Vor diese Entscheidung stellt DER STANDARD Userinnen und User seit fünf Jahren: Werbung akzeptieren oder PUR-Abo. Das Modell haben viele internationale Medien übernommen.

Foto: DER STANDARD

PUR bei der "Frankfurter Allgemeinen".

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Werbefrei-Abo beim "Spiegel".

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Pur-Abo bei "Zeit Online".

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Pur-Abo bei der "Krone".

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Wien – DER STANDARD war mit einem digitalen Abomodell Vorbild für eine Vielzahl internationaler Medien wie den "Spiegel", die "Zeit" und die "FAZ": Vor fünf Jahren startete das österreichische Medienhaus das PUR-Abo für Onlinenutzung ohne Werbung und ohne Tracking von Nutzungsdaten. Inzwischen gibt es nach Unternehmensangaben mehr als 22.000 PUR-Abos beim STANDARD.

"Bei uns gilt DER STANDARD als Erfinder des PUR-Modells"

"Bei uns gilt DER STANDARD als Erfinder des PUR-Modells", sagt "Zeit Online"-Geschäftsführer Enrique Tarragona. Er wurde durch den STANDARD auf das Modell aufmerksam – und später durch einen Hinweis der Hamburger Datenschutzbehörde auf die Lösung des Wiener STANDARD und des "Spiegel". Tarragona: "Wir hätten das selbst gern erfunden."

"DER STANDARD war eines der ersten Medien, die das realisiert haben", sagt Christoph Zimmer, der den Produktbereich beim "Spiegel" leitet. Nach seinem Kenntnisstand habe DER STANDARD das Modell "wesentlich miterfunden", wenn auch "nicht im luftleeren Raum: Das Thema hat viele beschäftigt, in verschiedenen Ländern."

"Pionierprodukt"

"Mit PUR haben wir ein Pionierprodukt geschaffen, das viele internationale Nachahmer fand", sagt Dominik Ebner, Leitung B2C-Aboverkauf beim STANDARD: "Das Produkt hat in der internationalen Medienbranche den Bekanntheitsgrad und die Reputation des STANDARD als innovativer Player massiv gesteigert."

Mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) brauchen Webseiten die Zustimmung der Userinnen und User, um personalisierte Werbung auszuspielen. "Die Idee, Userinnen und User vor die klare Wahl zu stellen, entweder personalisierte Werbung zu akzeptieren oder alternativ direkt für die (dann werbefreien) Inhalte zu bezahlen, hat uns extrem gut gefallen", sagt Tarragona von der "Zeit".

Vor der DSGVO

Entwickelt wurde das PUR-Abo beim STANDARD schon vor der DSGVO, erklärt Matthias Stöcher, Leitung Legal, Policy & Projects beim STANDARD: "PUR wurde vor der DSGVO gelauncht. Digitale Medien waren bis zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich durch Werbung finanziert. Unser Ziel war, so wie bei unserem Zeitungsabo auch im digitalen eine direkte Beziehung mit unseren Userinnen und Usern aufzubauen. Dieses Abo unterstreicht, für wen wir unsere journalistische Aufgabe erfüllen – Userinnen und User, Leserinnen und Leser. Es macht uns nebenbei unabhängiger von wirtschaftlichen Entwicklungen, und da wir Daten in erster Linie für die Werbewirtschaft benötigen, war der Schritt vom werbefreien Abo zum werbe- und datenfreien Abo ein kleiner."

Ein eigenes Team arbeitete ab 2016 an neuen digitalen Geschäftsideen und Produkten, berichtet Stöcher: "Wir testeten zuerst 'fair.use' I und II, und vor fünf Jahren entwickelten wir daraus PUR. Seither wurde das PUR-Abo von sehr vielen Verlagen in ganz Europa übernommen, für die unser PUR-Abo Vorbild war, etwa 'Spiegel', 'Zeit', 'Bild', 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' und 'Krone'." Eine vergleichende Untersuchung mehrerer PUR-Angebote von netzpolitik.org bestätigt uns die mit Abstand beste Umsetzung."

Mehr als 22.000 PUR-Abos

Inzwischen hat DER STANDARD mehr als 22.000 PUR-Abonnenten und -Abonnentinnen, erklärt Ebner. Tendenz: "stetig wachsend", und längerfristig gehalten, so Ebner über die "gute" Retention-Rate, also den Prozentsatz der Abonnenten, der nach dem Abo-Abschluss längerfristig sein PUR-Abo behält: "Dies ist ein wichtiger Qualitätsbeweis und sichert die Nachhaltigkeit des Produkts ab."

PUR sei mittlerweile eine "wichtige Säule" der Leserumsätze des STANDARD mit rund 1,5 Millionen Euro im Jahr 2022, sagt Ebner. "Die Klarheit des Produktversprechens ist ein großer Erfolgsfaktor. Ein PUR-Abo ermöglicht ungestörtes Lesen auf derStandard.at. PUR-Abonnentinnen und -Abonnenten erhalten ein werbefreies Nutzungserlebnis auf allen Endgeräten und können dadurch Qualitätsjournalismus auf derStandard.at ohne Ablenkung genießen. Die Seite lädt dadurch auch schneller."

"Journalismus ist nicht kostenlos"

Bei der "Zeit" sind die PUR-Abos laut Tarragona ein Geschäftsmodell, das zwar nicht "strategisch überlebenswichtige", aber doch wesentliche Beträge einspiele. Tarragona spricht von knapp siebenstelligen Einnahmen aus diesem Bereich.

Der "Zeit"-Geschäftsführer: "Werbung ist ein wesentlicher Beitrag, um unseren Journalismus zu finanzieren. Wer mit Werbung als indirekter Form der Finanzierung nicht einverstanden ist, der sollte bereit sein, als Konsument direkt für den Journalismus zu bezahlen. Journalismus ist nicht kostenlos."

Kompensation für Werbevermarktung

Für den "Spiegel" hat das Werbefrei-Abo laut Zimmer "insofern eine wirtschaftliche Relevanz, als wir jenen, die auf Werbung verzichten wollen und die auch in Bezug auf Daten besonders sparsam unterwegs sein wollen, eine Alternative bieten". Das Angebot entspreche einem Kundenbedürfnis und sei daher relevant. Und das PUR-Abo kompensiere, "was wir dann in der Werbevermarktung nicht kommerzialisieren können".

Viele Digitalabonnentinnen und -abonnenten von Spiegel+ buchten ein – in Kombination günstigeres – Werbefrei-Abo zusätzlich. Zimmer spricht von einem "zweistelligen Prozentsatz unserer Abonnentinnen und Abonnenten". Eine "vierstellige Zahl" von Userinnen und Usern habe allein ein Werbefrei-Abo beim "Spiegel". Zimmer: "Es spielt im Produktmix eine wesentliche Rolle, bringt aber natürlich nicht den Großteil des digitalen Umsatzes."

Gespräche mit Datenschutzbehörden

Die Beschwerden der NGO Noyb des österreichischen Datenschützers Max Schrems gegen die PUR-Modelle beschäftigen auch die "Zeit". Sie zielen etwa auf eine differenziertere Auswahl der Nutzungsmöglichkeiten als zahlen oder Werbung akzeptieren. Derzeit laufen Gespräche deutscher Medien mit den Datenschutzbehörden der deutschen Bundesländer, die unterschiedliche Linien verfolgen.

Zimmer sagt grundsätzlich: "Wir sind im Austausch mit den Datenschutzbehörden. Unserer Ansicht nach wird unser Werbefrei-Abo allen datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht. Wir werden grundsätzlich daran festhalten."

"Falsche Schlussfolgerung"

Die Kritik, dass Medien mit der Einwilligung für Werbung nicht so viel verdienen würden, wie sie für PUR-Abos verlangen, weist "Zeit Online"-Geschäftsführer Tarragona zurück: "Das ist eine falsche Schlussfolgerung. Das jeweilige Geschäftsmodell bedingt den jeweiligen Preis. Würde die Werbung komplett wegfallen, müssten wir mit sehr viel weniger zahlenden Nutzern die gleichen Erlöse erzielen wie mit den sehr vielen Nutzern, die wir aktuell mit Werbung adressieren können."

Medien hätten nun einmal grundsätzlich zwei große Erlösströme – Vertriebseinnahmen, insbesondere Abos, und Werbung, erklärt Zimmer vom "Spiegel". "Kostenloser Zugang und werbefrei" sei für Medienunternehmen, die journalistische Angebote finanzieren müssen, keine wirtschaftlich tragfähige Möglichkeit. Alle datenschutzrechtlichen Vorgaben, die in die Richtung gehen, "würden einen Standortnachteil bedeuten".

In zwei Verfahren bestätigt

STANDARD-Manager Stöcher sagt: "Max Schrems von Noyb greift in einem Verfahren vor der Datenschutzbehörde insbesondere den Preis des Produkts an. Dass PUR mit der DSGVO konform geht, hat die Behörde bereits 2018 in zwei Verfahren bestätigt. Mittlerweile haben so gut wie alle europäischen Datenschutzbehörden Empfehlungen für die ideale Umsetzung von PUR veröffentlicht. An die halten wir uns. Es ist für uns daher verwunderlich, dass wir seit über zwei Jahren vor der Datenschutzbehörde mit Noyb über den Preis unseres Produkts diskutieren müssen."

Und Stöcher wundert sich: "PUR verarbeitet neben den technisch absolut notwendigen Daten überhaupt keine Daten. Umso irritierender ist es für uns, dass wir uns mit diesem datenfreien Produkt vor Max Schrems, dem Vertreter einer Datenschutzorganisation, rechtfertigen müssen."

Verbessertes Nutzungserlebnis

Wie geht es weiter? "PUR ist ein wichtiger Baustein des digitalen Abo-Portfolios des STANDARD", sagt Ebner. "Die Erfahrungen, die wir in den letzten fünf Jahren durch die Entwicklung, die Verwaltung und die Vermarktung des Produkts gesammelt haben, bilden gemeinsam mit dem zahlreichen Feedback, das wir regelmäßig von PUR-Abonnentinnen und -Abonnenten erhalten, einen wichtigen Grundstein für die Weiterentwicklung unserer Abo-Produkte."

Die Perspektive laut Ebner: "PUR hat uns gezeigt, dass es möglich ist, als österreichisches Qualitätsmedium mit einem Abo-Produkt zu reüssieren, das grundlegend auf einem verbesserten Nutzungserlebnis unserer digitalen Plattformen aufbaut. In diese Richtung wollen wir uns weiterentwickeln und unseren Abonnentinnen und Abonnenten weitere Features und Funktionalitäten bieten." (red, 2.3.2023)