Islamwissenschafter Khorchide: Der von ihm propagierte Dialog startet mit Misstönen.

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Es lässt sich nicht behaupten, dass in Österreich zu wenig über den Islam diskutiert wird. Doch diese Debatte laufe oft nach einem unbefriedigenden Muster ab, sagt der heimische Wissenschafter Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität Münster: Im Mittelpunkt stünden meist vor Wahlen formulierte Vorwürfe, die Musliminnen und Muslime in Rechtfertigfertigungszwang brächten.

Überfällig sei deshalb ein "lösungsorientierter Dialog". Bieten soll diesen eine institutionalisierte Plattform namens "Österreichische Islamkonferenz" (ÖIK), die Khorchide am Montagvormittag vorstellte. Politik, Kirche, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft sollten mit Vertretern der Musliminnen und Muslime regelmäßigen Austausch pflegen, schwebt dem Theologen samt seinen Mitstreitern vom Muslimischen Forum Österreich (MFÖ) vor. Bis Ende 2024 – so lange ist das Projekt vorerst anberaumt – sollen fünf Treffen mit jeweils 100 Teilnehmern stattfinden, der erste Termin ist für den 24. Juni geplant.

Vertreter fühlen sich übergangen

Doch die Idee stößt bereits vor dem Start auf entscheidender Seite auf Misstrauen. Von einer Lücke im Dialog könne keine Rede sein, sagt Valerie Mussa, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). Denn anders als in Deutschland, wo es bereits eine (umstrittene) Islamkonferenz gibt, existiere hierzulande mit der IGGÖ längst eine staatlich anerkannte Religionsgesellschaft als Ansprechpartnerin für Politik & Co.

Ein Dialog auf Augenhöhe könne auch nicht stattfinden, wenn die Erfinder der Konferenz die IGGÖ in die Planung nicht einbeziehen, kritisiert sie: Es sei nicht das erste Mal, dass "in den Medien vorgeprescht" werde, statt die Zusammenarbeit zu suchen.

Mussa spielt damit etwa auf die im Mai 2021 präsentierte Islamlandkarte an. Pate dafür standen Integrationsministerin Susanne Raab von der ÖVP sowie die von der Regierung eingesetzte Dokumentationsstelle Politischer Islam, deren wissenschaftlichem Beirat Khorchide vorsteht. Das Projekt solle nicht nur einen Überblick über muslimische Organisationen geben, so die Urheber damals, sondern auch "gefährliche Tendenzen" aufzeigen.

Die IGGÖ reagierte empört: Die Karte stelle Muslime unter Generalverdacht und befeuere den Rassismus. Entsprechend schlecht angeschrieben ist Khorchide bei den offiziellen Vertretern. Der Theologe lasse sich vor den politischen Karren spannen, lautet der Vorwurf.

Verdacht auf politisches Motiv

Auch bei der neu ausgerufenen Islamkonferenz dränge sich der Verdacht einer "politischen Motivation" auf, sagt Sprecherin Mussa und vermutet das im Bundeskanzleramt angesiedelte Integrationsministerium als treibende Kraft im Hintergrund: "Offenbar will man Parallelstrukturen schaffen, um einen neuen Ansprechpartner zu haben." Da passe es ins Bild, dass die EU-Fördermittel für das Projekt vom Kanzleramt vergeben wurden.

Khorchide beteuert hingegen, dass es eben nicht um den Aufbau einer Konkurrenz gehe. "Wir stellen auf keinen Fall den Anspruch, dass wir durch diese Struktur Muslime in Österreich vertreten wollen", sagt er – und die IGGÖ sei natürlich zum Dialog eingeladen. (Gerald John, 27.2.2023)