Manche fürchten die Dunkelheit, andere heißen sie mit Freuden willkommen. Profi- und Amateurastronomen und andere nachtaktive Zeitgenossen tun sich allerdings immer schwerer: Die zunehmende Lichtverschmutzung droht allmählich buchstäblich die Nacht zum Tag zu machen. In einer Welt, die mehr und mehr von künstlichem Licht geplagt wird, ist Dunkelheit daher ein kostbares Gut, das es zu schützen lohnt.

Dieser Aufgabe hat sich die International Dark Sky Association (IDA) verschrieben. Die gemeinnützige Naturschutzorganisation arbeitet daran, die natürliche Finsternis der Nacht zu bewahren – zumindest in ihren wenigen verbliebenen Refugien.

Wenn die Nacht über Ynys Enlli hereinbricht, wird es richtig dunkel – und der Sternenhimmel erstrahlt umso prachtvoller.
Foto: IDA/Steve Porter

Offizielle Dunkelinsel

In die Runde der "dunkelsten Orte der Welt" hat es nun erstmals ein europäischer Ort geschafft: Die in walisischer Sprache Ynys Enlli ("Insel der Gezeiten"), im Englischen Bardsey Island genannte Insel im Norden von Wales darf sich nun offiziell "International Dark Sky Sanctuary" (IDSS) nennen – eines von 17 derartigen Schutzgebieten.

Neben den eigentlichen "Sanctuaries" gibt es annähernd 200 weitere von der IDA zertifizierte Gebiete, darunter auch Parks (einen solchen "Sternenpark" besitzt Oberösterreich mit der Region Attersee-Traunsee), Reservate und Gemeinden, die für ihre vorbildlichen Beleuchtungsrichtlinien ausgezeichnet werden. Die walisische Insel Ynys Enlli erfüllte nun auch die strengen Dunkelheitskriterien für ein solches Schutzgebiet, deren Einhaltung vier Jahre lang kontrolliert worden war.

Im Schatten des Mynydd Enlli

Das 1,8 Quadratkilometer kleine Eiland liegt drei Kilometer westlich der Llŷan-Halbinsel. Die geografische Lage, vor allem aber die landschaftlichen Gegebenheiten hüllen einen Teil der Insel während der Nacht in schwärzeste Finsternis. Zu verdanken ist dies dem 167 Meter hohen Berg Mynydd Enlli im Osten der Insel, der das Licht vom nordöstlich gelegenen Festland abschirmt. Die nächstgelegene signifikante Lichtquelle ist Dublin, und das liegt rund 100 Kilometer jenseits der Irischen See.

Unter den Menschen der Region ist Ynys Enlli auch als die "Insel der 20.000 Heiligen" bekannt, weil hier ebenso viele Heilige bestattet worden sein sollen. Tatsächlich entstanden auf der Insel ab dem sechsten Jahrhundert viele christliche Klöster, bis heute ist sie ein wichtiger Wallfahrtsort. Besiedelt war die Insel vermutlich schon ab der Bronzezeit, Funde weisen auf Landwirtschaft und Fischerei hin. Aktuell lebt dort ein rundes Dutzend Menschen. Wie ihre Vorfahren bewirtschaftet die kleine Gemeinschaft das Land und betreibt Fischerei.

Blick von der Halbinsel Llŷan hinüber zur "Insel der 20.000 Heiligen".
Foto: imago/Bluegreen Pictures/Graham Eaton

Den Nachthimmel genießen

Die Insel ist bekannt für ihre reiche Vogelwelt. Vor allem Atlantiksturmtaucher und Alpenkrähen nisten dort, ein Vogel- und Feldobservatorium behält die Tierwelt im Auge. Auch Besucher sind willkommen: Einige unter Denkmalschutz stehende Ferienhäuser werden in der Urlaubszeit gerne von Gästen genutzt.

Sian Stacey, Vorsitzende des Bardsey Island Trust, freut sich außerordentlich über die Auszeichnung: "Es besteht kein Zweifel, dass dieser prestigeträchtige Status den Bekanntheitsgrad von Ynys Enlli steigern wird. Die Insel ist ein einzigartiger Ort in Wales und einer der besten Orte der Welt, um den Nachthimmel zu genießen." Bleibt zu hoffen, dass etwaige Besucheranstürme die Finsternis nicht vertreiben. (tberg, 27.2.2023)