Die eigene Figur kann man sich in einem umfangreichen Editor zu Beginn selbst zusammenstellen.

Foto: Koei Tecmo

Beim Wort Soulslike hüpft ein Teil der Spieleschar freudig im Kreis, während der andere fluchtartig den Artikel verlässt. Tatsächlich ist "Wo Long: Fallen Dynasty" ein Spiel in genau dieser knüppelharten Kategorie, wo das Ableben der eigenen Spielfigur zum Erlebnis dazugehört. Aber haltet ein, die, die ihr diese Zeilen nicht mehr lesen wollt, weil ihr euch zu casual oder zu wenig frustresistent dafür fühlt.

Wie schon bei den geistigen Vorgängern, den beiden "Nioh"-Spielen, darf auch in dieser chinesischen Action-Oper gemeinsam mit bis zu zwei Freunden auf Dämonenjagd gegangen werden. Das erhöht zwar das Chaos, lässt den Schwierigkeitsgrad aber deutlich nach unten sacken. "Wo Long" ist damit sowohl für Core-Spieler als auch für vom Alltagsstress geplagte Gamer genau das richtige Spiel, um den Spiele-März Schwerter schwingend zu begrüßen.

Chinesische Drachen aus japanischer Feder

Das japanische Entwickler-Studio Team Ninja wurde vor allem mit Titeln wie "Dead or Alive" oder "Ninja Gaiden" berühmt. Die beiden oftmals mit From-Software-Titeln ("Elden Ring", "Sekiro", "Dark Souls") verglichenen "Nioh"-Spiele waren zwei weitere prägende Bausteine, um das aktuellste Abenteuer des Studios auf diese Weise präsentieren zu können.

Spielerinnen und Spieler sollten deshalb auf alles gefasst sein, wenn sie in das zunächst etwas trist gehaltene China der Han-Dynastie eintauchen wollen. Als namenloser Milizsoldat wird man bald mit einem mächtigen Elixier konfrontiert, welches eine geheimnisvolle Kraft beinhaltet. Darf man zunächst nur auf eigene Faust diesem Geheimnis auf den Grund gehen, lernt man während des rund 40 Stunden dauernden Abenteuers zahlreiche historische Warlords kennen, etwa den chinesischen General Cao Cao oder den Gründer des Staates Shu Han in Südchina, Liu Bei.

Diese bieten sich ab dem Kennenlernen dankenswerterweise als Begleiter an, um künftig gemeinsam dem Bösen den Kampf anzusagen. Wirklich schlau agieren die Kämpferinnen und Kämpfer zwar nicht, sie können aber zumindest für eine gewisse Ablenkung in stressigen Situationen sorgen.

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Trotz diverser Anlehnungen an reale Hintergründe drängt sich inszenatorisch die chinesische Mythologie in das optische und spielerische Erscheinungsbild. Während man nämlich zahlreiche Waffen im Kampf gegen diverse feindliche Soldaten führt, kommen immer mehr fiktive Horrorwesen hinzu, die es zu besiegen gilt. Diese fordern die vollste Konzentration des Spielers, da – wie im Genre üblich – nach wenigen Treffern auch die eigene Spielfigur tot in den Matsch fällt und dann wieder vom letzten Speicherpunkt starten muss. Wie im Genre fast üblich, muss dann der siegreiche Feind gezielt ausgeschaltet werden, um sich die eigenen Erfahrungspunkte zurückholen zu können.

Spannend in diesem Zusammenhang ist das Moralsystem im Spiel. Siegreiche Widersacher erhalten durch des Spielers Niederlage einen Boost und sind damit ab sofort etwas stärker als davor. Selbst kann man die eigene Moral mit dem Erobern von im Level verstreuten Flaggen heben, die es zu hissen gilt. Auch bestimmte Kampfmanöver oder Gegenstände im Inventar können die Moral des Feindes senken, was speziell bei Bosskämpfen hilfreich – fast notwendig – ist.

Sich von erhöhten Positionen einen Überblick zu verschaffen schadet nie. Speziell dann, wenn andere Spieler das eigene Abenteuer überfallen.
Foto: Screenshot/Koei Tecmo

Waffenarm

Generell gibt sich das Kampfsystem mannigfaltig. Grundgerüst sind diverse Angriffsmuster, die Möglichkeit zu blocken und auszuweichen. Letzteres ermöglicht fatale Konter, mit denen man speziell härtere Gegner schneller um wichtige Lebenspunkte bringt. Hinzu kommen magische Attacken, die die fünf Elemente darstellen. Je nach Spezialisierung der Spielerin oder des Spielers feuert man dann Eis- oder Feuerblitze, lässt seine Waffe mit Erdmagie erstarken oder macht sich kurzfristig unsichtbar.

Es gibt auch Gruppen stärkende Magie, die speziell mit KI-gesteuerten oder menschlichen Begleitern sinnvoll einsetzbar ist. Während die vom Computer ins Feld geführten Kampflords recht stupide auf Feinde eindreschen, kann man mit Freunden an der Seite sehr gezielt Feinde einkesseln, sich abwechselnd die "Aggro" holen und erwähnte Zauber möglichst effektiv einsetzen.

Das bringt im Kampf eine wunderbare Dynamik und lässt, speziell mit der Ausweichtaste, viele Kämpfe zu tödlichen Tänzen werden. Dabei erreicht man spielerisch die Präzision der From-Software-Spiele, auch wenn viele Kampfmanöver der Feinde nicht immer beim ersten Mal gut lesbar sind.

Die Talentbäume der verschiedenen Elemente schalten im Laufe des Spiels neue Fähigkeiten für die Spielfigur frei.
Foto: Screenshot/Koei Tecmo

Viel Licht, ein wenig Schatten

Speziell mit einem oder zwei Freunden an der Seite wird das Spiel zwar manchmal chaotischer, weil man naturgemäß nicht mehr ganz so langsam durch die Levels schleicht, dennoch kommt, egal in welcher Konstellation, großer Spielspaß auf. Das Kampfsystem motiviert dazu, besser zu werden, die späteren Levels bieten etwas mehr optische Abwechslung als noch der Anfang, und laufend kommen weitere Spielelemente hinzu, die das Spiel inhaltlich erweitern. So darf man nach etwa zehn Stunden im Spiel erstmals seinen Magie-Baum neu anpassen oder bestimmte Kampfsets ablegen, um für bestimmte Situationen unterschiedliche Ausrüstung griffbereit zu haben.

Perfekt ist natürlich auch "Wo Long" nicht. So wiederholen sich Gegnertypen bereits nach wenigen Stunden mehrfach. Auch der Art-Style ist zwar schön dem China dieser Zeit nachempfunden, es mangelt der Mythologie – vielleicht auch aufgrund der fehlenden Gegnervielfalt – aber an Wow-Effekten. Speziell die Bosse können nicht mit dem Auftreten ihrer Gegenüber in "Elden Ring" mithalten – aber wer kann das schon?

Bei größeren Bosskämpfen kommt es zudem zu diversen Rucklern, deren sich die Entwickler allerdings bis zum Release vielleicht noch annehmen. Was wirklich nervt, sind die unzähligen Gegenstände und Waffen, die ständig von erlegten Widersachern fallen gelassen werden. Beim Händler ums Eck, wo man sich regelmäßig Pfeile nachkaufen oder die eigene Ausrüstung verbessern kann, verbringt man deshalb viel Zeit, unnötigen Schrott zu verkaufen. Hier wäre weniger wirklich mehr gewesen.

An der Spielzeit gibt es nichts zu mäkeln. In rund 40 Stunden soll man das Spiel im ersten Durchgang bis zum Ende gesehen haben – der STANDARD nahm sich zumindest knapp 20 Stunden Zeit und ist somit mitten im Geschehen. Zahlreiche Nebenmissionen, die sich in den einzelnen Kapiteln freischalten, richten sich dann mit ihrer wenig kreativen Inszenierung eher an Leute, die das Spiel bis zur letzten Ecke erkunden wollen.

Optisch präsentiert sich das Abenteuer zunächst sehr trist und in wenigen Brauntönen. Erst später kommen hübsche Wälder und schneebedeckte Landschaften zum Vorschein, die weit ansprechender sind. An Details mangelt es dem Spiel ebenfalls nicht. Sowohl Gebäude als auch Gegner sind liebevoll inszeniert. Beim Sound kann man aus diversen Sprachen wählen – auch Chinesisch ist verfügbar. Sämtliche Zwischensequenzen, die vor allem rund um Bosskämpfe das Auge verwöhnen, sind ebenfalls schön vertont und inszeniert – dennoch will die abgehobene Story einen nicht so richtig abholen.

Die Gegnervielfalt hält sich in Grenzen – zahlreiche Monster und menschliche Widersacher wiederholen sich oftmals.
Foto: Koei Tecmo

Help from my friends

Der bereits erwähnte Multiplayer-Modus funktioniert gut. Man kann Freunde via Menü ins eigene Spiel einladen, allerdings nicht zu jeder Zeit, sondern man muss – sobald ein Freund dem Spiel zusteigt – das Level von vorne beginnen. Das ist bei den meisten Abschnitten nicht so schlimm, da sie speziell im Koop nicht ewig lange dauern, dennoch sollte man sich dieses Fakts bewusst sein. Auch der Fortschritt zählt nur für den Host des Spiels. Im Level steigen dürfen allerdings beide beziehungsweise alle drei Spieler.

"Wo Long: Fallen Dynasty" erscheint am 3. März 2023 für PC, PS4, PS5, Xbox One und Xbox Series. Gamepass-Besitzer freuen sich über den Titel in ihrem Abo (Cloud, Konsole und PC). Alle anderen zahlen um die 70 Euro für die reguläre Version, die Deluxe-Edition mit diversen Ingame-Goodies und inklusive Season-Pass kommt auf knapp 95 Euro. Im Season-Pass enthalten sind drei bereits angekündigte DLCs, die zwischen Juni und Dezember erscheinen sollen.

Magie spielt eine Rolle, primär muss man sich allerdings auf die eigenen Kampffähigkeiten verlassen können.
Foto: Koei Tecmo

Fazit

"Wo Long" hat mir großen Spaß gemacht, und ich werde es mit Sicherheit auch noch zu Ende spielen. Während ich alleine an meine härtesten Stunden in "Elden Ring" erinnert werde, darf ich mit einem From-Software-Veteranen an meiner Seite schon fast spielerisch durch die Levels gleiten. Gut, das ist etwas übertrieben, denn das Spiel sorgt schon dafür, dass man auch gemeinsam vor Herausforderungen gestellt wird. Dennoch kann man mit gutem Zusammenspiel den Schwierigkeitsgrad schon deutlich niedriger ansetzen, auch weil man sich zumindest wenige Male gegenseitig hochhelfen kann, wenn ein Spieler zu Boden gerungen wurde.

Wer wie ich eigentlich kein Hardcore-Soulslike-Liebhaber ist, sondern eher mit "Elden Ring" in diese Welt gerutscht ist, der darf sich mit "Wo Long" und einem guten Freund auf eine spannende und unterhaltsame Reise freuen. Bis zum "Elden Ring"-DLC wird es nämlich noch dauern. Ein Abstecher ins alte China, mit Drachen und fliegenden Schwertern, ist deshalb genau die richtige Ablenkung. (Alexander Amon, 4.3.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Das Testmuster für die Playstation 5 wurde für diesen Artikel von Koei Tecmo zur Verfügung gestellt.