Inmitten von Drohnen, Badeenten und Faschingsmasken hat ein Gebiss seinen Platz in einer Glasvitrine gefunden. Das Zentrale Fundservice in Wien lässt sich wohl am besten als geordnetes Chaos beschreiben. Ob Geldtasche oder Regenschirm, alle Gegenstände werden in einem großen Lager aufbewahrt. Nachdem im Fernsehen über den skurrilen Fund berichtet worden war, habe sich jemand – nicht aber der Eigentümer – beim Fundservice gemeldet: "Die Person hat gefragt, ob sie das Gebiss probieren und kaufen könnte", erzählt Emsada Kubegović, stellvertretende Leiterin des Fundservice.

Im vergangenen Jahr wurden mehr als 84.000 Gegenstände vom Fundservice erfasst, darunter etwa ein Gebiss und mehrere Drohnen.
Foto: Robert Newald

Auch ein Schreibtisch hat im Dezember seinen Weg ins Lager gefunden, nachdem er in den Wiener Öffis stehen gelassen worden war. Auf ihm liegt mittlerweile ein großer Koffer, ein etwa zwei Meter hohes abstraktes Gemälde lehnt daran. Ob den Tisch noch jemand abholen wird? Wohl eher nicht, sagt Kubegović: "Ich glaube, vielen Leuten wird die Entsorgung der Gegenstände zu blöd. Die lassen sie dann einfach stehen."

Ihr persönlich skurrilster Gegenstand sei aber bereits vor ein paar Jahren zur Zeit des Oktoberfests zu ihnen gekommen. "Von außen hat er wie ein ganz normaler Rucksack gewirkt, aus dem Schläuche hingen. Innen war er aber aufwendig zu einem Bierfass umgebaut", erzählt Kubegović. Der Eigentümer sei nie gekommen, um sein Meisterwerk abzuholen. Ein weiteres Highlight war für sie ein scheinbar herrenloses Boot auf der Donau, das jemand beim Fundservice gemeldet hat.

In einem eigenen Schrank werden die abgegebenen Brillen nach Monaten sortiert aufbewahrt.
Foto: Robert Newald

Schmuck, Koffer und Co

Regenschirme, Rucksäcke, Eislaufschuhe, Fahrräder, Brillen, Gemälde, leere Büroordner und vieles mehr – alles hat seinen zugewiesenen Platz im Lager. Anders wäre es wohl auch kaum möglich, den Überblick zu behalten, denn im vergangenen Jahr wurden mehr als 84.000 Gegenstände vom Fundservice erfasst. Und täglich werden hunderte neue Gegenstände in den fünften Bezirk gebracht, etwa von den Wiener Linien, der ÖBB oder aus den rund 100 Fundboxen, die in ganz Wien aufgestellt sind. "Nach dem Fasching waren es besonders viele Sachen, die die Leute haben liegen lassen und schlussendlich bei uns gelandet sind", sagt Kubegović.

Hinter der Gitterwand werden Wertgegenstände wie Geldtaschen und Schmuck gelagert.
Foto: Robert Newald

Betritt man das Lager, fällt der Blick zuallererst auf eine hohe Gitterwand. Daran sind die verschiedensten Dinge festgemacht: Gemälde, Fahnen und auch diverse Fußballfanartikel. Hinter diese Wand kommt man nur mit einem Schlüssel. Dort werden die wertvollen Gegenstände aufbewahrt. Kopfhörer, Schmuck und Geldtaschen sind fein säuberlich katalogisiert und in Boxen sortiert. "Ich glaube, nächstes Jahr machen Airpods den höchsten Anteil unseres Bestandes aus", scherzt Kubegović. Derzeit liegen noch Ausweise und Dokumente mit knapp 29.000 Funden klar auf Platz eins, gefolgt von Geldtaschen und Schlüsseln. Wie aber bekommt man Airpods und Co wieder? "Am besten ist es natürlich, wenn man die Seriennummer weiß." Habe man die jedoch nicht parat, reiche es im Regelfall aus, wenn man glaubhaft machen könne, dass einem der Gegenstand gehöre. Im Regelfall wisse nur der rechtmäßige Besitzer über Ort und Zeitpunkt des Verlustes sowie über Kratzer, besondere Anhänger und sonstige markante Merkmale Bescheid.

Rund 8.700 Schlüssel wurden 2022 beim Wiener Fundservice abgegeben.
Foto: Robert Newald

Verlorenes wiederbekommen

Um Gegenstände abzuholen, kommt man in ein kleines Büro neben dem Lager, wie auch ein Mann mittleren Alters in Fahrradschuhen und mit Helm in der Hand. Er ist auf der Suche nach seinem Autoschlüssel. "Nein, das ist nicht meiner." Die Mitarbeiterin durchsucht den Kasten, in dem die Schlüsselfunde der vergangenen drei Monate aufbewahrt werden, und holt wieder ein paar Exemplare der passenden Automarke heraus, ohne Erfolg. "Nein, das ist er auch nicht." Die Suche geht weiter. Immerhin fanden im vergangenen Jahr rund 8.700 Schlüssel ihren Weg zum Fundservice.

Um den Überblick zu behalten, wird alles mit einem Wert von mehr als zehn Euro von den 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern digital erfasst und sortiert. Vergangenes Jahr seien so etwa 7.000 Taschen eingetragen worden. In hohen Regalen türmen sich kleine und große Koffer, die meist vor der ÖBB abgegeben wurden. "Die Koffer müssen von uns geöffnet werden. Wir müssen schauen, ob Lebensmittel oder Elektrogeräte drinnen sind", erklärt Kubegović.

Die Taschen und Koffer müssen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fundservice geöffnet werden: "Wir müssen schauen, ob Lebensmittel oder Elektrogeräte drinnen sind", erklärt Emsada Kubegović.
Foto: Robert Newald

Täglich grüßt das Murmeltier

Gegenstände mit Lithium-Akkus werden aus brandschutztechnischen Gründen in einem knallig orangefarbenen Container im Lager verwahrt. Ein ausgestopftes Murmeltier wacht auf dem Dach des Baucontainers über die unzähligen Elektrogeräte. Laptops, iPads und Handys stapeln sich im Inneren des Containers in Kisten. "Dass solche Sachen nicht öfter abgeholt werden, verwundert mich schon", sagt Kubegović. Sie sei aber mit der Rückgabequote an sich sehr zufrieden: Knapp 60 Prozent der erfassten Fundgegenstände haben 2022 zu ihrem Eigentümer zurückgefunden. Was nach einem Jahr nicht abgeholt worden ist, wird entweder über das Wiener Dorotheum oder vom 48er Tandler verkauft. Der Erlös kommt karitativen Einrichtungen zugute.

Künftig könnte es hier aber anders aussehen, denn eine Novelle des Fundrechts soll im Mai 2023 in Kraft treten. Gegenstände mit einem Wert von weniger als 100 Euro müssen dann nur mehr sechs Monate aufbewahrt werden, bis das Eigentum an den Finder übergeht. Der Fundservice befürwortet die Novelle: "Wir gewinnen sehr viel Fläche und können jährlich fast 50.000 Euro sparen", sagt Kubegović. Die große Mehrheit an Verlorenem werde ohnehin im ersten halben Jahr abgeholt.

Wächter der "Kuriositäten"

Manche Gegenstände passen aber trotz der Fülle an verschiedenen Dingen zu keiner Produktgruppe. Diese landen dann in einem ganz besonderen Schrank: "Das ist unsere Kuriositätenvitrine", erklärt Kubegović. Darin liegen Radarpistolen der Polizei, bunte Faschingsmasken und eine Fußprothese. Bewacht werden diese Besonderheiten von einer großen Madonna-Statue und einem bunten Hahn. (Sophie Mooseder, 6.3.2023)

Die "Kuriositäten-Vitrine" wird von einer großen Madonna-Statue und einem bunten Hahn bewacht.
Foto: Robert Newald