Am 1. April werden die Mietrichtwerte angehoben. Damit steigen die Mieten – außer die Regierung einigt sich noch auf eine Bremse.
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Und wieder ist Sand im Getriebe der türkis-grünen Koalition. Zuletzt hatten die Regierungsparteien mehrfach Schwierigkeiten, sich auf konkrete Gesetzesvorhaben zu einigen. Am Freitag ist nun die geplante Mietpreisbremse geplatzt – zumindest vorerst. Dabei war das Vorhaben zwischen ÖVP und Grünen so gut wie ausverhandelt. Die Grünen wollten eine Erhöhung der Mietrichtwerte ab April um 3,8 statt 8,6 Prozent – und eine Verteilung der Erhöhung auf drei Jahre. Die ÖVP wollte die Mietpreissteigerung auf zwei Jahre verteilen – mit jeweils 4,3 Prozent. Weit waren die Verhandlungspartner nicht mehr voneinander entfernt. Und der Anstieg der Mieten in Altbauten wäre gedrosselt gewesen.

Doch die Mietpreisbremse wurde weder in der Sitzung des parlamentarischen Bautenausschusses am Donnerstag noch in der Sondersitzung des Nationalrats am Freitag in die Wege geleitet. Die ÖVP besteht darauf, dass mit der Mietpreisbremse ein ganzes Wohnpaket beschlossen wird – durch das dann auch die sogenannten Häuslbauer entlastet werden. Konkret geht es den türkisen Vertretern um gesetzliche Erleichterung bei der Grunderwerbsteuer (GrESt) für Käuferinnen und Käufer von Eigenheimen.

Neue Wünsche und alte Fehden

Die Grünen sagen nun: Der Wunsch der ÖVP, die beiden Themen zu koppeln, sei ihnen neu. ÖVP-Bautensprecher Hans Singer sieht das anders, die Vorschläge seien den Grünen schon länger bekannt. Ähnlich wird in türkisen Regierungskreisen argumentiert: Natürlich müsse die ÖVP auch auf ihre Wählerklientel auf dem Land schauen – und nicht nur auf "die Altbaumieter in der Wiener Innenstadt".

Einige Grüne sind nun ziemlich sauer. Bautensprecherin Nina Tomaselli betonte noch am Donnerstag in der Ausschusssitzung, dass man "weiter in Abstimmung für eine Lösung" sei. Einen Tag später ist ihr Optimismus gewichen: Man habe sich bereits geeinigt gehabt. Die Grünen seien auf die ÖVP zugegangen, was die Forderungen nach einer begleitenden Sanierungsoffensive betreffe – eine Idee aus dem Wirtschaftsbund. "Ein Sanierungsbonus für Hausbesitzer, die in den Klimaschutz investieren", das sei eine runde Sache gewesen. Doch dann habe die ÖVP "oben drauf", wie Tomaselli sagt, den Nachlass bei der Grunderwerbssteuer verlangt.

Zeit wird knapp

Aus der ÖVP heißt es wiederum: Auch ein Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer sei seit langem Thema der Verhandlungen. Die Grünen würden derzeit lediglich Druck aufbauen wollen. Die ÖVP sei jederzeit zu weiteren Verhandlungen bereit.

Zumindest für die Mietpreisbremse wird die Zeit nun aber knapp. SPÖ, FPÖ, ÖGB, Arbeiterkammer und Mieterschutzorganisationen fordern eine rasche Lösung. Am kommenden Mittwoch ist die nächste Nationalratssitzung, da könnte ein gemeinsamer Antrag von ÖVP und Grünen noch eingebracht werden. Dann bräuchte es aber nochmals eine Ausschusssitzung und außerdem Sondersitzungen sowohl des National- als auch des Bundesrats, um die Mietpreisbremse rechtzeitig vor dem 1. April zu ziehen – denn dann würden die Mieten automatisch teurer, insofern es keinen Beschluss gibt.

Harte Verhandlungen

Im vergangenen Jahr war die Situation nicht unähnlich. Damals betrug die Richtwertanhebung 5,85 Prozent – und die Regierung verhandelte bis auf den letzten Drücker. Die Grünen wollten die Frist verschieben, die ÖVP ließ sie zappeln. Am 31. März machte das grün geführte Justizministerium nach langem Hinhalten die neuen Richtwerte kund.

Nun droht das gleiche Spiel. Dabei könnte sich die Diskussion längst um etwas anderes drehen: Nämlich darum, wie man das Mietrecht transparenter und fairer macht, neu aufstellt und dabei "ökologisiert", wie es nicht zuletzt im Regierungsprogramm heißt. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollte dafür eigentlich ein großer Prozess aufgesetzt werden – mit Enqueten und Dialogforen, um ins Wohnrecht "mehr sozialen Ausgleich, ökologische Effizienz sowie mehr Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit" zu bringen. Doch diesbezüglich tut sich nichts, wie auch in einem Ministerium bestätigt wird.

Ein Gründerzeitbau in Wien.
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Uralte "Neubauten"

In der aktuellen Debatte stehen nur Mieterinnen und Mieter im Fokus, die in Wohnungen leben, deren Mieten ohnehin bereits gedeckelt sind. Im privaten Bereich betrifft das nur Altbauten. Alle "Neubauten" mit Baujahr nach 1945 fallen über ihren ganzen Lebenszyklus hinweg unter keinen Preisdeckel. Selbst wenn für eine, beispielsweise 25 Jahre alte, Wohnung schon Sanierungsförderung beantragt werden kann, gilt sie mietrechtlich als "Neubau". Dieser Umstand sorgt in der Branche schon lange für Kopfschütteln.

Eigentlich könnte es bereits seit 2015 ein einfaches, transparentes Mietrecht mit Anreizen für Sanierungen geben. Ende 2014 stellte die SPÖ ihren Entwurf für ein Universalmietrechtsgesetz vor, das für sämtliche Mietverhältnisse (außer gemeinnützige Wohnungen) gelten sollte und einen Basiszins von 5,50 Euro pro Quadratmeter vorsah. Das rote Universalmietrecht scheiterte damals am Widerstand der ÖVP.

"Negative Stimmungslage"

Aber warum drängt nicht die Immobilienwirtschaft selbst auf eine Ökologisierung des Mietrechts? Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft, spricht von einer "negativen Stimmungslage". Die Branche sei mit der Abwehr der Mietpreisbremse beschäftigt, das Vertrauen in die Politik sei gering. Angeschlagen sei die Stimmung auch durch das neue "Bestellerprinzip" bei den Maklerprovisionen, das am Donnerstag im Bautenausschuss beschlossen wurde.

Auch deshalb knirschte es zwischen Türkis und Grün gewaltig vergangenes Jahr. Bei der Abschaffung der Maklergebühren für Mieter gab es eine fixfertige Einigung, die dann von der ÖVP in letzter Minute blockiert wurde. Erst nach langwierigen Verhandlungen und Drohungen der Grünen kam das Regierungsprojekt wieder auf die Beine.

Anfang Jänner wollte die Regierung dann Elan beweisen. Es wurde eine Klausur abgehalten, deren Hauptzweck es war, zu zeigen, dass ÖVP und Grüne weiterhin zusammenarbeiten können und wollen. Lange hielt die Harmonie nicht – und die Liste künftiger Fallstricke ist lang. Allein die Verhandlungen rund um eine Justizreform könnten für schwere Verwerfungen sorgen. Und dann stehen auch noch ein Klimaschutzgesetz und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aus. (Martin Putschögl, Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid, 24.2.2023)