Mit dem Lied "Stargazing" wurde Oskar Haag bekannt. Seine melancholisch-raunzige Musik und sein verspielter Look scheinen einen Nerv der Zeit zu treffen.
Foto: Michelle Rassnitzer

Plötzlich saß dieser Jugendliche mit Vintage-Hemd, Nagellack und Gitarre vor dem Altar der Wiener Karlskirche – und begeisterte mit seinem Song Stargazing das Publikum. Der Auftritt beim Wiener Popfest 2021 machte den damals 15-jährigen Oskar Haag in der heimischen Musikszene schlagartig bekannt. Mit verträumter Melancholie singt er von Liebe, Schmerz und Hoffnung. Und er stellt Fragen, die Jugendliche halt so beschäftigen, wie er sagt – nur überdramatisiert.

Der 2005 in Klagenfurt Geborene veröffentlichte seitdem Singles wie Black Dress oder The Summer We Need, die es an die Spitze der FM4-Charts schafften und zu kleinen Pophymnen avancierten. Letztes Jahr ging er als Support-Act von Sängerin Avec auf Tour, die Kritik streut ihm Rosen und sieht in ihm die "Pop-Hoffnung Österreichs". Am Freitag erscheint nun sein Debütalbum Teenage Lullabies, die Tournee startet im Wiener Rabenhof-Theater.

Ein eigenes Studio hat Haag noch nicht, dafür ein Arbeitszimmer samt Gästecouch in seiner neuen WG in Wien. Erst Ende letzten Jahres ist der 17-Jährige mit seiner Freundin von Klagenfurt in die Hauptstadt gezogen. Die Schule hat er dafür in der siebenten Klasse abgebrochen. Es habe keinen Sinn mehr gemacht, sagt Haag nüchtern. Seine Karriere stehe nun im Vordergrund. "Ich wollte diese Chance nicht verpassen und in 20 Jahren draufkommen, dass ich die falsche Entscheidung getroffen habe und mich statt auf die Musik auf die Schule konzentriert habe."

Väterlicher Berater

An den Wänden seines Arbeitszimmers, das mit Keyboard und Gitarren dann doch an ein Musikstudio erinnert, Plakate von den Beatles – seinen "Göttern", wie Haag sagt – und eine Tabelle der FM4-Charts: Sein Name rangiert auf Platz eins vor Bilderbuch und Kendrick Lamar. Ein Geschenk seines stolzen Vaters Oliver Welter, selbst Musiker und Gründer der Band Naked Lunch.

Oskar Haag macht kein Hehl daraus, dass sein Vater in alle Entscheidungen involviert ist und Mitspracherecht hat. Dass er neben seinem Talent großes Glück habe, ist sich der Musiker bewusst. Ohne die Kontakte seines in der Szene vernetzten Vaters – immerhin war es dessen Freund Fritz Ostermayer, der Stargazing erstmals im Radio spielte – hätte er es wohl noch nicht so weit beziehungsweise so professionell geschafft.

Nach dem besagten Auftritt am Popfest wurde Haag nicht nur in der Schule und später beim Zahnarzt erkannt, sondern es kamen auch Produzenten und Booker auf ihn zu, wollten ihn fördern und unter Vertrag nehmen. Weise beraten, verzichtete Haag und gründete indes das eigene Musiklabel Lullaby Records mit Vertrieb von Sony Music.

Oskar Haag

Erfolg und Wurschtigkeit

Die Vermarktung des Teenagers scheint zu funktionieren. Seine raunzigen, samtweichen, hoffnungsvollen und zugleich tragischen Lieder treffen einen juvenilen Nerv der Zeit. Zeitgenössische Vorbilder wie die Bands Beirut oder Arcade Fire kann man in neuen Songs wie In Your Eyes oder Don’t Just Exist, Live durchaus heraushören. Die oft hauchende Stimme des Singer-Songwriters wiegt – wie es der Albumtitel verspricht – in den Schlaf: ein tiefes, sommerliches Nickerchen im Schatten.

Die Bezeichnung seines Stils als "melancholische Wurschtigkeit" gefällt Haag. Diese zurückgelehnte, weltfremde Attitüde mache vieles einfacher, sagt er. Viele Gedanken verschwende er daran aber nicht, das passiere einfach so. Und man glaubt ihm. Auch als er begeistert von einer ehemaligen Schulkollegin erzählt, die von zu Hause abhaute und seitdem durch die Welt reist. Diese Geschichte inspirierte Haag zu dem Song Leaving For Monaco Or Whereever The Fuck We Want To Go, in dem er von einem besseren Ort träumt und der das neue Album eröffnet.

Das Auftreten Haags wirkt ungezwungen und passt ideal in einen erfrischenden Pop-Zeitgeist, der sich nicht um Geschlechtergrenzen kümmert. Für seine Konzerte und Videos streift sich der Teenager gerne Kleider und Röcke über, trägt Glitzer-Lidschatten und Lipgloss auf. In seinen Musikvideos schaut er mit großen Unschuldsaugen in die Kamera, auf Fotos ist sein Mund immer leicht geöffnet. Ein ästhetisches Spiel, das bei Haag nicht aufgesetzt wirkt.

Oskar Haag

Die Magie des Stylings

Inspiration holt er sich von Superstars wie Harry Styles oder David Bowie. Zwar stylt sich Haag auch im Alltag auffälliger und teilt seine Garderobe mit seiner Freundin. "Outfits und Make-up lebe ich auf der Bühne aber stärker aus, da kreiere ich eine Persona", sagt Haag. "Das hat für mich – und hoffentlich auch für das Publikum – ein bisschen etwas Magischeres als ein schwarzes T-Shirt."

Auch als Schauspieler sammelte er bereits Erfahrungen. Seit vergangenem Dezember steht er in der Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt auf der Bühne des Wiener Burgtheaters. Dort trat er musikalisch sowie in einer kleinen Sprechrolle auf und trug ein lila Rüschenkleid. "Das Kleid hat mir irre gut gefallen. Am liebsten hätte ich es mit nach Hause genommen", gibt der Jugendliche zu, dem ab und zu ein sympathischer Kärntner Sing-Sang herausrutscht.

Dass Haag keinen dezidierten Wunsch für die Zukunft hat, kauft man ihm nicht wirklich ab. Die durchaus selbstbewusste Aussage hingegen schon: "Egal, was kommt, es wird höchstwahrscheinlich sehr cool werden." (Katharina Rustler, 28.2.2023)