicht. Der Rotstift zielt auf Sport und Kultur.

Was der ORF darf und soll, ist seit jeher ein Politikum.

Medienpolitisch, weil der steuerfinanzierte ORF den Wettbewerb erschwert. Ob TV, Radio oder online – das größte Stück vom Kuchen verspeist der österreichische Rundfunk. Auf das ORF-Gesetz verweisen die einen, "unfair", schreien die anderen.

Parteipolitisch ist die Debatte, weil jeder kritische Bericht über eine Fraktion als tendenziös verteufelt wird. Wenn der Wolf beißt, brüllt sogar der Kanzler. Ist die ZiB zu sanft, skandiert die Opposition: "Regierungsfunk". Im Stiftungsrat kleckern zwischen Rot und Schwarz auch die anderen Farben.

So wird "Reform" geschrien und wieder bloß gespart. Dabei gäbe es viel zu reformieren. Und das muss mit der Frage beginnen, was der ORF sein sollte, würde er 2023 neu gebaut.

Erdacht wurde er als Leitmedium – mangels Alternativen ein Dienst am Volk. Heute sind die Alternativen überall. Doch sie kommen zunehmend aus den Pipelines internationaler Konzerne wie Google, Netflix und Amazon.

Zwischen dem ORF und übermächtigen IT-Giganten wird der Platz eng für heimische Privatmedien. Gedruckte Zeitungen werden weniger, und auch der Bedarf an linearem Fernsehen und Radio sinkt. Die Haupteinnahmequellen brechen weg. Die entstandenen Budgetlöcher stopft das Online-Geschäft in einem Minimarkt wie Österreich nur zum Teil. Also springt der Staat ein – mit umstrittenen Medienförderungen und noch umstrittenerer Inseratenvergabe.

Gäbe es Interesse daran, unabhängige nationale Medien zu fördern, würde Raab die 300 Millionen Euro des ORF nicht einsparen, sondern investieren – in eine Infrastruktur für alle.

So könnte die mächtige (und privat unleistbare) Ausstattung des ORF genutzt werden, um den ORF zu einem Marktplatz für österreichische Medienschaffende zu transformieren. Eine Plattform, die Ressourcen teilt: gemeinsame Studios, Werkstätten, Datenbanken, Vertriebskanäle. Das schüfe Synergien, neue Staatseinnahmen, Sichtbarkeit für alle. Und der ORF als Medienschaffer könnte sich im Gegenzug einiges sparen: Zum Beispiel könnte er die oft (zurecht) kritisierte Produktion von Unterhaltungsformaten Dritten überlassen.

Der ORF als Plattform könnte zu einer Art Youtube exklusiv für österreichische Medienangebote werden. Eine zentrale Anlaufstelle, die die Kräfte der vielen kleinen heimischen Player eint. Ein attraktives Gesamtpaket, für das Konsumentinnen und Konsumenten vielleicht sogar freiwillig zahlen. Ein potenter Multiplikator, der Werbepreise verlangen kann, die hochwertige Produktionen finanzierbar machen.

Es wäre ein neuer Weg. Mit dem Ziel, Österreichs öffentlich-rechtliche und private Medien als Kooperationsgemeinschaft zusammen zu bringen. Eine Gemeinschaft, die zumindest eine Chance im Kräftemessen mit den internationalen Monopolisten hat.

Anstatt sich im zunehmend ungleichen Wettbewerb kaputtzusparen, ist die Zeit reif für ein Umdenken. Wie schaffen wir bessere und finanzierbare Angebote für alle, die Interesse an Medien und Kultur made in Austria haben? Der ORF neu könnte die Lösung sein. (Zsolt Wilhelm, 25.2.2023)