Schnitzel kommt in Teresa Präauers neuem Roman nicht auf den Tisch. Sondern Ziegenfrischkäse auf Salat, runtergespült wird er mit elsässischem Crémant.

Foto: Martin Stoebich

Es kommt die Zeit im Leben, da hat man den Fraß satt. Dann, vielleicht in den 20ern, beginnt man zu gustieren: Artischocken im Urlaub, Austern mit Freunden. "Du hattest dich an nichts gewöhnt in deinem Leben und warst hungrig auf jeden neuen Geschmack", heißt es bezüglich dieses Lebenshungers in Teresa Präauers (44) neuem Roman Kochen im falschen Jahrhundert. Dann kommen die feinen, mehrgängigen, selbstgekochten Abendessen im Freundeskreis oder Pärchenkontext. So eine Essenseinladung richtet die im Buch namenlose Gastgeberin bei sich aus. Teil nehmen ihr Partner, ein Ehepaar und ein Professor, ein gebürtiger Schweizer, mit denen sie seit dem Studium befreundet ist. Alle müssen sich mit bloßen Funktionsbezeichnungen bescheiden.

Mit feinem bis bissigem Witz geht Präauer in Kochen im falschen Jahrhundert erst einmal die Stationen eines solchen Abends durch: ein paar, aber nicht zu viele Minuten Höflichkeitsverspätung, Straßenschuhe auf dem Parkett, Wein als Gastgeschenk, Jazz im Hintergrund.

Zum Fetisch wird der elsässische Crémant, und damit ist man in der sozialen Distinktionsmaschine. Präauer skizziert Bildungsbürger-Bobos. "Die Gastgeberin interessierte sich für alles, womit sich kein Geld verdienen ließ", heißt es an einer Stelle, Designermöbel und Geschirrtücher werden mit Attributen wie "dänisch" versehen, selbst sommers urlaubt man in Skandinavien.

Spezialistin fürs Kuriose

Die gebürtige Oberösterreicherin ist eine Spezialistin für Eskalationen und das Absurde. In Oh Schimmi (2016) macht sich ein junger sexhungriger Mann im Balzen um eine Frau zum Affen, der Band Das Glück ist eine Bohne (2021) versammelt Erzählungen mit Glutkernen wie Britney Spears und Youtube. Präauer erzeugt Sprachwirbel zwischen Popkultur und Worterfindungen, frönt Übertreibung, Kuriosem, Komischem.

Kerzenwachsflecken, Wasserflecken, Muttermilchflecken: Alles gerät auf knapp 200 Seiten zunehmend aus dem Ruder, und plötzlich platzt die Polizei in eine Orgie. Ein Abendessen sei auch eine Übung in Gelassenheit, sagt die Gastgeberin sich vor. Und: "Ein Boden müsse schließlich vom Kommen und Gehen erzählen." Ein teurer Tisch auch. Man verfolgt das amüsiert; die erzählte Handlung erstreckt sich bis nach Mitternacht.

Im voriges Jahr erschienenen Mädchen beschäftigte sich Präauer auf 78 Seiten mit Phänomenen des Heranwachsens. Kochen im falschen Jahrhundert erscheint dazu wie eine Fortsetzung. Eine Skizze heute Anfang-40-Jähriger in einem wohlständigen urbanen Milieu. Ein eingestreutes "Wir fliegen ja nicht mehr" hier, die Erwähnung von Klimaklebern oder feministischen Pornos dort, ein Posting des Abends als bezahlte Promotion auf Instagram künden vom aktuellen Weltzustand.

Ziegenfrischkäsefleck

Präauers Figuren sind auf dem Laufenden. Neue Beziehungsmodelle? Lesen sich in den Feuilletons so schön wie die Interviews zu angesagten Kochbüchern. Aber kann der Alltag mithalten? Man versucht es immerhin: "Es war zu erwarten, dass er patzte. Und es war nicht ihre Aufgabe, sich darum zu kümmern." Die Gastgeberin wird dem Partner nicht den Ziegenfrischkäsefleck vom Hemd wischen.

Das wäre eine, zwei Generationen vorher nicht gegangen. Immer wieder gleicht die Gastgeberin ihre Situation mit der ihrer Großmutter und Mutter ab. Welches Geschirr, welche Schürzen hatten sie? Dass sie keine Familientraditionen weiterführt, bedrückt sie sekundenlang ebenso wie die Frage, ob sie die ihr offenstehenden Möglichkeiten zu wenig nutze. Dann wünscht man sich von Präauer hie und da weniger Möbel und mehr Bohren in diesen Tiefen. Hält man sich aber vor Augen, dass man bloß Mäuschen einer Tischrunde ist, geht das runter wie Crémant. (Michael Wurmitzer, 28.2.2023)