Erdtöne bestimmen die Gestaltung des Terrae – Tuscan Kitchen, eines neuen Edelitalieners in der Innenstadt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wiens italienische Restaurants sind schon bemerkenswert. Da fahren wir in den Ferien nirgends lieber hin als zu unseren schönsten, köstlichsten Nachbarn, essen nichts lieber als das, was die Mamma gerade auf dem Herd hat oder die Osteria im Dorf sonst an tagesaktuell Saisonalem auf der Karte – und noch so gerne auch die ärgeren Dinge.

Aber kaum samma wieder daheim beim jeweiligen Italiener des Herzens, müssen es Paradeiser im Februar und Bistecca mit Braterdäpfeln sein. Sättigungsbeilage ist nicht verhandelbar. Genau so schauen sie dann auch aus, die Etablissements, die sich bei uns als italienisch ausgeben: Zusehends absurde Zerrbilder, ins grotesk Balkano-Germanische abgleitende Karikaturen lateinischer Lebenskultur, die sich in schmalzlockigem Heranwerfen an den Gast üben und ein Essen servieren, von zerkochter Pasta bis zu saisonal im Nirgendwo verortbaren Zutaten, das ihnen die Mamma in Italien mit dem sprichwörtlich nassen Fetzen um die Ohren hauen würde. Hier aber geht es sich allemal aus, hier dürfen dafür, ohne mit der Augenbraue zu zucken, Premiumpreise in Rechnung gestellt werden.

Toskanischer Salat Panzanella

So ist die Tradition des Wiener Italieners, so haben wir gelernt, dass es zu sein hat, so haben wir es auch gern. In diesem Kontext ist es also ganz normal und vorhersehbar, dass der neue Italiener in der Dorotheergasse, ein Ableger des LaNo in der Annagasse (und ebendort zu Hause, wo das Ur-LaNo war), Ende Februar eine Panzanella in der Vorspeisenliste führt. Wer’s nicht weiß: Der quintessenziell sommerlich toskanische Salat besteht aus überreifen Paradeisern und altbackenem Brot, das sich am Saft der Früchte vollsaufen kann.

Im Terrae – Tuscan Kitchen aber sind die Paradeiser, wie sie eben sind um diese Jahreszeit: blass, fest, in der Konsistenz entfernt an Äpfel erinnernd. Das Brot ist zum Glück geröstet, weil Saft darf es sich von diesen graurosa Gemüsewürfeln keinen erwarten. Dafür liegt, wie ein Schneeball, und in ähnlicher Temperatur, eine Kugel Burrata daneben. Normal gerät der legendäre Oberskäse schon ins Fließen, wenn man ihn streng anschaut. Hier ist er so entschlossen an den Gefrierpunkt gekühlt, dass man ihm mit Messer und Gabel zu Leibe rücken muss – fließen tut da gar nichts. Aber in den Zähnen weh.

Die Battuta ist ein nur mit Zirtonensaft, Salz und Olivenöl angemachtes Tartare vom Rind.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Manches gelingt richtig gut, etwa die Battuta vom toskanischen Rind, eine Art puristisches Tartare (siehe Bild), nur mit Zitronensaft, Salz und Olivenöl angemacht. Dazu gibt es ganz köstlich gratiniertes Ochsenmark und wirklich gute, hausgemachte Focaccia sowie ebensolche, köstliche Grissini. Das ist umso erstaunlicher, als Brot so ziemlich das Einzige ist, das sie in der Toskana wirklich nicht drauf haben.

Seidige Schlüpfrigkeit

Auch die hausgemachten Fettuccine mit Burrata-Creme und Garnele sind mehr als ordentlich und entwickeln seidige Schlüpfrigkeit am Gaumen. Die Salsa hat satte Meeresfrüchte-Aromen, die Garnelen, in Stücke gehackt und knapp gegart, spielen nicht Verstecken. Auch die Spaghetti von der Edelmanufaktur Martelli geraten fest und elastisch im Biss, die daruntergehobenen Vongole sind aber gummig und geschmacklich kaum vorhanden – kein Wunder bei vorab ausgelöster Ware. Dabei weiß doch wirklich jeder Italiener, dass die köstlichen Muscheln nur dann gut sind, wenn sie vor 60 Sekunden noch lebendig waren, vor 30 in der glühend heißen Pfanne tanzten und jetzt, unter die Pasta gehoben, aus dem Teller lachen!

Ein Trost sind der engagierte und schmähbegabte Service, die wenigen, klug ausgewählten offenen Weine (Karte ist noch im Entstehen) und der sehr ordentliche Hausbrandt zum Abschluss. Fehlt nur, dass die sich jetzt noch trauen, wenigstens ein bisserl italienisch zu sein! (RONDO, Severin Corti, 3.3.2023)