Es gibt dieses schöne Foto aus dem Jahr 2018, wo der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz und der russische Präsident Wladimir Putin wohlwollend dabei zusehen, wie der damalige OMV-Chef Rainer Seele mit dem Gazprom-Chef Alexej Miller jenen Vertrag unterzeichnet, der Österreich an die russischen Gaslieferungen kettet.
Jenen Vertrag, den der Kanzler Karl Nehammer nicht kennt und nach eigenem Bekunden auch gar nicht kennen darf und der angeblich so unendlich schwer zu kündigen wäre. Jener Vertrag, der dafür sorgt, dass Österreich wieder 70 Prozent seines Gasbedarfs von Russland bezieht, während Regierungsmitglieder noch bis vor kurzem behaupteten, Österreich habe diese Abhängigkeit so gut wie beseitigt oder zumindest stark abgeschwächt.

Das wird jetzt spannend, ob uns die Regierung von dieser Abhängigkeit befreien kann. Österreich hat immer einen beträchtlichen Teil seines Gases von Russland bezogen. Der Schwenk zu einer vollkommenen Abhängigkeit und zu einer bewussten Ausrichtung der strategischen Politik der OMV wurde aber unter persönlichen und politischen Konstellationen vollzogen, die nicht vollkommen aufgehellt sind. Jetzt improvisiert die österreichische Russland-Politik vor sich hin. Markige Aussagen über das Nichtakzeptieren des Überfalls auf die Ukraine gehen mit verstecktem Aufrechterhalten der Wirtschaftsbeziehungen einher. Ob sich in den Köpfen der österreichischen Spitzenpolitiker(innen) abseits der FPÖ die Erkenntnis über die wahre Natur der Absichten Putins – Umsturz der europäischen Sicherheitsordnung und Ausdehnung des russischen Einflussbereichs über ganz Europa – durchgesetzt hat, ist unklar. Eine FPÖ-dominierte Regierung jedenfalls könnte sehr gut damit leben, Österreich unter den Einfluss einer rechten russischen Autokratie zu begeben.
Fehlende Reformfähigkeit
Übrig ist von alledem nur eine ungute Nähe zu dem russischen Imperialisten Putin und die starke Abhängigkeit vom "Russengas" beziehungsweise die unangenehme Lage, in der etwa Raiffeisen International steckt: große Gewinne in Russland, die aber nicht herauszubringen sind. Und eine massive US-Sanktionsdrohung. Die guten Geschäfte mit und die guten Beziehungen zu Russland waren jahrzehntelang eine Konstante der heimischen Außen- und Wirtschaftspolitik. Das hatte lange seine Berechtigung. Mehr Skepsis über die wahre Natur Putins wäre aber spätestens im Jahr 2014 nach der Annexion der Krim angebracht gewesen.
Gibt es eine neue (Selbst-)Einschätzung der österreichischen Russland-Politik? Oder geht man davon aus, dass nach einer gewissen Zeit eh wieder alles seinen gewohnten Gang geht – mit Putin oder mit eventuellen Nachfolgern? Russland ist eine technologisch eher rückständige Autokratie, die sich selbst in einer gefährlichen Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen befindet. Putin ist nicht untypisch für eine Herrschaftsform, die immer wieder versucht hat, die fehlende Reformfähigkeit im Inneren durch gewaltsame Expansion nach außen zu kompensieren.
Darüber hat man sich in der österreichischen Politik und Wirtschaft lange hinweggeschwindelt. Wird man jetzt den Mut zu einer Neubewertung und zu einem neuen Konzept finden? (Hans Rauscher, 28.2.2023)