Eine Rolex Daytona aus dem Besitz von Paul Newman wurde 2017 für 17 Mio. Dollar versteigert.

Foto: PHILLIPS in Association with BACS & RUSSO

Die Royal Oak von Audemars Piguet, 1972 präsentiert, gilt als Designikone. Nicht nur Celebrities sind von ihr angetan.

Foto: Audemars Piguet

Rolex mischt mit einem eigenen Certified Pre-Owned-Programm den Markt auf.

Foto: Rolex

Die Nautilus von Patek Philippe in Edelstahl (Ref. 5711/1A) gilt als ultimative Trophäe. Sie wurde von 1976 bis 2021 produziert. Im Bild die Jubiläumsedition zum 40. Geburtstag des Klassikers.

Foto: Patek Philippe

Die legendäre Omega Speedmaster "Moonwatch" (links), die erste Uhr auf dem Mond, war die Vorlage für die gehypte "Moonswatch".

Foto: Swatch

Ex-Bond Daniel Craig ließ sich bei einer Veranstaltung mit der angesagten Moonswatch an seinem Handgelenk blicken.

Foto: Getty Images

Einen interessanten Weg in Sachen CPO beschreitet Jaeger-LeCoultre mit The Collectibles einer kuratierten Sammlung der wegweisendsten Modelle der Maison: Sie umfasst eine sorgfältig zusammengestellte Sammlung von insgesamt 17 seltener Zeitmesser, die für die Uhrmacherkunst des 20. Jahrhunderts wegweisend sind. Zu den ersten Modellen der Kollektion zählen eine Geophysic, eine Memovox Parking, eine Master Mariner Deep Sea, eine Shark Deep Sea und die abgebildete Memovox Polaris II aus dem Jahr 1970. Jeder Zeitmesser wird mit einem Auszug aus den Archiven von Jaeger-LeCoultre, einem neu entworfenen Armband und einem Gratisexemplar des Bildbandes "The Collectibles" geliefert. Außerdem sind, sofern verfügbar, auch die Originalbox, die Originalpapiere und das Originalarmband im Lieferumfang enthalten.

Foto: Jaeger-LeCoultre

Bei einem Spaziergang durch die Wiener Innenstadt springen sie einem ins geschulte Auge. Sie tragen mehr oder weniger fantasievolle Namen wie Timelounge oder Chronothek: Secondhandläden, die sich auf gebrauchte Zeitmesser spezialisiert haben. Davon scheint es immer mehr zu geben. Eine Entwicklung, die auch Julien Rossier beobachtet: "Waren Händler von Uhren aus Vorbesitz noch vor wenigen Jahren eher Randfiguren, sind sie heute ins Zentrum gerückt."

Man finde sie nicht mehr nur im Internet oder in der Vorstadt, sondern in der City. In unmittelbarer Nähe zu etablierten Edeljuwelieren, etwa der Bucherer-Boutique am Stephansplatz, deren Geschäftsführer Rossier ist. Dort bietet man seit drei Jahren selbst Uhren aus zweiter Hand an. Sie laufen unter dem vertrauensbildenden Label "Certified Pre-Owned", kurz CPO. Soll heißen: Bucherer, immerhin der größte Uhreneinzelhändler der Welt, bürgt für deren Qualität.

Analoge Dinge und Nachhaltigkeit

"Secondhand-Uhren sind ein Türöffner", bekundete Rossier schon 2020. Ein niederschwelliges Angebot, um auch jene ins Geschäft zu locken, die sich für Zeitmesser interessieren, die sich aber bisher nicht trauten, zu einem Juwelier zu gehen, um sich einmal unverbindlich umzusehen. Unabhängig vom Kontostand.

Tatsächlich spricht der Lifestyle und die Affinität der Gen Z, aber auch der Millennials, zu analogen Dingen sehr für Uhren aus zweiter Hand. Sie scheuen den Gang zum Secondhandladen nicht, Stichwort Nachhaltigkeit, sind auch offen für Luxusprodukte. En vogue sind zudem Vintage-Objekte, vor allem solche, die regulär schwer zu bekommen sind. Und die versprechen, auch noch nach Jahren begehrenswert und wertvoll zu sein.

Ein Trend, den man bei Bucherer erkannte. Anstatt sich dagegenzustemmen, machte man kurzerhand mit. Sorgte "Bucherer Certified Pre-owned" schon für Schlagzeilen, kam der Einstieg der bekanntesten und wertvollsten Uhrenmarke der Welt, Rolex, einem "Erdbeben" gleich, wie es die "New York Times" formuliert. Der Branchenprimus startete per 1. Dezember 2022 ein eigenes CPO-Programm. Man wolle damit Fachhändlern des offiziellen Vertriebsnetzes der Marke, und nur denen, die Möglichkeit bieten, Gebrauchtuhren mit Echtheitsbescheinigung zu verkaufen, für die eine neue internationale Garantie von zwei Jahren gewährt wird. Kundinnen und Kunden soll das neue Programm ermöglichen, Armbanduhren aus zweiter Hand zu erwerben, die nun von der Marke selbst mit Echtheitsbescheinigung und Garantie ausgestattet werden.

Ausweichen

Als ersten Partner dafür haben sich die Genfer Bucherer ausgesucht. Was Rossier freut – immerhin ist Österreich unter den Ersten, die mit dem Segen der Krone loslegen durften: "Es war ein logischer Schritt von Rolex", hält er fest. Schließlich möchte die Marke ihr Image schützen. Logistisch sei die Vorbereitung auf das Programm nicht ohne gewesen, deutet er an.

Auch für Rolex dürfte der Aufwand gewaltig sein. Schätzungsweise eine Million Uhren produziert man pro Jahr. Egal ob es sich dabei um eine schlichte Datejust handelt, um eine Submariner, die als Archetyp der Taucheruhr gilt, oder um die legendäre Daytona: Die Nachfrage ist seit Jahren höher als das Angebot.

Viele Interessentinnen und Interessenten weichen daher auf gebrauchte Modelle aus, um sich ihren Traum von der eigenen Rolex zu erfüllen. Das beweisen die jährlichen Ranglisten einschlägiger Plattformen, wo unter den Top Ten der am meisten verkauften Gebrauchtuhren garantiert immer mehr als die Hälfte Rolex-Modelle sind. Käuferinnen und Käufer sind dafür sogar bereit, für eine Uhr, die schon einige Kilometer auf dem Zähler hat, genauso viel zu bezahlen wie für eine neue, wenn nicht sogar mehr. Eine Situation, die auch "Flipper" ausnutzen: Sie kaufen neue Zeitmesser und verchecken sie gleich danach mit einem ordentlichen Aufschlag wieder. Es ist wohl auch diesem Umstand geschuldet, dass sich Rolex dazu entschlossen hat, dem Treiben eigene Regeln aufzuerlegen.

Dranhängen

Das Beispiel wird wohl Schule machen. Auch wenn manche, wie Swatch-Boss Nick Hayek, schon abgewunken haben: "Warum sollten wir uns einmischen? Dieser Markt reguliert sich von selbst", sagte er sinngemäß in einem Interview mit "Bloomberg TV". Gut möglich, dass er dabei die Moonswatch, eine Kreuzung aus Swatch-Quarzuhr und der legendären Omega Moonwatch, der ersten Uhr auf dem Mond, im Kopf hatte. Die löste letztes Jahr einen schon lange nicht mehr gesehenen Hype aus. Die Boutiquen waren schnell ausverkauft, auf diversen Plattformen tauchten Moonswatches bald zu – nun ja – "Mondpreisen" auf.

Andere Hersteller wie Audemars Piguet oder Patek Philippe scheinen nicht abgeneigt zu sein, sich mit eigenen Waggons an den milliardenschweren CPO-Zug mit dranzuhängen. Vor allem die als Designikonen geltenden Modelle Royal Oak (Audemars Piguet) bzw. Nautilus (Patek Philippe) sind heiß begehrt – egal in welchem Zustand. Nischenplayer wie Richard Mille, deren limitierte, ultraluxuriöse Zeitmesser das Handgelenk der sehr Reichen und sehr Berühmten, etwa das von Pharrell Williams, schmücken, haben längst ihr eigenes CPO-Pferdchen – auch mit Blick auf die Kundenbindung – ins Rennen geschickt. Was die Schweizer (und nicht nur die) fasziniert: Bis 2033 soll der Wert des Gebrauchtuhrenmarktes auf rund 79 Mrd. Euro steigen und damit den Wert des Neuuhrenmarktes überflügeln, fasst Analyst Oliver R. Müller in einem viel beachteten Report seiner Agentur Luxe Consult zusammen. Er ist sich sicher: Da geht noch ein bisserl mehr.

Chrono24-CEO Tim Stracke teilt diese, für manche etwas gar überzogene Einschätzung gerne: "Wir stehen erst am Anfang." Seit 2010 führt er das Unternehmen und machte es zum weltweit größten Handelsplatz für gebrauchte und neue Uhren. Verkaufen kann dort jeder – Privatpersonen wie zertifizierte Händler. Die Auswahl ist riesig: Aus über 500.000 Zeitmessern jeder Kategorie kann man wählen.

Durchatmen

Selbst die Tatsache, dass Chrono24 vor kurzem dutzende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen musste, trübt den Optimismus nicht. Auch nicht, dass nach einem Sprint in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres ein Einbruch erfolgte, nachdem die Preise für einige Uhrenmodelle – die üblichen Verdächtigen – in immer lichtere, um nicht zu sagen: verrückte Höhen stiegen. In Analogie zum Aktienhandel ist da offensichtlich eine spekulative Blase geplatzt. Sinkende Kurse an den Börsen und bei Kryptowährungen, die Inflation, steigende Zinsen … all das ist auch Gift für den Gebrauchtuhrenhandel.

2022 sei sehr volatil gewesen, resümiert Stracke im besten Wirtschaftssprech und prophezeit, dass man heuer keine extremen Wertsteigerungen sehen werde: "2023 wird der Markt ein bisschen durchatmen." Die Sache mit Rolex sieht er gelassen. Man habe diesen Schritt bereits erwartet, meint Stracke. Er warte nur darauf, bis die ersten CPO-zertifizierten Modelle auf seiner Plattform auftauchen. "Die Frage ist, ob ein Käufer dazu bereit ist, für ein weiteres Zertifikat mehr zu bezahlen." Zumal es noch genügend andere vertrauenswürdige Händler da draußen gebe. (RONDO, Markus Böhm, 4.3.2023)