Angesichts hoher Staatsausgaben wird in Österreich wieder einmal über Vermögenssteuern diskutiert. In Spanien gibt es mittlerweile eine (nicht unumstrittene) temporäre "Reichensteuer", um Maßnahmen zur Krisenbekämpfung zu finanzieren.

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Einmal mehr lässt die Gewerkschaft GPA mit der Forderung nach einer Millionärssteuer aufhorchen. Damit ist sie bei weitem nicht allein. Auch SPÖ und Arbeiterkammer, die Grünen, das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und Private um Millionenerbin Marlene Engelhorn brachten das Thema immer wieder auf den Tisch.

Das Besondere am vorgeschlagenen Modell der Gewerkschaft: Es geht lediglich um Privatvermögen natürlicher Personen; Betriebsvermögen wird nicht angerührt. Betroffen sind damit Wertpapiere genauso wie Guthaben auf dem Konto und dem Sparbuch, Grundstücke und Immobilien oder der Privat-Pkws. Als steuermindernd gelten dafür Schulden.

Der Steuersatz soll progressiv verlaufen. Das bedeutet: Unterhalb der Freigrenze von einer Million Euro wird keine Steuer fällig. Wer ein privates Nettovermögen von ein bis zwei Millionen Euro besitzt, zahlt 0,5 Prozent. Zwischen zwei und drei Millionen Euro wird ein Prozent fällig. Alles darüber würde mit 1,5 Prozent besteuert. Die Reaktionen folgten postwendend. Von mehr Fairness ist die Rede, aber auch von einer Gefahr für den Mittelstand.

Die sogenannte Millionärssteuer treffe nicht nur reiche Menschen, wie man sie aus Filmen kennt, argumentieren Kritiker. Sie sehen den Mittelstand bedroht.
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FÜR:

Vermögenssteuern sind in Österreich ein heikles Thema – zuletzt zeigten sich aber immer mehr Parteien, Interessenvertreter und Privatpersonen zumindest interessiert. Auf Arbeitgeberseite dominiert hingegen vor allem die Sorge vor einer Abwanderung von Vermögen. Der neue Vorschlag der GPA scheint das berücksichtigt zu haben, besteuert werden soll lediglich privates Nettovermögen. Betriebsvermögen sind damit ausgeklammert. Besteuert werden sollen natürliche Personen mit ihren privaten Vermögenswerten.

Immobilien, Wertpapiere, Guthaben auf dem Sparbuch, das private Auto – vieles zählt dazu, einiges kann herausgerechnet werden. So auch Schulden und Verbindlichkeiten. Besteuert werden soll nur der Betrag oberhalb der Freigrenze von einer Million Euro. Die steuerliche Belastung pro Individuum wäre damit stark begrenzt, bei einem Nettovermögen von 1,5 Millionen Euro würden lediglich 2500 Euro an zusätzlichen Steuern anfallen.

Insgesamt summierten sich die Beträge dennoch, Berechnungen der Johannes-Kepler-Universität in Linz beliefen sie sich auf rund fünf Milliarden Euro jährlich. Geld, das der Staat dringend benötigt. Schließlich verschlingen die multiplen Krisen der jüngsten Vergangenheit gewaltige Summen – von 2021 auf 2022 stiegen die Ausgaben der Regierung durch Antiteuerungsmaßnahmen, Unternehmenshilfen und Co um zwölf Milliarden Euro.

Auch in der Bevölkerung stößt der Vorschlag einer Vermögenssteuer keinesfalls auf taube Ohren. Laut einer aktuellen Studie des Sozialforschungsinstituts Ifes sind mehr als zwei Drittel dafür. Laut dem Sozialbarometer der Volkshilfe vom vergangenen Jahr waren sogar acht von zehn Personen in Österreich für eine Besteuerung der Vermögenden im Land.

Erstaunlicherweise sind selbst Wähler und Wählerinnen der eher vermögenssteuerkritischen Parteien wie ÖVP und Neos einer Millionärssteuer nicht abgeneigt, wie die aktuellen Umfrageergebnisse im Auftrag der GPA zeigen.

Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, die Ungleichheit in der Bevölkerung damit stetig zunimmt. Zur Einordnung: Das reichste ein Prozent Österreichs hält rund 40 Prozent des Vermögens, aktuelle Krisen dürften das Problem weiter verschärft haben.

Angesichts der demografischen Herausforderungen fehlt Geld an allen Ecken und Enden. Die geschätzten fünf Milliarden Euro an Zusatzeinnahmen würden dem Budget wohl guttun. (Nicolas Dworak, 28.2.2023)

WIDER:

Die ÖVP hat Vorschläge in Richtung einer Millionärssteuer bisher immer im Keim erstickt – auch jene des grünen Koalitionspartners. Die Vermögenssteuer sei in den 1990er-Jahren aus gutem Grund abgeschafft worden, argumentierte etwa ÖVP-Klubchef August Wöginger Ende vorigen Jahres. Sie bringe lediglich hohen Aufwand, aber kaum Ertrag. Die Vermögenssteuer alt brachte umgerechnet rund 600 Millionen Euro jährlich, mit dem heutigen Modell der GPA ist sie allerdings kaum vergleichbar.

Der Steuersatz lag zwar mit einem Prozent ähnlich hoch, die Freigrenze war mit rund 11.000 Euro aber verschwindend gering. Dadurch glich die Vermögenssteuer einer Massensteuer – eine Sorge, die bei Kritikern immer noch tief verankert ist. Auch die Industriellenvereinigung warnt davor, mit der Steuer den Mittelstand zu treffen.

Schwierig könnte sich zudem die rechtliche und technische Umsetzung gestalten. Experten weisen immer wieder darauf hin, dass Vermögenssteuern eigentlich aus "hypothetischen Erträgen" bezahlbar sein müssten. Ansonsten handle es sich um grundrechtswidrige Enteignungen.

Zudem stellt sich die Frage, was alles erfasst werden soll. Bei Wertpapieren, Bausparverträgen und den Guthaben auf dem Konto ist das eine vergleichsweise einfache Übung. Wie aber wird der Wert von Immobilien oder Autos erfasst? Und was ist mit Vermögenswerten rund um Kunstwerke oder Schmuckstücke? Auch der Besitz von Bargeld ist wohl nur schwierig zu überwachen. Viele Vermögenswerte könnten so am Finanzamt vorbeigeschummelt werden.

Insgesamt ist vieles noch ungewiss, der Vorschlag bis dato noch zu vage. Vermögensbestandsaufnahmen sind in Österreich kaum vorhanden, Daten liefert nur der Household Finance and Consumption Survey (HFCS) der Oesterreichischen Nationalbank – und selbst der stößt an seine Grenzen, da bekanntermaßen die Spitze der Vermögensverteilung nicht erfasst wird.

Letzten Endes hat Österreich mit über 40 Prozent der Wirtschaftsleistung eine ohnehin hohe Abgabenquote. Eine zusätzliche Steuer obendrauf kann nur infrage kommen, wenn woanders – etwa beim Faktor Arbeit – gezielt eingespart wird.

Das aber ist im Vorschlag der Gewerkschaft nicht vorgesehen. Industriellenvereinigung und ÖVP sehen den Ruf nach noch mehr Abgaben daher fehl am Platz. Bevor über Vermögenssteuern diskutiert werde, sollte zuerst über Entlastungen nachgedacht werden. (Nicolas Dworak, 28.2.2023)