Um Schadensbegrenzung bemüht waren im Spätsommer Stadtrat Peter Hanke (links), Stadtwerke-Chef Peter Weinelt und Bürgermeister Michael Ludwig. Der Zustand hält an.

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Wien – So günstig wie die von der Bundesfinanzierungsagentur (Öbfa) bereitgestellte Finanzierung kommt der Ersatz von Unicredit Bank Austria die Stadt Wien wohl nicht. Für die zwei Milliarden Euro an Schutzschirm, die die Stadt für den städtischen Versorger Wien Energie aufspannt, fallen neben den vom Zinsniveau der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängigen Zinsen ein Aufschlag von 0,8 Prozent sowie Bereitstellungskosten an. Das erschließt sich aus dem "Rahmenkreditvertrag IV" der Stadt mit der Unicredit Bank Austria, der dem STANDARD vorliegt.

Über die Laufzeit von zwei Jahren (ab 1. Mai), die bis 30. April 2026 verlängert werden kann (um zwei Heizperioden abzusichern, wie Finanzstadtrat Peter Hanke mitteilte), könnten sich die Finanzierungskosten für die Termingeschäfte der Wien Energie auf gut 192 Millionen Euro belaufen. Das ergibt sich aus den Konditionen des Kontokorrentkredits, der mit dem Überziehungsrahmen eines Girokontos vergleichbar ist.

Nur bei Bedarf

Als Zinssatz wurde die Euro Short-Term Rate vereinbart, also der täglich ermittelte unbesicherte Tagesgeldzinssatz (€STR). Dieser wird dann fällig, wenn die Wien Energie den Kreditrahmen oder Teile davon ausnützt, weil die an den Energiebörsen getätigten Gas- und Stromzukäufe mit Sicherheitszahlungen (Margin Calls) abzusichern sind. Zuzüglich zum €STR wird ein Aufschlag von 0,80 Prozent p. a. verrechnet. Am Dienstag betrug der Zinssatz 2,398 Prozent, der sich inklusive Aufschlag auf rund 3,2 Prozent p. a. erhöht.

In absoluten Zahlen wären das im – aus derzeitiger Sicht unwahrscheinlichen – Fall einer vollen Ausnutzung des Rahmens von zwei Milliarden Euro pro Jahr an die 48 Millionen Euro an Finanzierungskosten, die sich inklusive Aufschlag von 16 Millionen Euro auf 64 Millionen Euro beliefen. Hinzu kommt die eingangs erwähnte Bereitstellungsgebühr von 0,20 Prozent, also weitere vier Millionen Euro pro Jahr.

Zinswende kostet

Hochgerechnet auf drei Jahre Laufzeit und volle Ausnützung würden sich die Kreditkosten somit auf 192 Millionen Euro belaufen – theoretisch und vorausgesetzt, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen nicht erhöht. Das freilich gilt als unwahrscheinlich, denn die nächste Anhebung des Leitzinses im März gilt im Lichte der noch immer deutlich über zwei Prozent liegenden Inflation als programmiert. Damit steigt auch der risikolose Über-Nacht-Referenzzinssatz der Eurozone, wie der unbesicherte Tagesgeldzinssatz bis 2021 geheißen hat.

Die Stellungnahme der Stadtregierung fällt diesbezüglich wenig aufschlussreich aus: Es sei immer klar gewesen, dass das Öbfa-Darlehen mit 30. April auslaufe, ein Angebot für eine Verlängerung liege bis dato nicht vor. Daher sei ein Kostenvergleich nicht möglich. Man gehe davon aus, "dass eine Verlängerung dieses Vertrags perspektivisch auf eine ähnliche Dimension gekommen wäre", teilte ein Sprecher des Finanzsstadtrats mit Verweis auf künftige Anpassungen der Leitzinsstruktur mit.

Wien Energie trägt die Kosten

Tragen muss diese Kosten die Wien Energie. Dem städtischen Versorger wird der Aufwand des im Wege der Konzernmutter Wiener Stadtwerke gewährten Schutzschirms zur Gänze überwälzt. So steht es im Antrag der für Finanzwesen zuständigen Magistratsabteilung 5 an den für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke zuständigen Ausschuss, der am kommenden Montag tagt. Tags darauf werden Stadtsenat und Gemeinderat mit der als "vertraulich" eingestuften Materie befasst. Letztlich tragen also die Haushalts- und Gewerbekunden die Kosten.

Provision statt Bundesgeld

Die Stadtverwaltung zahle lieber Bereitstellungsprovisionen, anstatt einen neuerlichen Vertrag mit dem Bund abzuschließen, kritisiert ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch den am Montag bekanntgegebenen Schutzschirm über insgesamt 3,7 Milliarden Euro, den die Stadt mittels eines Rahmenkredits mit der Bank Austria (zwei Milliarden Euro) sowie über 1,7 Milliarden Euro an Kreditlinien aufstelle, die die Wiener Stadtwerke bei zehn Kommerzbanken aufnehmen. Man wolle offenbar unter sich bleiben. Der Bund hatte im Zuge des Öbfa-Darlehens einen Fachmann ins Aufsichtsgremium entsandt.

Der grüne Klubchef David Ellensohn zeigte sich einmal mehr darüber verärgert, dass der Stadtsenat im Sommer mit der Causa nicht befasst wurde. Er will nun erheben, ob damals tatsächlich alle Stadträte auf Urlaub waren oder ob nicht doch ein Beschluss möglich gewesen wäre.

Kreditvertrag Nummer 4

Der neue Kreditrahmenvertrag ist der vierte in der Reihe, mit dem die Wiener Stadtwerke ihre aufgrund der Turbulenzen an den Energiemärkten ins Trudeln gekommene Konzerntochter Wien Energie im Sommer aufgefangen haben. Die ersten beiden waren am 15. Juli und am 29. August über je 700 Millionen Euro von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in Ausübung seiner Notkompetenz vergeben worden. Kreditrahmenvertrag III war jenes Darlehen der Bundesfinanzierungsagentur, das der Bund nach dem inzwischen berühmt-berüchtigten letzten August-Wochenende im Volumen von zwei Milliarden Euro bereitgestellt hatte. Alle drei wurden inzwischen saldiert oder waren nie in Anspruch genommen worden.

Die im Gemeinderat eigens eingerichtete Untersuchungskommission versucht ebendiese Vorgänge aufzuarbeiten – bis dato mit überschaubarem Erfolg. Teils wurden Akten nicht eingeliefert, teils kamen widersprüchliche Angaben seitens involvierter Personen.

Widersprüche

Magistratsdirektor Dietmar Griebler etwa hatte angegeben, den Bürgermeister "rudimentär" bereits am 8. Juli informiert zu haben. E-Mails und Aktennotizen wiederum deuten darauf hin, dass das Stadtoberhaupt bereits vor dem 12. Juli anwies, alles für die Freigabe der Mittel vorzubereiten. Ludwig wiederum hatte im September im Gemeinderat angegeben, dass ihm Höhe, Notwendigkeit und Dringlichkeit am 15. Juli in Form eines Antrags auf Bewilligung der ersten 700 Millionen Euro für Wien Energie vermittelt worden seien.

Ludwig sei spätestens am 12. Juli mit dem Antrag befasst gewesen, sagt wiederum ÖVP-Klubobmann Wölbitsch unter Verweis auf den vorige Woche eingelieferten Elektronischen Akt. Freigegeben wurde die erste Tranche von 700 Millionen Euro erst am 4. August, weil die erforderliche Beschlusslage in der Wiener Stadtwerke GmbH erst hergestellt werden musste, wie betont wird. Klarheit soll die Befragung Ludwigs am 31. März bringen. Seine Handydaten werden übrigens nicht eingeliefert und ausgewertet.

Am Mittwoch werden in der Untersuchungskommission Finanzdirektor Christoph Maschek, der ehemalige Magistratsdirektor Erich Hechtner und Obersenatsrat Gerhard Mörtl befragt. Mitte März ist voraussichtlich Stadtrat Hanke an der Reihe. (Luise Ungerboeck, 1.3.2023)