Virtual-Reality-(VR-)Brillen wie jene von Meta oder die Sony PSVR2 bringen imaginäre Welten ins eigene Wohnzimmer, indem sie den Spielenden Bilder in beide Augen projizieren und so die Illusion einer dreidimensionalen Umgebung erstellen.

Aber das alleine macht leider noch kein Metaversum, bis zur vollen Immersion ist mehr nötig. So fesseln viele dieser Brillen ihre Trägerinnen noch immer per Kabel an ein anderes Gerät, der Bewegungsspielraum ist im eigenen Wohnzimmer durch Möbel und herumliegende Spielsachen stark eingeschränkt – und wer mit Freundinnen oder Freunden gemeinsam spielen will, kämpft nicht selten mit Verbindungsproblemen und muss auf eine möglichst stabile Internetverbindung hoffen.

Zero Latency: VR ohne Stolperfallen

Die Antwort darauf will das Unternehmen Zero Latency gefunden haben, das 2013 in Melbourne, Australien, gegründet wurde. Anfangs via Crowdfunding finanziert, betreibt der Anbieter inzwischen Standorte in aller Welt, darunter auch in der Wiener Shopping City Süd.

Dieser Trailer vermittelt einen Eindruck von "Zero Latency".
Zero Latency VR

Das Konzept von Zero Latency: Als bis zu achtköpfiger Freundeskreis begibt man sich in einen Raum, dort werden alle Spielerinnen und Spieler mit VR-Brillen und Kopfhörern ausgestattet und spielen gemeinsam ein VR-Spiel, bei dem sie sich frei im Raum bewegen können, ohne durch Kabel oder Möbelstücke aufgehalten zu werden. Quasi wie das Holodeck aus "Star Trek", wenn auch noch nicht ganz so ausgereift. Ich habe das System gemeinsam mit Freunden ausprobiert.

Spielauswahl und Sicherheit

Der Anbieter hat gleich mehrere Szenarien zur Auswahl, die von Rätsel- bis zu Science-Fiction-Abenteuern reichen, unter anderem wurde auch Ubisofts "Farcry"-Franchise lizenziert. Prominent platziert ist im Wartebereich auch ein Roll-up mit einem "Warhammer 40.000"-Sujet, ergänzt mit dem vielversprechenden Satz "Coming 2023" – wobei es auf Nachfrage beim Personal heißt, dass hiermit wohl erst im dritten Quartal zu rechnen ist, da ein Teil des Entwicklungsteams in der Ukraine angesiedelt ist. Schade. Somit entscheiden wir uns für ein eher klassisches Szenario: die Zombie-Apokalyse.

Der Trailer zur VR-Version von "Farcry".
Zero Latency VR

Dieses Szenario mit dem Namen "Outbreak Origins" lässt sich mit bis zu acht Personen ab 16 Jahren spielen, pro Person fallen dann für 30 Minuten Spielspaß Kosten in Höhe von 39,90 Euro an. Außerdem gibt es ein Safety-Briefing, das etwa 15 Minuten dauert.

In der Lobby wird unter anderem für ein kommendes "Warhammer 40.000"-Spiel geworben.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

In diesem werden die Funktionen des Spiels, aber auch grundlegende Regeln und Sicherheitsfeatures erklärt. So kann etwa die Sorge entkräftet werden, dass man beim Spielen versehentlich gegen eine Wand läuft: Denn nähert man sich dieser, so wird im Sichtfeld der Brille eine Warnung eingespielt. Wird der Abstand zu kritisch, so kann der im Raum anwesende Administrator das Spiel pausieren. Das Gleiche gilt, wenn man sich anderen Personen im Raum zu sehr nähert – niemand möchte in der Hitze des Geschehens plötzlich ein Plastikgewehr zwischen die Rippen bekommen.

Brillen und Controller

Bei den Brillen handelt es sich dem Mitarbeiter zufolge um Geräte des Herstellers HTC, die über ein Inside-out-Tracking verfügen. Das bedeutet, dass keinerlei Trackingtechnologie im Raum angebracht werden muss, da die Brille selbst erkennt, wo sie sich gerade befindet. Im Test ließ sich das Gerät auch mit Brille problemlos tragen, ergänzt wird es durch Kopfhörer und Mikrofon zwecks Kommunikation mit dem restlichen Team.

So stellt Zero Latency die Spielerinnen und Spieler dar, ...
Foto: Zero Latency

Als "Controller" kommen – zumindest in diesem Spiel – Attrappen von Gewehren zum Einsatz, die an jene aus Laser-Tag-Spielen erinnern. Auch diese verfügen über ein eigenes Tracking, mit dem die Position genau bestimmt werden kann. Neben dem Trigger gibt es außerdem noch einen Knopf zum Waffenwechsel zwischen Shotgun und Maschinengewehr, das Maschinengewehr kann durch das Drücken eines weiteren Knopfs nachgeladen werden, zur realistischen Simulation der Shotgun wurde ein beweglicher Vorderschaft-Repetierer integriert.

Abtauchen in die Apokalypse

So viel zur Theorie und zu den technischen Details – denn von denen bekommt man nicht mehr viel mit, wenn die Brille aufgesetzt und das Spiel gestartet wurde. Flugs befinde ich mich dann nämlich nicht mehr in einer bunt angemalten Halle in der SCS, sondern in einer Großstadt, die von Zombies überrannt wurde. Unser Aufgabe: ein Gegenmittel finden und sichern, dabei möglichst viele Untote über den Haufen schießen.

... und so sieht der Autor dieses Artikels beim Spielen aus.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Dazu werden wir als insgesamt sechs Spieler für den Großteil des Spiels auf zwei Teams zu je drei Personen aufgeteilt und treffen erst später wieder aufeinander, wenn es um das Besiegen des Endgegners geht. Inkludiert sind in das Spiel diverse Szenen, in denen der Schmäh von VR gut ausgereizt wird: Mal fliegen wir in einem offenen Hubschrauber, mal müssen wir an einer Hausschlucht entlang über ein dünnes Brett balancieren, und immer wieder tauchen Widersacher aus allerlei Ecken auf, die uns an den Kragen wollen.

Leichte Latenzen

Die Story gewinnt freilich keinen Kreativitätspreis, und die Grafik ist aus Sicht der VR-Kenner in unserem Freundeskreis nicht unbedingt ein Benchmark. Auch gibt es beim Sprechen eine gewisse Latenz: Den neben mir stehenden Freund höre ich zuerst mit seiner echte Stimme und erst ein paar Millisekunden später im Headset – eine Erfahrung, die man auch aus unkoordinierten hybriden Teams-Sitzungen kennt und die von den Veranstaltern durch bessere Noise-Cancelling-Kopfhörer vermieden werden könnte.

Ein Fernseher in der Lobby zeigt, wie die VR-Version von "Farcry" für die Spielerinnen und Spieler aussieht.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Das alles tut dem Spielspaß aber nur geringfügig einen Abbruch. Tatsächlich ist es so, dass man in der halben Stunde gut in das Geschehen eintaucht, den Alltag vergisst und viel Spaß hat. Und man sieht, wie sich diverse Gruppendynamiken entwickeln: So haben mich die Untoten laut den abschließend verfügbaren Spielstatistiken kein einziges Mal erwischt, was aber nur daran lag, dass mir ein guter Freund jedes Mal rasch zu Hilfe eilte, wenn ich wieder mal wie ein panisches Kleinkind zu brüllen anfing.

I'll be back

Insgesamt ist der Schwierigkeitsgrad auf dem einfachstmöglichen Niveau gehalten: Man kann nicht verlieren, bei einem Ableben springt man wenige Sekunden später wieder zurück ins Spiel. Das nimmt Hardcore-Spielern in Kombination mit der linearen Story natürlich den Reiz der Wiederspielbarkeit, schafft aber auch eine gewisse Niederschwelligkeit für Einsteigerinnen und Einsteiger.

Zudem ist geplant, dass sich ebendiese Wiederspielbarkeit mit dem Release des "Warhammer 40.000"-Spiels verbessern wird, da dort unterschiedliche Ereignisse auch zu alternativen Enden führen werden. Spätestens dann werde ich wohl wieder in der SCS vorbeischauen. Einen Treuebonus-Stempelpass habe ich dafür vom Team zum Abschluss ohnehin in die Hand gedrückt bekommen. Auf Papier. Ganz oldschool, ohne Sci-Fi-Zeugs. (Stefan Mey, 28.2.2023)