Die Metalle der seltenen Erden können aus speziellen Mineralien gewonnen werden. Der Großteil der Produktion der wichtigen Ressource findet in China statt.
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Das Aufatmen war in Europa deutlich zu hören, als Jan Monström, Chef des staatlichen schwedischen Bergbauunternehmens LKAB, Mitte Jänner "die gute Nachricht" gemeinsam mit Schwedens Energieministerin Ebban Bosch verkündete. Rund um das schwedische, nördlich des Polarkreises gelegene Bergbaustädtchen Kiruna sollen mindestens eine Million Tonnen an seltenen Erden lagern – ein Sensationsfund, der Kiruna mit einem Schlag zur größten Lagerstätte Europas für Seltenerdmetalle machte und in die Schlagzeilen brachte.

Wie schnell die neu entdeckten Lagerstätten nördlich von Kiruna tatsächlich abgebaut werden können, wird sich weisen. Derzeit geht man von einer Anlaufphase von zehn bis 15 Jahren aus.

"Das ließe sich, wenn notwendig, wahrscheinlich dramatisch verkürzen, weil nicht nur technische, sondern genehmigungsrechtliche Aspekte eine Rolle spielen", sagt Achim Walter Hassel, Experte für seltene Erden und Vorstand des Instituts für Chemische Technologie Anorganischer Stoffe an der Universität Linz. Nach Meinung des Experten für seltene Erden ist der Kiruna-Fund durchaus bedeutsam: "Die Größe des Fundes entspricht in etwa der vierfachen Weltjahresproduktion aus dem Jahr 2021", sagt Hassel. "Diese Menge hat eine strategische Bedeutung für die Europäische Union."

Abhängigkeit von Importen

Bisher waren in Europa nur kleine und für den Abbau wenig rentable Lagerstätten für seltene Erden bekannt. Die EU war von Importen, vor allem aus China, abhängig. Die Volksrepublik stemmt derzeit rund 60 Prozent der Weltjahresproduktion, und Europa bezieht einen Gutteil seines Bedarfs aus dem Land der Mitte.

Zwischen 2010 und 2015 hatte China Lieferungen seltener Erden nach Konflikten mit der WTO eingeschränkt und an Japan auch schon gänzlich ausgesetzt. "Damit wollte man im Konflikt um die Senkaku-Inseln nahe Taiwan Druck machen", sagt Hassel. "Durch diese Abhängigkeit von Chinas Wohlwollen wurde Europa erpressbar." Durch den Kiruna-Fund könnte Europa seinen Bedarf an seltenen Erden jedenfalls für viele Hightech- und Alltagsanwendungen zu einem guten Teil aus eigenen Quellen bestreiten.

Vor allem ihre magnetischen und lichttechnischen Eigenschaften, die durch die besondere Struktur ihrer Elektronenhülle entstehen, machen die handelspolitisch umkämpften Rohstoffe attraktiv für extrem viele Anwendungen.

Alleskönner

Allein die Aufzählung der Überschriften von Technologiebeispielen für die 17 Seltenen-Erde-Elemente füllt dabei mehrere A4-Seiten: Seltene Erden finden sich in vielen technischen Bauteilen, vom Handy, über Laptops, LEDs, Leuchtstoffröhren, Batterien bis hin zu Autos, Flugzeugen und Raketen.

Europium und Terbium werden in Plasmabildschirmen als Farbverstärker eingesetzt, Praseodym verstärkt die Leuchtwirkung von Kohlenstoffbogenlampen, Yttrium ist die Basis für den YAG-Laser, macht aber auch neue Supraleiter möglich oder vermindert in der Lambdasonde bei der Autoabgassteuerung Emissionen. Terbium und Dysprosium wiederum ermöglichen Werkstoffe, die das ultraschnelle Schalten und Verstärken von Lichtwellen im digitalen Datentransport via Glasfaserkabeln zulassen.

Ceroxid wird wegen seiner Härte als Poliermittel für Glas und Linsen benutzt, Gadolinium wiederum fungiert in der Magnetresonanztomografie als Kontrastmittel für verbesserte Tumorerkennung. Scandium ermöglicht hochfeste Alulegierungen für den Airbus 380 oder für leichte Rennradrahmen.

Grüne Energieproduktion

Auch für die klimafreundliche Energieproduktion könnten seltene Erden eine wichtige Funktion erfüllen, vor allem wegen ihrer magnetischen Eigenschaften. Schon in den 1960er-Jahren entdeckte man, dass man mit seltenen Erden Supermagnete herstellen kann, die die Leistung bislang bekannter Magnete um ein Vielfaches übertrafen. Die Versuche begannen mit Yttrium und Samarium und wurden einige Jahre später mit Dysprosium und Neodym fortgesetzt.

Heute werden Permanentmagnete, hergestellt aus Eisen, Bor und Neodym, in (Handy-)Lautsprechern, Mikrofonen, aber auch Festplattenlaufwerken oder Stellmotoren in Autos eingesetzt.

Antrieb für die Energiewende

In Zukunft könnten die "Seltenerdmagnete" aber auch eine viel stärkere Bedeutung für Windkraftanlagen erlangen. Denn mit ihnen können schon jetzt Windkraftgeneratoren kompakter, kleiner und damit vom Materialeinsatz her wesentlich effizienter gehalten werden.

Mit den neuen Reserven könnte Europa langfristig jedenfalls eine beachtliche Anzahl an neuen Windkraftgeneratoren mit Neodym-Permanentmagneten aus eigenen Quellen ausrüsten. Experte Hassel geht davon aus, dass sich der Neodym-Anteil beim schwedischen Seltenen-Erde-Fund um rund 15 Prozent bewegt.

Laut Expertenschätzung könnten damit theoretisch mehr als 240.000 Onshore-Windräder mit 6,5 Megawatt oder 100.000 Windkraftgeneratoren der bisher größten Offshore-Klasse mit 250 Meter Rotordurchmessern und 15 Megawatt Leistung ausgerüstet werden. Eines dieser Windräder allein könnte bereits eine mittlere Kleinstadt mit Strom versorgen. (Norbert Regitnig-Tillian, 2.3.2023)