Herzlich willkommen heißt Delhi alle Teilnehmenden des G20-Außenminister-Treffens. Eine gemeinsame Linie zur Ukraine wird die Regierung aber nicht erarbeiten.

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Wenn sich am Mittwoch in Delhi die Außenminister der G20-Staaten treffen, bekommt niemand, was er will. Veranstalter Indien möchte eigentlich gerne über die Anliegen des Globalen Südens sprechen: also über die Schulden ärmerer Staaten und die Frage, ob man diese erlassen sollte – und über die Folgen des Klimawandels.

Die Besucherinnen und Besucher aus den reichen westlichen Industriestaaten werden dies zu verhindern wissen. Sie möchten die Ukraine im Fokus der Zusammenkunft halten. Das wird ihnen zwar vielleicht gelingen, aber wohl nicht so, wie sie es wollen. Denn im Kreis der G20 sind sie mit ihrer Sichtweise auf den Konflikt keinesfalls in der Mehrheit.

"Unterschiedliche Ansichten"

Das wurde auch am Wochenende schon deutlich, als sich ebenfalls in Delhi die Finanzminister der 20 weltgrößten Volkswirtschaften getroffen hatte. Wie schon die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen im Herbst in Bali verurteilten sie zwar den Krieg in der Ukraine prinzipiell – allerdings findet sich im Schlussdokument auch wieder die Formulierung, dass sich keine Einigkeit unter den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft feststellen ließ: "Es gab andere Ansichten und unterschiedliche Einschätzungen der Situation und der Sanktionen", heißt es in dem Papier.

Zu unterschiedlich sind die Interessenlagen – auch abseits Russlands, das weiterhin auch innerhalb der G20 vertreten ist und den eigenen illegalen Angriffskrieg natürlich nicht verurteilt. China, das in Delhi erstmals durch den neuen Außenminister Qin Gang vertreten ist, hat erst kürzlich eine "Friedensinitiative" gestartet, deren eher magerer Inhalt sich weitgehend in der Forderung eines baldigen Waffenstillstands und dem Beharren auf der territorialen Unversehrtheit von Staaten erschöpfte, dabei aber nicht klarmachte, wer in der Ukraine wessen Territorium verletzt. Zugleich denkt China laut Medienberichten über die Lieferung von Waffen an Russland nach.

Globale Gleichgültigkeit

Bleibt der große Rest der bevölkerungsreichen Staaten, die in der aktuellen Situation zwar Probleme wegen der Wirtschaftsentwicklung sehen, allerdings – anders als der Westen – keinen elementaren Kampf um Völkerrecht und Demokratie. Südafrika, das jüngst ein Manöver mit China und Russland durchgeführt hat, zählt zu diesen Staaten. Brasilien, Argentinien, Indonesien gehören ihnen ebenfalls an. Und eigentlich auch Gastgeber Indien selbst, das zuletzt immer deutlicher zwar Frieden forderte, Sanktionen aber ablehnte – immerhin müsste man auch selbst schauen, wo man bleibe.

Eine Politik, die durchaus auch die Meinung großer Teile der Bevölkerung wiedergibt, wie eine Umfrage des European Council on Foreign Relations jüngst ergab. Sie zeigte eine deutliche Spaltung in der Einschätzung des Ukrainekrieges unter den Befragten. Während Menschen aus westlichen Staaten etwa großteils angaben, man müsste der Ukraine helfen, die derzeit von Russland widerrechtliche besetzten Gebiete wieder zurückzuerlangen, galt das für Menschen im Globalen Süden nicht. Deutliche Mehrheiten in Indien, der Türkei und China waren der Ansicht, der Konflikt müsse so schnell wie möglich enden, auch dann, wenn das Gebietsverluste für die Ukraine bedeute.

Immerhin, könnte man aus westlicher Sicht sagen: In allen drei Staaten waren von den restlichen Befragten deutlich mehr der Meinung, man müsste der Ukraine helfen – und nicht, wie ebenfalls als Antwort angeboten wurde, "die globale Dominanz des Westen brechen". (mesc, 1.3.2023)