Kämpferisch: Das Schlechte darf nicht siegen, Sunny War hält mit erbaulicher Musik dagegen.

Foto: Joshua Black Wilkins

Es gibt da diesen Film mit Robert Mitchum. Darin spielt er einen falschen Südstaatenprediger, der eine Familie zu übervorteilen sucht, das Vertrauen der verwitweten Mutter erschleicht und diese ermordet. Auf den Knöcheln seiner Hände hat er die Worte "Love" und "Hate" tätowiert, mit denen er den Kindern eindringlich den Kampf zwischen Gut und Böse illustriert. Der Film heißt Die Nacht des Jägers, und Mitchums Händeringen wurde zum Sinnbild eines nachgerade alttestamentarischen Expressionismus.

Aktuell taucht dieser Kampf im Album Anarchist Gospel von Sunny War auf – schon der Alias der als Sydney Lyndella Ward Geborenen versinnbildlicht das Gute und Schöne, dem das Schlechte wie ein Schatten folgt.

Harte Jugend

Das passt zur Biografie der aus Nashville stammenden Musikerin, die sich als beständiger Kampf gegen die Versuchungen des Bösen ausnimmt. Das Kind einer alleinerziehenden Mutter begann als Teenager zu trinken und schlitterte von dort in eine Meth- und Heroinsucht.

New West Records

Musik und eine betreute Wohngemeinschaft in Los Angeles halfen ihr, ihre Abhängigkeit zu überwinden. Seit zwölf Jahren ist Ward clean. Seit 2015 nimmt sie als Sunny War Alben auf, Anarchist Gospel ist das überzeugendste.

Auf dem Cover inszeniert sie sich als Straßenkämpferin, einmal lachend, einmal düster. Musikalisch übersetzt Sunny War diese Polarität vielfältig: Da gibt es karge Folksongs, in denen sie ganz auf sich und ihre Gitarre zurückgeworfen vorträgt und erzählt. Doch diese Songs sind auf dem Album in der Minderheit. Es überwiegen breiter instrumentierte Titel, in denen Sunny War zwischen Blues, Soul und Countryeskem wandelt.

Unterstützt wird sie von Jim James, der mit My Morning Jacket und als Solokünstler bereits seine Ausnahmestellung als beseelter Chronist bewiesen hat. Dasselbe lässt sich über die ebenfalls mitwirkende Allison Russell sagen, die auch keine zu glückliche Jugend erlebt hat und ebenfalls seit einigen Jahren zu einer Riege junger Frauen zählt, die in einer ähnlichen musikalischen Schnittmenge arbeiten — Amythyst Kiah wäre noch zu erwähnen.

Sunny War

Nach einem Beziehungsdrama ist Sunny War wieder zurück in Nashville, dort erfuhr sie während der Aufnahmen, dass ihr kaum vorhandener Vater im Sterben lag. Das färbte auf das Album auf erstaunlich positive Art ab, denn, so war sie sich sicher, es könne nur noch besser werden.

Reflektierendes Werk

Anarchist Gospel ist schließlich kein Selbstzerfleischungswerk geworden, sondern ein zwar reflektierendes, aber auch lebensfrohes Werk. Love’s Death Bed erinnert an den Gospel-Soul einer Mavis Staples und schleicht behäbig um die Ecke, No Reason ist nicht wirklich ein sonniges Lied, das Uptempo nimmt ihm aber seine Schwere.

Und mit einer Coverversion von Baby Bitch der Kultband Ween erweist sich Sunny War auch als humorige Person. Zwar hadert sie stets, doch ist der Wille spürbar, das Glas als halbvoll einzuschätzen. Im Schattenreich war sie lange genug. Sie ist davon gezeichnet, aber sie lässt nicht zu, dass das Schlechte in ihrem Leben obsiegt. Und dabei fällt erbauliche Musik ab. (Karl Fluch, 27.2.2023)