"Der Wohnturm ist jetzt zu drei Viertel fertig"

Foto: Burgbau Friesach

Eine Burg mit mittelalterlichen Methoden zu errichten, das hat man sich im Kärntner Friesach vorgenommen. Schon entlang der Schnellstraße in Richtung des Ortes weist ein großes Schild auf das "Erlebnis Burgbau" hin. Im Ort sieht man die Burg dann tatsächlich – beziehungsweise das erste Türmchen, das nach langer Bauzeit steht.

STANDARD: Herr Krenn, wie lange bauen Sie schon an der Burg?

Krenn: Projektstart war 2009, die Vorarbeiten begannen aber schon um 2005 herum. Damals war die Idee eines Burgbaus in Mitteleuropa bekannt geworden – ursprünglich stammt sie aus Guédelon in Frankreich. Friesach hat viel kulturelles Erbe aus dem Mittelalter. Man suchte etwas, das langfristig für mehr Tourismus sorgt.

STANDARD: Der Burgbau läuft jetzt also seit 14 Jahren. Wie weit kommt man in dieser Zeit mit ausschließlich mittelalterlichen Baumethoden?

Seit 2012 ist Gerald Krenn für den Burgbau Friesach verantwortlich.
Foto: privat

Krenn: Wir haben ungefähr 2400 Tonnen Stein verarbeitet. Das erste und mächtigste Objekt der Anlage, der 16 Meter hohe Wohnturm, ist jetzt zu drei Viertel fertig. Letztlich ist der Baufortschritt aber von den Finanzen abhängig. Wir haben beim Burgbau hohe Personalkosten, es sind gut 80 Prozent der Gesamtausgaben. Es gibt Schätzungen, dass die Gesamtkosten eines Burgbaus zwischen 50 und 70 Millionen Euro betragen.

STANDARD: Das ist viel.

Krenn: Mannstunden kosten eben. Würde ich mit Maschinen bauen, wäre es billiger. Deshalb kann ich nicht sagen, wann das Projekt fertig ist. Man könnte so etwas zwar vom Baubeginn weg ausfinanzieren. Aber in unserem Fall geht das nicht, weil wir nicht unwesentlich von öffentlichen Geldern abhängig sind. Da hat man betriebswirtschaftlich weniger Spielraum. Wir schauen, dass wir alle vier, fünf Jahre eine neue Förderung zustandebringen.

STANDARD: Gibt es eine Zielvorgabe, wann die Burg fertig sein soll?

Krenn: Nicht mehr. Ursprünglich war der Plan, dass im Jahr 2015 – zur 800-Jahr-Feier der Stadt Friesach – zumindest der Turm fertiggestellt ist. Damit sind wir jetzt sieben Jahren hinten nach. Aber okay – es geht nicht so sehr um den Bau der Burg selbst; immerhin stehen in Friesach einige originale Burgen. Im Vordergrund ist eher der Prozess, mit dem wir das Interesse für mittelalterliche Baukultur wecken wollen. Das soll Tagestouristen und Reisegruppen hierherbringen, zumindest in den Sommermonaten.

STANDARD: Der Weg ist das Ziel?

Krenn: Ein wenig Eile und Druck gibt es schon. Denn jeder Besucher, der an der Schnellstraße an Friesach vorüberfährt, wirft einmal kurz den Blick nach links, um zu schauen, ob man schon etwas sieht. Jetzt sieht man eben diesen Wohnturm. Die anderen Objekte werden später rundherum gelagert, sodass man eine kleine Burganlage hat.

Ein sommerliches Foto der Anlage, weil der Burghügel beim STANDARD-Besuch vereist und schneebedeckt war.
Foto: Burgbau Friesach

STANDARD: Wie beginnt man einen Burgbau?

Krenn: Es kommen kaum Maschinen zum Einsatz, wenn, dann selbstgebaute. Wir haben keine Bagger und keinen Strom. Am Anfang war hier auf dem Hügel nur belebte Natur, kleine Bäume, Strauchwerk. Wir brauchten zunächst einmal, um es modern auszudrücken, Infrastruktur. Also Wege und zum Beispiel Werkhütten, in denen sich ein Schmied und ein Zimmerer ansiedeln können.

STANDARD: Die haben Sie auch schon ohne moderne Hilfsmittel errichtet?

Krenn: Wir hatten von Anfang an diesen Anspruch. Es wäre wesentlich einfacher gewesen, das Gelände zu schlägern, das Bauholz gleich zu sortieren, zuzuschneiden und damit die Hütten zu errichten. Aber: Jeder Weg, jeder Stein, jedes Stück Holz hier ist händisch bearbeitet. Jeder Kilo, der gehoben wird, wird mit Händen gehoben – zumindest am Anfang, später haben wir dann Kräne und Seilwinden gebaut. Die ersten sechs, sieben Jahre waren allein die Bauhütten ein großes Thema. Wir haben uns nicht gedacht, dass es so komplex wird.

STANDARD: Wie bekommt man händisch tonnenweise Stein auf einen Berg?

Krenn: Indem Menschen tragen oder ziehen. Wenn wir die Steine den Turm hochhieven, brauchen wir – wir haben mal gemessen – eine Minute, um einen Stein zwei Meter hoch zu heben. Manchmal setzen wir auch Noriker-Pferde ein.

STANDARD: Das ganze Land spricht derzeit über Fachkräftemangel – Sie bauen eine Burg. Finden Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Krenn: Für manche Menschen mit handwerklichem Interesse ist das sehr spannend. Jeden Abend sieht man konkret, was man untertags weitergebracht hat. Wir haben über Jahre mit Ruhe und Bedachtsamkeit Professionisten gefunden. Nicht jeder lässt sich auf so etwas ein.

STANDARD: Kommen diese Personen von hier aus Gegend?

Krenn: Aus dem Bezirk. Wir haben fünf, sechs Personen, die ganzjährig angestellt sind; daneben rund 30, die jährlich acht Monate arbeiten.

STANDARD: Was sagt die Baubehörde dazu, dass Sie in Fragen von Statik und Bausicherheit mittelalterliche Methoden anwenden?

Krenn: Im Mittelalter kannte man keine Statik, das entstand erst in der Neuzeit. Und ein Turm in Bruchsteinmauerwerk lässt sich gar nicht hundertprozentig statisch berechnen. Wir wollen aber so sicher wie möglich arbeiten. Es ist ganz klar, dass der Arbeitsinspektor und die AUVA-Sicherheitsbeauftragte verlangen, dass wir unsere Mitarbeiter schützen. Manchmal müssen wir deshalb eben mit modernen Berechnungen vorgehen. Unsere Baugerüste in 14 Meter Höhe werden berechnet und vom Statiker freigegeben. Das geht nicht anders.

"Die ersten sechs, sieben Jahre waren allein die Bauhütten ein großes Thema."
Foto: Burgbau Friesach

STANDARD: Sehen Sie sich deshalb Hardcore-Mittelalter-Fans gegenüber, die mehr Authentizität einfordern?

Krenn: Es war schon am Anfang ein Aufschrei von manchen, weil wir mit Sicherheitsschuhen, Handschuhen, Schutzbrillen und Gehörschutz arbeiten. Es gibt diese Fundis, die mit ihren Mittelalterlederpatscherln auf der Baustelle daherkommen und sich über so etwas aufregen. Ich sage dann immer: Es geht um den Prozess des Bauens; bei der Sicherheit der Menschen gelten die Standards des 21. Jahrhunderts. Wir wollen ja nicht, dass jemand einen Steinsplitter ins Auge bekommt.

STANDARD: Liegt das Mittelalter im Trend?

Krenn: Ja, ungefähr mit der Jahrtausendwende begann eine Renaissance des Mittelalters. Denken Sie an Harry Potter, Herr der Ringe und Game of Thrones – das sind alles Mittelaltermotive, durchsetzt mit Fantasy. Das ist irrsinnig populär. Vor 30 Jahren wäre das nicht gegangen.

STANDARD: Warum geht es heute?

Krenn: Ich würde sage, beim unbändigen Fortschrittsgedanken der Nachkriegszeit hat es irgendwann einen Crash gegeben. Da gab es die Finanzkrise, dann die Corona-Krise. Das hat die Menschen zurück zu konservativen Werten gebracht. Wenn man sich das Mittelalter anschaut, ist das ja grundsätzlich etwas Konservatives – auch wenn die Gesellschaftsordnung dieser Zeit eine Katastrophe war. Heute interessieren sich Millionen von Menschen im deutschen Sprachraum für Angelegenheiten wie Mittelalterfeste und historisches Bogenschießen. In den 70er-Jahren wäre so ein Burgbau sicher nicht möglich gewesen. (Joseph Gepp, 26.2.2023)