Elly Schlein ist jung, links, progressiv, selbstbewusst – und sie wird von ihren Anhängerinnen und Anhängern bereits als mögliche "Anti-Meloni" gefeiert. Nun hat sie dafür einen ersten wichtigen Teilerfolg errungen und wurde zur Parteichefin des Partito Democratico. Am Sonntag triumphierte Schlein beim öffentlichen Urnengang gegen Stefano Bonaccini, den Präsident der norditalienischen Region Emilia Romagna und klaren Favoriten. 54 Prozent der Stimmen in einer – für alle die bereit waren zwei Euro zu zahlen – öffentlichen Wahl, machten sie zur ersten Frau in diesem Amt.

Tatsächlich stehen die meisten ihrer politischen Anliegen diametral denjenigen entgegen, die von der postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrer Rechtsregierung verkörpert werden. Auch deshalb prognostizieren viele Beobachter spannende politische Duelle.

Elly Schlein ist die neue Chefin der italienischen Sozialdemokratie.
Foto: IMAGO/gianni schicchi

Schlein fordert einen radikalen ökologischen Umbau, Solidarität mit den Migranten, die Legalisierung leichter Drogen, einen Mindestlohn und eine Vermögenssteuer. Und als wäre dies in den Augen der Rechten noch nicht genug, ist sie auch noch feministisch und offen bisexuell. Meloni hingegen meidet sogar die weibliche Form "Premierministerin" zu verwenden und will werkonservative Politik machen.

Antisemitische Attacken

Bei den einschlägigen, den Regierungsparteien Fratelli d'Italia, Lega und Forza Italia nahestehenden Kampfpostillen wie "Libero" und "Il Giornale" sowie in rechtsextremen Foren der sozialen Medien ist Elly Schlein mit ihren Positionen in Windeseile zur Hassfigur Nummer eins aufgestiegen. "Man könnte meinen, ich sei ein Komplott gegen das Land", kommentierte die 37-jährige die Hasskampagne unlängst ironisch.

Wegen ihrer jüdischen Wurzeln schwingen in den Attacken oft antisemitische Vorurteile mit, gelegentlich auch aus der untersten Schublade. Ein immer wiederkehrendes Motiv in den Social Media ist zum Beispiel ihre "jüdische Nase". Schlein versuchte zunächst, mit Humor auf die Anspielungen auf ihr Äußeres zu antworten: Ihre Nase sei nicht jüdisch, sondern "typisch etruskisch", erklärte sie. Sie verwies dabei auf ihre katholische Mutter, die aus Siena stammt – die toskanische Stadt gehörte einst zum Herrschaftsbereich der Etrusker.

Ihr Vater sei zwar jüdischen Glaubens, und sie sei stolz auf den jüdischen Nachnamen, aber sie selber sei nicht jüdisch. Ihr Großvater väterlicherseits sei aus der heutigen Ukraine in die USA ausgewandert. "Er hieß Herschel Schleyen – daraus haben die Einwanderungsbehörden von New York den Namen Harry Schlein gemacht."

Kritik auch aus Israel

Dass sie versucht, den jüdischen Familienzweig aus der politischen Diskussion herauszuhalten, hat die israelische Zeitung "Haaretz" unlängst zu einem kritischen Artikel veranlasst. Was dabei vergessen wird: Die weltoffene, durch und durch weltliche Elly Schlein definiert sich nicht über ihre Religionsangehörigkeit. Und auch nicht über ihre Nationalität: Sie besitzt drei Pässe – einen schweizerischen, weil sie in Lugano geboren und aufgewachsen ist, sowie einen US-Pass wegen ihres Vaters und einen italienischen wegen ihrer Mutter. Sie nimmt sich auch die Freiheit, die israelische Regierung aufgrund ihrer Politik in den besetzten Palästinensergebieten zu kritisieren.

Für Italiens Linkswähler standen bei der Wahl der neuen Parteichefin am Sonntag ohnehin ganz andere Themen im Vordergrund. Mit ihrer internationalen Vita – bei den US-Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 engagierte sich Schlein im Wahlkampfteam von Barack Obama – und ihren politischen Positionen ist Elly Schlein zur Hoffnungsträgerin all jener geworden, die schon lange einen grundlegenden Wandel ihrer Partei fordern: Sie steht erkennbar links und will, dass der PD nach langen neoliberalen Verirrungen endlich wieder den einstigen Stammwählerinnen und -wählern, die nun die Lega von Matteo Salvini oder die Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni wählen, eine Stimme gibt.

"Das sozialdemokratische Volk ist lebendig und bereit, sich zu erheben. Ich habe ein klares Mandat für einen echten Wandel in der Partei erhalten", sagte Schlein in der Nacht auf Montag nach ihrem Wahlsieg. "Wir werden den Kampf gegen jede Art von Ungleichheit in den Mittelpunkt stellen", fügte sie hinzu.

Offenes Rennen

Ihr Rivale Stefano Bonaccini, ein zur politischen Mitte tendierender Pragmatiker und Apparatschik, hatte zwar zuvor die Abstimmung unter den eingeschriebenen Parteimitgliedern mit 53 zu 35 Prozent gewonnen (die übrigen Stimmen verteilten sich auf zwei andere Kandidaten). Doch in der Urnenabstimmung hatte Schlein die Wählerschaft auf ihrer Seite. Sie folgt auf den bisherigen PD-Chef und früheren Ministerpräsidenten Enrico Letta, der nach der Niederlage seiner Partei bei der Parlamentswahl im vorigen September seinen Rücktritt angekündigt hatte. (Dominik Straub, red, 26.2.2023)