Gülle und Kunstdünger machen dem Boden zu schaffen. Gemeinschaften von Mikroorganismen können beim Abbau helfen.

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Jahrhunderte der Besiedelung und Landwirtschaft haben den Böden unter unseren Füßen stark zugesetzt. Ammoniumsalze aus der Jauchedüngung, Kunststoffpartikel und komplexe Umweltgifte reichern sich mancherorts an. Ums sie wieder loszuwerden, können Mikroorganismen einen wertvollen Beitrag leisten. Im Rahmen eines Projekts will man den Ansatz der Bodensanierung durch Kleinstlebewesen auf eine breitere Basis stellen. Anwendungsfelder gibt es dafür zur Genüge: Allein in Europa zählt man rund 324.000 erheblich kontaminierte Standorte.

Verlockender Ansatz

Mit insgesamt sechs Millionen Euro wird das Ende des vergangenen Jahres gestartete Projekt Mibirem von der EU über mehr als vier Jahre hinweg unterstützt. Wissenschaftlicher Leiter ist Thomas Reichenauer von der Competence-Unit Bioressourcen des Austrian Institute of Technology (AIT). Unter dem Begriff "Bioremediation" versteht man den verlockenden Ansatz, Erdreich oder Grundwasser an Raffinerie-, Tankstellen-, Kraftwerks- oder Industriestandorten durch den Einsatz von Mikroorganismen möglichst wieder von den oft jahrzehntelang eingesickerten Schadstoffen zu befreien.

Bei kleineren derart kontaminierten Standorten kann man das Erdreich abgraben und in der Folge deponieren, verbrennen oder einer Spezialbehandlung zuführen. Ist die Kontamination aber großflächiger oder tieferliegend, ist diese Vorgehensweise nur selten möglich, weil sehr teuer, erklärte Reichenauer. Will man Böden sanieren, die überbaut sind, fällt diese Option ebenso weg.

Natürliche Abbauprozesse

Ein Problem bei der Boden- und Grundwassersanierung ist zusätzlich, dass es sehr viele verschiedene Schadstoffe und Schadstoffmischungen gibt, für die es jeweils andere Herangehensweisen braucht. Forscher gehen davon aus, dass die vielen verschiedenen Mikroorganismen in den Böden und im Wasser für viele davon Lösungen bereithalten. An kontaminierten Standorten werden nämlich über längere Zeit laufende "natürliche" Abbauprozesse beobachtet. Manche dieser Gemeinschaften können in Zusammenarbeit verschiedenste toxische Stoffe für sich nutzen und in weniger schädliche Komponenten umwandeln.

Das macht man sich bereits zunutze, indem Mikroben in Böden und Grundwasser eingebracht werden, die sich dann an den Schadstoffen laben. Das funktioniere bereits für Mineralöl-Kohlenwasserstoffe oder chlorierte Kohlenwasserstoffe. Im Fall dieser Verbindungen "bleiben am Ende dann im besten Fall CO2 und Wasser übrig".

Futter für die Mikrobiome

Zuerst bietet man den in den Boden verfrachteten Bakterien ihr präferiertes Futter an, um sie zur Vermehrung anzuregen. Sind diese Stoffe dann aufgebraucht, geht ihnen die Nahrung aus – und sie müssen sich an die quasi schlechteren Nahrungsmittel heranwagen. "Salopp gesagt ist man grundsätzlich der Meinung, dass sich Bakterien an jede Substanz anpassen können. Sogar Plastik wird abgebaut. Die Frage ist aber immer, wie rasch das geht", sagte Reichenauer.

Für toxische Cyanid-Verbindungen, die etwa an ehemaligen Gaswerkstandorten häufig vorkommen und oft mit anderen Kontaminationen einhergehen, und verschiedene Abkömmlinge von Hexachlorcyclohexan (HCH) gibt es diese Möglichkeiten jedoch noch nicht. Im Rahmen des Mibirem-Projekts will man das ändern. Neu ist hier der Ansatz, eine Vielzahl an Mikroorganismen im Verbund, also ein Mikrobiom, einzusetzen, so der Wissenschafter.

Angepasste Abbauketten

Denn der Abbau von komplexen Schadstoffen ist ebenso komplex und geht arbeitsteilig in einer "Abbaukette" vonstatten. Nach solchen Gemeinschaften suchen die Forscher jetzt an bekannten, kontaminierten Standorten. Dann gilt es, diese zu konservieren und zu kultivieren, um in der Folge Pilotversuche "mit den besten Mikrobiomen, die wir finden", im Feld zu starten.

Zum Beispiel für den Abbau von Lindan – einer HCH-Variante, die auch in unseren Breiten lange als Insektizid eingesetzt wurde – werden dringend Lösungen gesucht. In Europa habe man bereits über 100 damit stark kontaminierte ehemalige Produktions- und Verarbeitungsstandorte identifiziert, die der Sanierung harren. "Unser Ansatz mit dem mikrobiellen Abbau ist ein Beitrag dazu", sagte Reichenauer. (red, APA, 5.3.2023)