Tech-Konzerne sollen Kosten von Telekomkonzernen übernehmen.

Foto: Reuters / Regis Duvignau

In der Masse an Gesetzesvorhaben, die die Europäische Union vorantreibt, gibt es immer wieder fragwürdige Ausreißer. Während manche bloß für Verwunderung sorgen, ist die jüngste Ankündigung der obersten Beamten der EU-Kommission ein Anlass zum Ärgern: Tech-Konzerne wie Google, Netflix und Facebook sollen einen erheblichen Teil der Netzerhaltungskosten europäischer Telekommunikationskonzerne übernehmen, so die Idee der EU-Kommissare Margrethe Vestager und Thierry Breton. Immerhin sind diese für den Großteil allen Datenverkehrs verantwortlich – ohne sich in fairem Ausmaß am Betrieb zu beteiligen.

Was im ersten Moment nach einem fairen Deal klingen mag, ist vor allem ein massiver Erfolg für die Telekomlobby. Industrievertreter machen seit Jahren Stimmung dafür, dass Internetkonzerne ihre Infrastruktur mitfinanzieren sollen – und verschweigen dabei geflissentlich die Tatsache, dass ihr Geschäft bereits durch den Verkauf von Breitbandverträgen an ihre Kundinnen und Kunden finanziert wird.

Gefahr für die Netzneutralität

Dass die EU Ende Februar trotz allem den Start der öffentlichen Konsultation verkündet hat, dürfte für Telekomunternehmen demnach Grund genug sein, sich ins Fäustchen zu lachen. Sollte die Idee Realität werden, könnten sie gleich doppelt abkassieren – einmal bei der breiten Bevölkerung, ein weiteres Mal bei jenen Unternehmen, die diese auch erreichen wollen. Dabei sind es datenhungrige Onlineservices wie Streamingplattformen, die den Verkauf von immer teureren, schnelleren Breitbandverträgen vorantreiben.

Abgesehen davon, dass Netflix und Co die neu entstandenen Kosten an ihre Userinnen weiterreichen dürften, stellt der Vorstoß vor allem eine Gefahr für das freie Internet dar. Die Netzneutralität garantiert seit 2015 allen Menschen einen gleichberechtigten, freien Zugang zum Internet und allen dort angebotenen Diensten. Ein Grundsatz, der durch eine Verpflichtende Abgabe à la Datenmaut gebrochen werden könnte. Denn: Wer garantiert, dass Unternehmen, die die Zahlung verweigern oder einstellen, weiterhin in gleicher Form und Geschwindigkeit erreicht werden können wie bisher?

Selbst die EU-eigene Telekomregulierungsbehörde Berec hat in einer vorläufigen Bewertung festgehalten, keine Beweise dafür gefunden zu haben, "dass ein solcher Mechanismus angesichts der derzeitigen Marktlage gerechtfertigt ist". Viel eher sei es möglich, dass eine so weitreichende Veränderung "dem Ökosystem Internet erheblich schaden könnte".

Fragwürdige Verbissenheit

Einen konkreten Gesetzesentwurf gibt es zwar noch nicht. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation können bis zum 19. Mai noch Stellungnahmen abgegeben werden. Es ist dennoch fragwürdig, dass Breton und Vestager sich bereits seit Monaten und trotz der seit Jahren bekannten Einwände für eine Internetmaut starkmachen. Auch sie dürften mitbekommen haben, dass die Forderung der Feder gut finanzierter Lobbyisten entsprungen ist. Böse Zungen könnten deshalb den Vorwurf erheben, dass das Gesetz bei der Umsetzung eines prominenten Versprechens helfen soll: Bis 2030, so die EU-Kommission, sollen nämlich alle Unionshaushalte mit einem Breitbandanschluss ausgestattet sein. Ein Vorhaben, dessen Umsetzung mit Big-Tech-Milliarden einfacher werden könnte. (Mickey Manakas, 28.2.2023)