Marcin Oleksy wird geehrt.

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Er ist Pole. Er ist Fußballer, Stürmer, ein Goalgetter. Bis hierher würden alle sofort an Robert Lewandowski denken, den Ex-Bayern-Star, der nun mit dem FC Barcelona dem spanischen Meistertitel entgegenstrebt. Doch ein wesentliches Detail in der Kurzbio des gesuchten Sportlers hat noch gefehlt: Er ist einbeinig. Marcin Oleksy ist einbeinig.

Und dennoch – oder vielleicht ein Stück weit auch deshalb – wurde er bei der Gala des Weltfußballverbands Fifa mit dem Puskás-Preis für das schönste Tor des Jahres 2022 geehrt. Es war der sentimentale Höhepunkt eines Abends, an dem Lionel Messi zum siebenten Mal den Titel Weltfußballer und Alexia Putellas zum zweiten Mal den Titel Weltfußballerin erhalten hatten. Doch der lauteste Applaus gehörte dem 35-jährigen Oleksy. Als sein Tor vom 6. November 2022 eingespielt wurde, jubelten die Herausgeputzten im Salle Pleyel wie Fußballfans auf der Tribüne.

Eine Freude

Es war garantiert das tollste Tor, das die polnische Amputiertenfußballliga PZU Amp Futbol Ekstraklasa (7 vs. 7 auf einem 60 mal 40 Meter großen Feld) je gesehen hat. Oleksy schoss es für Warta Poznań gegen Stal Rzeszów. "Der Pass kam von meinem Teamkollegen Dawid Nowak", erinnert er sich. "Als ich den Ball kommen sah, wusste ich, dass ich ihn als Erster erwischen würde. Getroffen habe ich ihn dann hervorragend. Es war der perfekte Schuss." Oleksy hatte sich, mit dem Rücken zum Tor stehend, in die Höhe geschraubt, sich auf seiner linken Krücke abgestützt und per Seitfallrückzieher ins lange Eck getroffen. "Ich sah zu, wie der Ball ins Tor flog. Ein so schönes Tor wollte ich immer schießen. Es war eine solche Freude."

Der Preis hat die Freude noch versüßt. Das Video von dem Tor war viral gegangen, auch weil es Landsmann Lewandowski in den sozialen Netzwerken verbreitet und dazu aufgerufen hatte, für Oleksy zu stimmen. Und es tat ihr, der Freude, auch keinen Abbruch, dass die Fifa auf ihrer Homepage schrieb, der nun Geehrte habe das "rechte Bein verloren", als er 23 war.

Umgesattelt

Linker Unterschenkel wäre richtig gewesen. Oleksy, der Bauarbeiter war und immer noch ist, war unter eine schwere Maschine geraten, das Bein nicht mehr zu retten. Noch als er im Spital lag, erhielt er von seiner Freundin die frohe Botschaft, dass sie bald zu dritt sein würden, auch daran baute er sich auf. "Als ich eine Sportprothese bekam, gingen der Bub und ich auf den Fußballplatz und fingen an zu spielen." Dabei blieb es nicht. Oleksy, der früher selbst im Tor gespielt hatte, wurde Tormanntrainer im Jugendbereich – und entdeckte den Amputiertenfußball für sich. "Als ich es einmal probiert hatte, wusste ich sofort, dass ich wieder Fußball spielen wollte", sagt Oleksy.

Freilich sattelte er flott von Tormann auf Stürmer um. Mit Polen nahm er im Vorjahr an der Amputiertenfußball-WM teil. Im Achtelfinale gegen Brasilien (1:2) war Endstation. Dass er nun mit seinem wunderbaren Goal just den Brasilianer Richarlison und dessen WM-Prachttor in Katar ausgestochen hat, wollte Marcin Oleksy aber nicht als Revanche verstanden wissen. (Fritz Neumann, 28.2.2023)