Ron DeSantis geht gegen "Wokeness" vor – sagt er. Tatsächlich fliegen wegen seiner Gesetze zahlreiche Bücher aus Schulbibliotheken, die sich zum Beispiel mit der Geschichte der Sklaverei in den USA befassen.

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So kann es einem ergehen, wenn man sich mit Floridas Gouverneur Ron DeSantis anlegt: Der Freizeitpark Disney World im US-Bundesstaat Florida hat nach Kritik an einem umstrittenen "Parental Rights in Education"-Gesetz, das den Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität im Kindergarten bis zur dritten Schulstufe verbietet, weitgehende Rechte verloren.

DeSantis unterzeichnete am Montag ein Gesetz, mit dem der Staat die Kontrolle über einen speziellen, unbewohnten Bezirk um Disney World herum übernimmt. Dieser hatte es dem Konzern Walt Disney Co. ein halbes Jahrhundert lang ermöglicht, das rund 100 Quadratkilometer große Gebiet mit einem hohen Maß an Autonomie zu verwalten. So war der Konzern selbst für den Straßenbau zuständig und betrieb ein E-Werk, einige Baugesetze galten nicht. Die neue Regelung soll diese weitreichenden Rechte wieder beschränken. Sie ermächtigt den Gouverneur, fünf Aufsichtsbeamte zu ernennen.

Schutz der Kinder

Von Beobachtenden wird dieser Schritt Floridas als politisch motiviert wahrgenommen, da der Konzern und DeSantis wegen des umstrittenen Unterrichtsgesetzes im Clinch lagen. DeSantis selbst sagte am Montag bei der Unterzeichnung des Gesetzes, der Konzern habe sich gegen etwas gestellt, das dem "Schutz kleiner Kinder" dienen würde.

Nach Unterzeichnung des "Parental Rights in Education"-Gesetzes, von Kritikern auch "Don't Say Gay"-Gesetz genannt, hatte der damalige Disney-Chef Bob Chapek alle politischen Spenden seines Unternehmens in Florida gestoppt. Er kritisierte die Reform öffentlich. Disney World ist der größte Arbeitgeber in Zentralflorida mit 75.000 Angestellten und zählte 36,2 Millionen Besucher im Jahr 2021.

Das Gesetz, das die Lehre über sexuelle Orientierungen in unteren Schulstufen weitgehend de facto untersagt, ist nur ein Teil der umfangreichen Bestrebungen des US-Republikaners, mehr konservativ-politischen Einfluss in gesellschaftspolitischen Fragen durchzusetzen. Er werde sich "niemals der 'woken' Agenda unterwerfen", verkündete DeSantis vergangenen Sommer in einer Wahlkampfrede. "Florida ist der Staat, wo 'woke' sterben wird."

Anti-Woke-Agenda

Dass er es ernst damit meint, die linke Bewegung für soziale Gerechtigkeit und gegen Rassismus zum Erliegen zu bringen, beweisen auch zahlreiche weitere Maßnahmen des Hardliners. Sie treffen bei weitem nicht nur Maßnahmen, die gemeinhin als überschießende Formen angeblicher "Wokeness" gesehen werden. Im Februar machten Berichte über leere Regale in Schulbibliotheken die Runde, weil das Gesetz so weit gefasst ist, dass nicht klar ist, welche Bücher noch darunterfallen – und weil kaum jemand das Risiko eingehen will, wegen einer Straftat angeklagt zu werden. So wurden teils fast alle Bücher entfernt, die sich mit der US-Geschichte zu Sklaverei befassen. Denn diese könnten, so die Befürchtung, in weißen Kindern Schuldgefühle wecken, was potenziell klagbar wäre.

So hat Florida ein Verbot des Schulfachs African American Studies und ein "Stop-Woke-Gesetz" erlassen, das die Vermittlung der Critical Race Theory (CRT) an Schulen untersagt. Das Lehrpersonal muss sich seither verpflichtend Schulungen dazu unterziehen, welches Unterrichtsmaterial verwendet werden darf und welches entfernt werden muss. Wer "schädliches Unterrichtsmaterial" benutze, müsse mit Strafen rechnen. Verständlich, dass Lehrerinnen und Lehrer auf Basis dieser Drohung selbst tendenziell großzügig zensieren. Die Gesetze sind massiv umstritten und beschäftigen die Gerichte.

Gehaltssperre gegen Schulleitungen

Aber auch wer sich gegen bestehende Gesetze ausspricht, muss mit Konsequenzen rechnen. Als das Baseballteam Tampa Bay Rays im Jahr 2022 nach Schulmassakern Reformen beim US-amerikanischen Waffenrecht forderte, sperrte der Gouverneur 35 Millionen Dollar Staatsgelder für deren Trainingsanlage.

Seine ultrakonservative, christlich-nationalistische Klientel bediente DeSantis auch während der Corona-Zeit, als er sich für eine Aufhebung der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an Schulen aussprach und den Schulleitungen mit einer Gehaltssperre drohte, sollten sie auf der Maskenpflicht bestehen.

Mit einer besonders zynischen Aktion ließ der Hardliner, der als potenzieller Präsidentschaftskandidat gehandelt wird, vor den Zwischenwahlen im Herbst aufhorchen. Er lockte im texanischen San Antonio 48 Migranten mit falschen Versprechungen in zwei Charterflugzeuge. Die Maschinen flogen zu der bei wohlhabenden Demokraten beliebten Urlaubsinsel Martha's Vineyard, die auf die Ankunft der Geflüchteten völlig unvorbereitet war. Der Gouverneur stellt das als einen Akt der Gefahrenabwehr dar.

Gefahr für die Demokratie

DeSantis werden nach seinem Erdrutschsieg in Florida gute Chancen im Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur zugestanden. Als "Trump mit Hirn" bezeichnet, gilt der Erzkonservative vor allem als kluger, aber gefährlicher Taktiker. Ruth Ben-Ghiat, renommierte Historikerin an der New York University, warnt regelmäßig offen vor dem Gouverneur: "Ron DeSantis wird unsere Demokratie mit tödlicher Präzision zerstören. Ich kann nicht genug betonen, wie gefährlich er ist." (Manuela Honsig-Erlenburg, 28.2.2023)