Maren Lundby peilt die Verteidigung ihres Titels an.

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Im Sommer ritt Sara Marita Kramer die "Riverwave" auf der Traun.

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Heute hat Kramer "genug vom Urlaub".

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Maren Lundby hat schon erreicht, was Sara Marita Kramer schaffen will – nicht einfach nur wieder die beste aktive Skispringerin werden, sondern ihre überragenden Fähigkeiten auch in erwachsene Titel und Medaillen ummünzen. Als die Österreicherin in den Weltcup hineinschnupperte, hatte die Norwegerin bereits die ersten drei ihrer 30 Siege im Weltcup gefeiert. Als Kramer 2020 in Oberwiesenthal alle möglichen Goldmedaillen bei der Weltmeisterschaft der Juniorinnen gewann, war Lundby schon Olympiasiegerin (2018, Pyeongchang) und Weltmeisterin (2019, Seefeld). Und als sich die alte Dominatorin eine Auszeit nahm, wurde sie vom neuen Schanzenstern beerbt.

Vorteile

Im Großschanzenspringen der WM zu Planica am Mittwoch sind die beiden wieder Konkurrentinnen. Die Vorteile liegen eher bei Lundby (28), die gestern im dritten Training mit 133,5 Metern den weitesten Sprung landete – recht knapp vor Kramer, die auf 130 Meter kam. Auch im Überwinden einer Krise ist Lundby Kramer (21), die seit Wochen auf der Suche nach der verlorenen Selbstverständlichkeit ist, einige Schritte voraus.

Im Herbst 2021, einige Monate nachdem sie in Oberstdorf als erste Skispringerin vier Medaillen bei einer WM geholt hatte, darunter Gold von der Großschanze, erklärte Lundby im norwegischen Fernsehen unter Tränen ihren Abschied vom Skispringen. Ihr Körper habe sich auf natürliche Weise verändert, sie könne ihn vor allem gewichtsmäßig nicht mehr in die erforderliche Form bringen. Die Probleme hatten sie über die gesamte Saison verfolgt, wie in Lundbys im Vorjahr erschienener Autobiografie (Ein Treffen mit Maren) nachzulesen ist. So habe sie während der WM in Oberstdorf regelrecht "abgekocht", also extrawarm gekleidet Bewegung und damit Gewicht gemacht. Nach den Tagen im Oberallgäu war die 1,71 Meter hohe Athletin aus Gjovik, die den Gesamtweltcup dreimal en suite gewonnen hatte, völlig ausgelaugt.

Gegen Malysz

Die Gewichtsproblematik war durch Lundbys Offenheit wieder Thema in der Szene. Lundby meldete sich auch aus der Pause zu Wort, als der neue polnische Verbandspräsident Adam Malysz verlauten ließ, dass Skispringerinnen mit "Übergewicht" nicht mehr gefördert würden. Die Polinnen mussten demnach einen Body-Mass-Index unter 21 erbringen, der noch das Nutzen der maximalen Skilänge von 145 Prozent der Körpergröße ermöglicht. Bei Lundbys Größe und Alter wären das maximal 60 Kilogramm – gerade Normalgewicht, aber eher nicht für eine Spitzensportlerin. Lundby, die noch ihre Energie in die Teilnahme am norwegischen Ableger von Strictly Come Dancing legte, kehrte diese Saison mit Erfolg in den Weltcup zurück, gewann schon Team-Bronze in Planica und will ihren Titel auf der Großschanze verteidigen.

Ein Triumph von Sara Kramer wäre eine Sensation, auch wenn die Salzburgerin nur einige Wochen dem Weltcup ferngeblieben war, um im Training zur Form zu finden. Ihr sei das gewisse Körpergefühl abhandengekommen, sagte die Weltcupgesamtsiegerin der Vorsaison über ihre Ergebniskrise. Gemeint waren damit nicht Gewichtsprobleme. "Ich habe mir viel Druck gemacht. Wenn es dann nicht so gelaufen ist, habe ich mir eingeredet, dass es besser wird, wenn ich mehr trainiere. Man ist schnell verzweifelt, wenn es nicht aufgeht, obwohl man so viel investiert hat."

Zu viel investiert

Chefcoach Harald Rodlauer schätzt Kramers Professionalität. "Sie überlässt nichts dem Zufall. Andere hätten sich nach ihrem erfolgreichen Winter eine Wohnung gekauft, sie hat sich aber daheim einen Trainingsraum eingerichtet. Dann hat sie zu viel gemacht, aber oft ist weniger mehr." Ein neuer Trainingsreiz, gesetzt durch den Wechsel nach Innsbruck unter die Fittiche des ehemaligen Vierschanzentourneesiegers Thomas Diethart, hatte ebenfalls nicht den gewünschten Effekt, auch wenn es zu Beginn der Saison noch zu Podestplätzen gereicht hatte. Vom Sieg entfernte sich die Gewinnerin von bisher 15 Weltcupspringen aber immer weiter. Inzwischen ist Kramer, mit Dietharts Trainingsprogrammen ausgestattet, wieder zu ihrem Vereinscoach Phil Amon nach Saalfelden zurückgekehrt. Für einen Platz im WM-Aufgebot reichte es, nicht aber für einem Platz im Teamspringen, in dem die Österreicherinnen Silber holten. Wie Kramer das verkraftet hat, ringt Coach Rodlauer Respekt ab. "Es ist unglaublich, welche Größe sie da gezeigt und die Kolleginnen unterstützt hat."

Nach einem Sondertraining in Villach, das vor allem ihrer Anfahrtsposition galt, frohlockte Kramer geradezu: "Genug vom Urlaub. Wir haben mich aus meiner Komfortzone herausgeholt." In Schlagdistanz zu Lundby. (Sigi Lützow, 1.3.2023)