Eine der Ersten, die Elly Schlein zur Wahl gratulierten, war Regierungschefin Giorgia Meloni selbst und fügte etwas maliziös hinzu: "Ich hoffe, dass die Wahl einer jungen Frau an die Spitze der Partei der Linken dabei helfen wird, nach vorne und nicht immer nur rückwärts zu schauen."

Jubel in der Wahlkampfzentrale von Elly Schlein, die zur ersten Frau an der Spitze des linken Partito Democratico gewählt wurde.
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Die Opposition, und insbesondere der Partito Democratico (PD), befindet sich in der Tat in einem erbärmlichen Zustand: Die Partei ist aufgesplittert, zerstritten, gelähmt. Bisher musste sich Meloni mehr vor den Machos in ihrer eigenen Regierung, Silvio Berlusconi und Matteo Salvini, fürchten als vor der Opposition.

Das könnte sich nun ändern. "Die Wahl hat gezeigt, dass es die Linke in Italien noch gibt und dass sie lebendig ist", erklärte Schlein, als ihr Sieg in der Basisbefragung feststand. Die Wahlbeteiligung war überraschend hoch: Landesweit hatten sich über eine Million Parteimitglieder und Sympathisanten und Sympathisantinnen in die Wahllokale begeben.

Schlein, die erst vor wenigen Monaten dem PD wieder beigetreten war, schlug ihren Gegenkandidaten, den altgedienten Parteisoldaten Stefano Bonaccini, mit 54 zu 46 Prozent. Ausschlaggebend für ihren Sieg waren die Stimmen aus den Großstädten Rom, Mailand, Turin, Neapel und Palermo. "Das Resultat ist ein klares Mandat, die Partei von Grund auf neu auszurichten", erklärte die neue Parteichefin.

"Meloni-Effekt"

Schlein fordert einen ökologischen Umbau, Gleichstellung, Mindestlohn, Vermögenssteuer und Solidarität mit Migranten. Sie ist feministisch, offen bisexuell und spricht vor allem ein progressives, urbanes Publikum an. Gleichzeitig dürfte sie ihren Sieg auch einem "Meloni-Effekt" verdanken: Nachdem die Rechte in Italien im Herbst 2022 erstmals eine Frau an die Spitze der Regierung gebracht hatte, wollte die PD-Basis die Führung der Partei ebenfalls einer Frau anvertrauen. Und der weit rechts stehenden Ministerpräsidentin wollten die linken Wählerinnen und Wähler eine weit links Politisierende entgegenstellen: eine "Anti-Meloni". Der PD wird unter Schlein im Vergleich zu ihrem Vorgänger, Ex-Premier Enrico Letta, einen spürbaren Linksruck vollziehen.

Neben der Neupositionierung der Partei wird Schleins wichtigste Aufgabe darin bestehen, die Opposition zu einen und moralisch aufzurichten. Zu diesem Zweck hat sie schon vor ihrer Wahl Signale der Entspannung in Richtung der Fünf-Sterne-Protestbewegung ausgesendet.

Vor der Wahl im Herbst war es zwischen dem PD und den "Grillini" zum Bruch gekommen, was den Wahlsieg Melonis und ihrer Rechtskoalition überhaupt erst möglich gemacht hatte. Ob eine Annäherung mit dem populistischen Fünf-Sterne-Chef, Ex-Premier Giuseppe Conte, möglich ist, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Aber ohne Kooperation der beiden stärksten Oppositionsparteien stehen gegen die starke Meloni alle auf verlorenem Posten.

Weit links und weit rechts

Ob mit oder ohne Conte: Mit Schlein wird nun eine 37-jährige Oppositionsführerin eine 46-jährige Regierungschefin herausfordern – eine Konstellation, die in der bis vor kurzem von älteren Herren dominierten italienischen Politik kaum jemand für möglich gehalten hätte. Frau gegen Frau, weit links gegen weit rechts.

Meloni hatte sich im Wahlkampf mit diesen Worten zur Wahl empfohlen: "Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin christlich." Schlein konterte: "Ich bin eine Frau, ich liebe eine Frau, ich bin nicht Mutter, aber deswegen bin ich nicht weniger Frau." Schlein gegen Meloni: ein interessantes Duell. (Dominik Straub aus Rom, 27.2.2023)