Die sechsjährige Alisa erlitt bei einem Hubschrauberabsturz nahe Kiew schwere Verbrennungen. Ein Drittel ihres Körper wurde versehrt – nun kann sie manchmal schon wieder lachen.

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Das Leben der fünfjährigen Anna und ihrer Familie geriet am 18. Jänner um halb neun Uhr früh aus den Fugen. Zu diesem Zeitpunkt kam das kleine Mädchen mit ihrem Vater im Ort Browary bei Kiew beim Kindergarten an. Da krachten nur zehn Meter neben ihnen die Überreste eines abgestürzten Hubschraubers zu Boden.

Die Trümmer fingen Feuer. 14 Menschen, darunter sechs Kinder, starben. Anna und ihr Vater erlitten schwere Verbrennungen. Unter den Toten war der damalige ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj, der mit anderen im Helikopter gesessen war. Ob das Fluggerät durch eine Kriegshandlung oder einen Unfall zu Boden ging, ist unklar.

Brandwunden am ganzen Körper

Fünfeinhalb Wochen später steht Anna am Fenster eines Krankenzimmers im Wiener AKH und spielt mit dem Verschluss einer kleinen Tasche mit Leopardenmuster, in der sich das Handy befindet, mit dem ihre Mutter regelmäßig in der Ukraine anruft. Die Brandwunden an ihren Händen sind nicht zu übersehen, jene am Körper und im Gesicht durch Verbände geschützt. "Die Wunden im Gesicht sind noch gar nicht verheilt", sagt Katerina, ihre Mutter – und ringt mit den Tränen.

Zwei Wochen lag ihre Fünfjährige auf der Intensivstation der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde im AKH, nachdem sie und der Vater in Spezialflugzeugen aus der Ukraine nach Wien gebracht worden waren; Brandverletzungen auf einem Drittel des Körpers, wie die beiden sie erlitten haben, sind lebensgefährlich.

Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer und der Botschafter der Ukraine, Wassyl Chymynez, machten der fünfjährigen Anna und ihrer Mutter (von links) im AKH die Aufwartung.
Foto: Christian Fischer

Vater immer noch auf der Intensivstation

Nun geht es dem Kind besser als dem Vater, der sich immer noch auf der Intensivstation befindet. Zuletzt wurde er aus dem LKH Graz ins AKH Wien transportiert, um nahe bei seiner Familie zu sein. Katerina kann all das Unglück noch nicht fassen. "Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll", sagt die junge Frau leise auf Englisch. Mit ihrem 16-jährigen Sohn, der bei Verwandten in der Ukraine ist, telefoniert sie oft. So wie sie ist auch er unverletzt.

Eines sei sicher: "Kinder und Eltern in einer solchen Situation sind gleichermaßen traumatisiert", sagt Christine Radtke, Leiterin der Universitätsklinik für Plastische Chirurgie am AKH. Daher sei Antitraumabehandlung für die Psyche hier ebenso angesagt wie Physio-, Ergo- und Kompressionstherapie gegen die Brandverletzungen.

EU-Medevac-Programm

Radtke ist Teil des multiprofessionellen Teams, das sich um Annas Familie kümmert – sowie um jene der sechsjährigen Alisa, die wenige Zimmer weiter liegt. Auch Alisa und ihre Mutter waren am 18. Jänner auf dem Weg zum Kindergarten von Browary, als der Helikopter vom Himmel fiel.

Dass die zwei Familien in Wien eine hochspezialisierte Behandlung bekommen, verdanken sie dem EU-weiten Medevac-Programm. In dessen Rahmen sollen 100 verletzte Zivilpersonen aus der Ukraine nach Österreich gebracht werden, um hier therapiert zu werden.

Ein wenig daheim in der Fremde: die ukrainischen Landesfarben hängen am Pfosten des Spitalsbetts eines der beiden Mädchen.
Foto: Christian Fischer

Bisher rund 50 Menschen nach Österreich gebracht

Bundeskanzler Karl Nehammer habe die Beteiligung Österreichs an der Aktion bereits anlässlich seines ersten Ukraine-Besuchs nach dem russischen Überfall im April 2022 vereinbart, sagte Andreas Achrainer, Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, im Wiener AKH.. Bis dato seien 28 Menschen übernommen worden, "plus etwa 20 Begleitpersonen", erläuterte er.

Achrainer und der ukrainische Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, machten den ukrainischen Familien im AKH am Montag ihre Aufwartung. "Die russischen Angriffe auf die Ukraine gehen weiter", betonte Chymynez – mit vielen weiteren Toten und Verletzten, die der Hilfe bedürften. (Irene Brickner, 27.2.2023)