Über das Leben der Menschen, die die Steinmonumente (im Bild Stonehenge in England) einst errichtet haben, ist nur wenig bekannt. Ausgrabungen in Frankreich lassen die Erbauer der ersten Megalithanlagen nun aber ein Stück weit aus den Nebeln der Geschichte hervortreten.

Foto: REUTERS/Toby Melville

Auf den Britischen Inseln, in Skandinavien, Frankreich – fast im gesamten Westen Europas bis hinunter nach Südspanien und Nordafrika prägen an etlichen Orten uralte Bauwerke die Landschaft. Dolmen, Steinkreise, Menhire und megalithische Monumente, einige von ihnen über 6.000 Jahre alt, geben der Geschichtswissenschaft noch immer viele Rätsel auf. Manche werden für steinerne Kalender, Grabmäler oder Heiligtümer gehalten, aber bei vielen dieser Strukturen erschließt sich ihre einstige Funktion noch immer nicht so ganz.

Auch ihr Ursprung liegt im Dunkeln, falls es denn überhaupt einen einzigen gegeben hat. Vieles deutet nämlich darauf hin, dass man es in Europa nicht mit einer gemeinsamen "Megalithkultur" zu tun hat, sondern eher mit parallelen Entwicklungen, die zu ähnlichen Ergebnissen geführt haben.

Die Siedlungen nahe Le Peu waren stark befestigt, was auf unruhige Zeiten hindeutet.
Illustr.: Vincent Ard et al.

Die ältesten Steinmonumente

Zweifel an dieser eigentlich etablierten Hypothese kamen zuletzt jedoch auf, als schwedische Forschende die Geburt der Megalith-Idee im Nordwesten Frankreichs verortet haben. Ab Mitte des fünften Jahrtausends vor unserer Zeit breiteten sich von dort die großen steinernen Bauwerke binnen weniger Jahrhunderte in Richtung Süden und Südwesten aus – das zumindest ergaben die Analysen von 2.410 Radiokarbondatierungen aus dem Fundkontext von Steinmonumenten aus ganz Europa.

Während ihre steinernen Denkmäler die Jahrtausende überdauert haben, ist das Alltagsvermächtnis der jungsteinzeitlichen Bevölkerung Europas weitgehend verschwunden. Nur selten gewähren Pfostenlöcher, Knochen und Keramikscherben einen Blick auf das Leben der Menschen, die die großen urzeitlichen Steinmonumente errichtet haben.

Verbarrikadierte Siedlung

Le Peu liegt nahe der französischen Atlantikküste, rund 100 Kilometer nördlich von Bordeaux.
Illustr.: Vincent Ard et al.

Umso kostbarer sind daher jene 6.500 Jahre alten Siedlungsreste, auf die Archäologinnen und Archäologen bei Le Peu an der französischen Atlantikküste gestoßen sind. Dass an diesem Ort in der Gemeinde Charmé einst Menschen lebten, ließen bereits 2011 verdächtige parallele Grabenstrukturen erahnen, die bei Luftaufnahmen zutage traten. Aber erst die Ausgrabungen durch ein Team um Vincent Ard von der französischen Forschungsorganisation CNRS, deren Ergebnisse nun im Fachjournal "Antiquity" vorgestellt wurden, brachten tatsächlich Verteidigungsanlagen und Reste mehrerer Holzgebäude aus der mittleren Jungsteinzeit ans Licht.

Die Bodenscans offenbaren spannende Strukturen: Gräben, Palisaden und Gebäudespuren.
Foto: Vincent Ard et al.

Mindestens drei rund 13 Meter lange und 18 Meter breite Häuser dürften es gewesen sein, die nahe der Kuppe eines flachen Hügels errichtet worden waren. Eine doppelte Holzpalisade umgab den 700 mal 275 Meter großen Geländeabschnitt, an den sich außen ein Doppelgraben anschloss. An einer Stelle entdeckte das Team Hinweise auf zusätzliche Befestigungsanlagen, vermutlich zwei große Bauwerke, die den Eingang der Anlage schützen sollten. Für diese Zeit seien dies bislang einzigartige Strukturen, so die Forschenden.

Häuser mit Plattformen

Die Häuser im Inneren des Walls waren aus dicken Eichenbalken errichtet worden, wie einige Pfostenlöcher verraten. Aus Spuren kleinerer Balken in den Häusern schließen Ard und seine Kolleginnen und Kollegen auf erhöhte Plattformen. "Sie könnten einst als Schlafplätze oder Küchen gedient haben", mutmaßen die Wissenschafter.

Die Ausgrabungen von Le Peu liefern ein klareres Bild davon, wie die Siedlungen der Megalitherbauer einst ausgesehen haben mochten. Offenbar waren Holz und Erde die bevorzugten Baumaterialien, Stein blieb dagegen höheren Zwecken vorbehalten, meinen die Forschenden. Während die Funktion der Häuser im Detail noch unklar bleibt, zeigt ihre Datierung immerhin eines: Sie sind wahrscheinlich die ältesten rechteckigen Gebäude im Westen Frankreichs, die zur gleichen Zeit wie die neolithischen Monumente ganz in der Nähe errichtet wurde.

Anhand der Funde wagten sie die Forschenden auch an eine Rekonstruktion der Häuser. Einige Pfosten weisen auf eine erhöhte Plattform im Inneren der Häuser hin.
Illustr.: Vincent Ard et al.

Unruhige Zeiten und ein feuriges Ende

Der stark befestigte Eingang der Siedlung, das Graben- und Palisadensystem und nicht zuletzt die Lage auf einer von einem Sumpfgebiet umgebenen Landzunge sprechen für unruhige Zeiten. "All das zeigt uns, dass die sozialen Spannungen im Neolithikum wohl zunahmen", meinte Ard.

Letztlich könnten sich die beeindruckenden Verteidigungsanlagen jedoch als unzureichend erwiesen haben: Die Ausgrabungen ergaben, dass alle Gebäude in Le Peu rund um 4400 vor unserer Zeitrechnung niedergebrannt wurden. Ob Unglück oder Kriegswirren, für die Archäologen ist die Zerstörung ein Glücksfall, denn sie trug erheblich dazu bei, dass die Stätte in Resten erhalten geblieben ist. (tberg, 1.3.2023)