Vor Wahlen wird das Thema Pensionen von fast allen Parteien gerne aufgegriffen, sind Pensionistinnen und Pensionisten doch eine wichtige Wählergruppe.

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Zufall ist es wohl nicht, dass die SPÖ gerade jetzt einen lautstarken Vorstoß zu einer Änderung im Pensionssystem unternimmt. Denn am Sonntag geht die Landtagswahl in Kärnten über die Bühne – und in Klagenfurt hat der rote Landeshauptmann Peter Kaiser fast 48 Prozent der Wählerstimmen zu verteidigen. Da mag das Ultimatum, das die Sozialdemokratie der türkis-grünen Bundesregierung am Sonntag – und damit in der finalen Wahlkampfphase – zu den Pensionen stellte, ganz gelegen kommen.

Er habe "schon vor Wochen verlangt, dass die Bundesregierung den Raubzug durch die Brieftaschen von hunderttausend Pensionistinnen und Pensionisten beenden muss", forderte Kaiser da per gemeinsamer Aussendung mit Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner. Es könne nicht sein, dass die Höhe der zukünftigen Pension davon abhänge, "in welchem Sternzeichen man geboren ist". Und die Parteichefin ergänzte: "Diese ungerechte lebenslange Pensionskürzung muss gestoppt werden." Bringe die Regierung nicht im März eine Lösung zustande, werde die SPÖ eine Verfassungsbeschwerde einbringen.

Ressort kündigt Reparatur an

Hintergrund dieser scharfen Worte: die gestaffelte Pensionsanpassung im ersten Jahr nach Pensionsantritt. Die Regelung führt dazu, dass Pensionistinnen und Pensionisten in diesem ersten Jahr nur dann die volle Pensionserhöhung bekommen, wenn sie bereits mit Jänner aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Mit einem späteren Pensionsantritt wird das Plus von Monat zu Monat weniger. Wer erst im November oder Dezember in Pension geht, bekommt im ersten Jahr gar nichts. SPÖ und Gewerkschaft an vorderster Front hatten seit längerem eine Änderung gefordert.

Das zuständige Sozialministerium unter Ressortchef Johannes Rauch (Grüne) ließ kürzlich wissen, dass man an einer neuen Regelung arbeite. Auf STANDARD-Anfrage betont man am Sonntag aber einmal mehr, dass dem Ressort "die dargestellten Problemstellungen bewusst" seien. Man stehe "bereits im Austausch mit Expertinnen und Experten sowie dem Koalitionspartner, wie den Auswirkungen der hohen Inflation im Zusammenhang mit der allgemeinen Aliquotierungsregelung begegnet werden kann".

ÖVP will sich nicht äußern

Verwiesen wird darauf, dass bereits für die Pensionsanpassung für heuer eine Änderung wirksam wurde, sodass alle, die 2023 ihre Pension antreten, mindestens die halbe Pensionserhöhung erhalten. Damit habe man die Auswirkungen der Aliquotierungsregelung "bereits deutlich abgemildert". Eine Lösung der "nachteiligen Effekte soll spätestens bis zur Pensionsanpassung für das kommende Jahr erarbeitet werden". Das heißt, eine Änderung soll vor dem Beschluss der Pensionsanpassung im Herbst stehen. Unklar ist, ob es sich dabei um eine Lösung nur für das kommende Jahr oder um eine dauerhafte handeln werde.

Dem Ultimatum der SPÖ plant die türkis-grüne Regierung damit offenbar nicht zu entsprechen. Die ÖVP hüllt sich danach gefragt jedenfalls in Schweigen. Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger, in der Regel nie um eine Wortspende zum Thema Pensionen verlegen, wollte die Angelegenheit auf Anfrage des STANDARD am Sonntag nicht kommentieren. Schon in wenigen Wochen wird sich also zeigen, ob die Sozialdemokraten ihre Drohung wahrmachen und vor den Verfassungsgerichtshof ziehen werden.

Die SPÖ sieht in der Regelung nämlich nicht nur eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit", sie hält sie auch für verfassungswidrig. Dazu hat der rote Parlamentsklub ein Gutachten vorgelegt, mit dem er den früheren Verfassungsrichter Rudolf Müller, von 2013 bis 2016 auch Vorsitzender der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung, beauftragte.

Spielraum für Verfassungsrichter

In seinem Gutachten schließt Müller, es sei "grob unsachlich", jenen, deren Pension mit Jänner anfalle, die volle, und jenen, deren Pension erst später im Jahr anfalle, eine geringere Pensionsanpassung zu gewähren. Ebenso sei es grob unsachlich, dass bei Antritt mit November "zum nächsten Jahresersten überhaupt keine" Pensionsanpassung gewährt werde. Zwischen dem Ausmaß des Wertverlustes und der Dauer des Pensionsbezuges im ersten Jahr bestehe "kein wie immer gearteter sachlicher Zusammenhang".

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer sieht im Gespräch mit dem STANDARD indessen "keine groben Verfassungswidrigkeiten, keine grobe Unsachlichkeit". Der Verfassungsgerichtshof habe in solchen Fällen "einen extrem weiten Spielraum", sagt Mayer. Hintergrund der Regelung sei wohl gewesen, dass jene, die später in Pension gehen, noch im Erwerbsleben eine Inflationsabgeltung über ihre Gehälter bekämen, die Pensionistinnen und Pensionisten aber nicht. "Die noch Erwerbstätigen haben also im Gegensatz zu Pensionisten in der Vergangenheit nichts verloren." (Martin Tschiderer, Sandra Schieder, 26.2.2023)