Seit einem Jahr befindet sich die Ukraine in einem offenen Krieg mit Russland. Was anfangs wie ein Blitzkrieg aussah, hat sich in einen blutigen Stellungskrieg mit hochmodernen Waffen verwandelt: Verdun trifft Silicon Valley.

mit immer neuen Waffen zu munitionieren".
Nun haben deutsche Intellektuelle, angeführt von der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer, ein Manifest für den Frieden lanciert, in dem sie sofortige Verhandlungen über ein Ende des Krieges fordern, "mit dem Ziel, weitere hunderttausende Tote und Schlimmeres zu verhindern". Wer würde das nicht wollen?
Laut Manifest sollen außerdem die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt werden, wenn möglich, auch die des restlichen Westens. Damit würde Russland die Oberhand gewinnen. Die Frage, wer dann mit wem worüber verhandeln soll, wird nicht beantwortet.
Wladimir Putin erklärte Ende Dezember, dass er bereit wäre, mit "allen relevanten Parteien" zu verhandeln. Die Ukraine selbst zählt für ihn offenbar nicht dazu. Wenn Wagenknecht und Co ihren Willen bekommen, müssten sich die USA und die EU an einen Verhandlungstisch setzen mit Russland, um über die Ukraine zu verhandeln.
"Frieden" à la München
Im Münchner Abkommen von 1938 entschieden das Deutsche Reich, Italien, Großbritannien und Frankreich über die Zukunft der Tschechoslowakei, ohne dass diese daran teilnehmen durfte. Der britische Premier Neville Chamberlain glaubte, einen "Frieden für unsere Zeit" erreicht zu haben, nachdem er der Abtretung tschechischer Gebiete an das Deutsche Reich zugestimmt hatte. Ein halbes Jahr später marschierte das Deutsche Reich in die Rest-Tschechoslowakei ein. Tschechien wurde unterjocht, die Slowakei als Vasall des Dritten Reiches unabhängig.
Ein "Frieden" à la München wäre wohl bald möglich: Wenn die Ukraine vom Westen nach dem Ausbleiben von Waffenlieferungen zu Verhandlungen gezwungen wird, wird sie sich zumindest den russischen Territorialforderungen nach der Krim und vier Provinzen beugen müssen.
Was käme nach einem solchen Kriegsende? Es könnte sein, dass Russland sich langfristig mit den Gebietsgewinnen zufriedengibt und sich wieder in die europäische Friedensordnung einfügt. Dieses Szenario ist aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich. Eher ist anzunehmen, dass Russland, wenn es sich wieder stark genug fühlt, vielleicht wenn Donald Trump wieder an die Macht kommt, eine geschwächte Ukraine erneut angreift, überwältigt und annektiert. Die Bevölkerung würde unterjocht und mit "Säuberungs-" und "Umerziehungswellen" gefügig gemacht werden, wie man es aus der alten Sowjetunion kennt.
Die Forderungen Russlands ähneln denen Deutschlands gegenüber der Tschechoslowakei im Jahr 1938, aber im Gegensatz zu damals ist die kollektive Stärke der Demokratien dank des transatlantischen Bündnisses weit größer als die Russlands. Es gibt keinen Grund für ein neues München. Ein echter Frieden wird erst möglich, wenn Russland zur Erkenntnis kommt, dass Aggression nicht lohnt. Bis dahin gebietet es sowohl die Moral als auch die praktische Vernunft, dass wir die Ukraine dabei unterstützen, Russland zu widerstehen und zurückzudrängen. (Veit Dengler, 26.2.2023)