Was tun mit einem luxuriösen Einkaufszentrum, dem die Kundschaft fehlt? Das Jahr 2017 hatte gerade erst begonnen, als sich das hochpreisige Einrichtungshaus Stilwerk aus dem Design Tower am Wiener Donaukanal zurückzog. Bekannt ist die Nobelimmobilie vor allem für die von weitem sichtbare bunt schimmernde Decke des Hotels Sofitel im obersten Stock.

Subsumiert unter den Schlagwörtern Innovation und Start-up, öffnete im Herbst 2017 etwas Neues: Wexelerate. Ein Ort, ein Zentrum, ein Hub, an dem Start-ups mit Konzernen zusammentreffen sollen, um voneinander zu lernen, um von der anderen Welt zu profitieren. In sogenannten Batches durften Start-ups aus ganz Europa jeweils für 100 Tage kostenfrei einen der zahlreichen Büroräume nutzen, die etablierten Unternehmen – im Wexelerate-Sprech genannt Corporates – zahlen Miete.

Auf 9000 Quadratmetern sind aktuell 38 Unternehmen einquartiert. Willkommen ist bei Wexelerate nur, wer sein Geschäftsmodell weiterentwickeln möchte.
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Start-ups kaum da

So lautete die Idee, einzig die Sache mit den Start-ups ging nicht auf. "Sie waren kaum anwesend", sagt Wexelerate-Geschäftsführer Awi Lifshitz im STANDARD-Gespräch. "Auch wenn die Unternehmen jung waren, sie hatten bereits Büros, Familien, ein Leben in ihren Heimatländern von Portugal bis Estland. Warum sollten die für knapp vier Monate nach Wien kommen?" Sie seien lediglich am Anfang und am Ende zu vereinbarten Meetings da gewesen, man habe sich verschätzt, erzählt Lifshitz. "Auch die Interaktion hat wenig bis gar nicht geklappt." Dazu kamen turbulente Anfangszeiten mit aufsehenerregenden Schlagzeilen und mehreren Führungswechseln in kurzer Zeit (siehe Infobox).

Nach sechs Batches hat es Wexelerate dabei belassen und 2020 das Geschäftsmodell neu ausgerichtet. Im Fokus stehen nun nur noch die Corporates. "Wir sind ein Innovationsökosystem, kein Co-Working-Space und kein Accelerator wie anfangs gedacht", sagt Lifshitz. Auf die Bezeichnung legt er viel Wert, die Grundidee ist aber nach wie vor eine ähnliche. Es geht um gezielte Vernetzung und darum, dass Unternehmen sich nicht immer nur im eigenen Umfeld bewegen, sondern täglich mit Leuten aus anderen Branchen zusammenkommen.

Auf 9.000 Quadratmetern sind aktuell 38 Unternehmen eingemietet, darunter etwa Uniqa, Wüstenrot und Palfinger, aber auch jüngere wie Schüttflix oder Toolsense.

Nach turbulenten Anfangszeiten hat 2019 Awi Lifshitz die Leitung des Innovationszentrums Wexelerate übernommen.
Foto: Stefan Joham

Gut für Kreativität

Start-ups haben in der Anfangsphase meist zu wenig Geld für eigene Büros, geteilte Räumlichkeiten liegen in dem Fall nahe. Aber bringt es für Konzerne auch etwas? Ja, meint Innovationsökonom Jürgen Janger vom Wifo: "Persönlicher Kontakt ist für Kreativität sehr wichtig. Corona hat gezeigt, dass Menschen im Homeoffice zwar produktiv sind, der kreative Prozesse geht aber verloren, der informelle Austausch lässt sich digital nicht ersetzen." Das sei unabhängig von der Unternehmensgröße.

Corona ging freilich auch an Wexelerate nicht spurlos vorbei. Vor der Pandemie gingen laut Lifshitz täglich rund 750 Menschen im Design Tower aus und ein, heute seien es 200 bis 300. Nicht für jedes Unternehmen öffnet Wexelerate seine Pforten. Es gibt keine offizielle Regel, aber ein Büro wird eigenen Angaben zufolge nur an "innovationsgetriebene Unternehmen" vermietet.

Wer darf nicht rein? Als Beispiel nennt Lifshitz Anwaltskanzleien und Steuerberater. "Wer sich mit einer Plattform oder Ähnlichem technisch weiterentwickeln will, ist herzlich willkommen. Ein Bürohaus für herkömmlichen Betrieb wollen wir aber nicht sein." Wer trotzdem Teil des Kosmos sein möchte, kann eine Membership beantragen. Members werden zu Eventreihen eingeladen und mit für sie passenden Experten oder anderen Firmen zusammengeführt. Memberships gelten für ein Jahr, die Kosten bewegen sich im vierstelligen Bereich.

Stabiles Geschäft

Das Hauptgeschäft ist aber die Vermietung und Vermittlung im Design Tower, der der Uniqa gehört. Wexelerate beschäftigt 15 Mitarbeiter und erzielt rund 3,5 Millionen Euro Umsatz. Trotz Pandemie sei das Geschäft stabil geblieben, heißt es, und die Zahlen seien schwarz. Zum Start im Herbst 2017 förderte die Stadt Wien das Projekt mit 277.000 Euro, ansonsten sei alles privat finanziert, regelmäßige Gerüchte über laufende Förderungen ärgern Lifshitz. Er hält knapp 70 Prozent am Unternehmen, Dominik Greiner mit Camouflage Ventures weitere 15. Im Herbst 2019 eröffnete Wexelerate einen zweiten Standort in Dornbirn, hat ihn im Zuge der Pandemie aber ein Jahr darauf wieder zugesperrt. Geografische Expansionspläne gibt es seither keine. (Andreas Danzer, 1.3.2023)