Es sind Landschaften, so fremd, als würden sie einem Science-Fiction-Film entstammen: Endlos scheinende, schneeweiße Ebenen mit sonderbar regelmäßigen, oft sechseckigen Strukturen, die wie gezeichnet aussehen. Nicht umsonst wurden Salzwüsten wie das Badwater Basin im kalifornischen Death Valley oder die Salar de Uyuni in Bolivien gern als Filmkulissen verwendet, zuletzt etwa im zweiten Teil der neuen Star Wars-Trilogie Die letzten Jedi.

Die teilweise auf dem Boden zu findenden Linien sehen fast zu regelmäßig aus, um natürlichen Ursprungs zu sein. Und tatsächlich war ihre Entstehung bislang nicht geklärt. Vermutungen reichten von Rissen durch Austrocknung über Aufwölbungen durch Ausdehnung des salzigen Untergrunds. Beides aber erklärt nicht ausreichend, warum die Strukturen derart regelmäßig sind. Ein neuer Ansatz schafft nun genau das.

Die regelmäßigen Muster in Salzwüsten entstehen durch Strömungen des Grundwassers. Der genaue Mechanismus konnte nun geklärt werden.
Foto: imago images/Aurora Photos

Die Physikerin Jana Lasser von der Technischen Universität Graz konnte gemeinsam mit einem internationalen Team im Rahmen ihrer Dissertation zeigen, dass Strömungen des Grundwassers in der Lage sind, die Strukturen und ihre Form zu erklären. Der Durchbruch kam dank Feldstudien und einer Kombination aus physikalischer Fluiddynamik und Methoden der Geomorphologie aus den Geowissenschaften.

Sehnsucht nach Feldforschung

Die originale Idee stamme von ihrem Doktorvater, sagt Lasser. Die Ausschreibung habe sie fasziniert, weil sie Experimente und Forschung im Feld versprochen hat. Nach viel Programmierarbeit im Rahmen ihrer Masterarbeit habe sie sich aktiv um Stellen beworben, die auch Experimente beinhalten, um zu sehen, was Physik sonst so zu bieten hat.

Die Feldforschung hat Lasser beeindruckt: "Die Gegend ist gleichzeitig landschaftlich unglaublich schön, faszinierend und absolut brutal. Im Death Valley wird es schon im Frühsommer tagsüber gerne mal über 40 Grad Celsius heiß, und man hält es nicht lange draußen aus. Deswegen waren wir nur im Winter dort, wo wir den ganzen Tag über Proben sammeln konnten." Lasser berichtet, dass es an Salzseen wie dem Owens Lake große Probleme mit Staubproduktion gibt: "Deswegen findet dort eine milliardenschwere Anstrengung statt, um die Staubproduktion einzudämmen. Dafür werden verschiedene Methoden ausprobiert – unter anderem auch das Heranzüchten von künstlichen, stabileren Salzkrusten, die weniger stauben." Ein genaueres Verständnis der Salzkrusten ist also wichtig.

Es gibt in der Natur tatsächlich einige ähnliche Phänomene, berichtet Lasser, und zwar in dem Sinn, dass es sich "um Musterbildung handelt, der eine nichtlineare komplexe Dynamik zugrunde liegt". Ein Beispiel sind die sogenannten "Feenkreise" in Namibia und Australien. "Hier entstehen die Muster durch die Interaktion von Wasser, Verdunstung und Vegetation", sagt Lasser.

Jana Lasser wagte sich für ihre Dissertation in neue Gefilde. Nach intensiver Programmierarbeit suchte sie nach Aufgaben, die Feldforschung beinhalten, und stieß auf ein Projekt ihres späteren Doktorvaters Lucas Goehring.
Foto: Lucas Goehring

Dass Grundwasserströmungen in trockenen Salzseen eine Rolle spielen, mag überraschen, doch die Wüsten sind nicht vollständig trocken. Das extrem salzhaltige Grundwasser reicht oft direkt unter die Oberfläche. In den heißen Sommermonaten verdunstet ein Teil des Wassers, wobei Salz zurückbleibt. Das im Boden verbleibende Wasser wird dadurch noch salzhaltiger. Wasser ist aber schwerer, je mehr Salz es enthält, was etwa für den Effekt verantwortlich ist, dass Schwimmen in Meerwasser aufgrund des größeren Auftriebs leichter ist.

Spontane Strukturen

Im Fall von Salzwüsten bedeutet dies, dass das schwere Oberflächenwasser absinkt und neues, weniger salziges Wasser an die Oberfläche drängt. Aufsteigendes und absinkendes Wasser suchen dabei automatisch nach Wegen, einander auszuweichen. Es entstehen sogenannte Konvektionszonen, die man vom Erhitzen von Fett kennen. Auch dabei bilden sich kurzfristig Strukturen, in deren Mitte Flüssigkeit aufsteigt, während sie an den Rändern absinkt. Diese Strukturen sind eigentlich von Natur aus rund, doch weil sie gegenseitig angrenzend sind und die größtmögliche Ausdehnung einnehmen, ordnen sie sich zu Mustern aus Vielecken an.

Um ihre Theorie zu überprüfen, stellte das Team erst Laborexperimente zum Fließen von Wasser in sandigen Böden an. Es folgten Computersimulationen und schließlich zwei Feldstudien in Kalifornien, bei denen man Proben sammelte. Die Ergebnisse dieser Arbeit veröffentlichte Lasser im Fachjournal Physical Review X. Bis zur Annahme des Papers brauchte es Zeit, erzählt Lasser: "Es war gar nicht so einfach, andere Forschende davon zu überzeugen, dass die existierenden Erklärungsansätze nicht stimmen können."

Wahrheitsstrom statt Salzmuster

Inzwischen forscht Lasser an der TU Graz an Phänomenen, die auf den ersten Blick nichts mit Salzwüsten zu tun haben. Sie beschäftigt sich mit Ehrlichkeit und Falschinformationen im Internet. "Nach meiner Promotion habe ich mich wissenschaftlich etwas umorientiert und bin jetzt im Bereich Computational Social Science unterwegs."

Die Gemeinsamkeit zwischen ihrer aktuellen Forschung und der Forschung an der Musterbildung in Salzwüsten sei die Methodik, sagt Lasser: "Soziale Systeme wie auch der Prozess der Musterbildung in Salzwüsten lassen sich als komplexes System beschreiben. Solche Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass es nichtlineare Interaktionen gibt und viele Einzelteile zusammenspielen und zusammen Verhalten zu erzeugen, das nicht aus dem Verständnis eines Einzelteiles ableitbar ist. Wir sprechen hier auch von Emergenz."

Konkret interessiert sich Lasser für die Ausbreitung von Falschinformationen, Ehrlichkeit und die Effektivität von Gegenrede im Internet auf Basis von Daten aus sozialen Medien. Statt der Entstehung von Salzmustern hat Lasser nun also die Entstehung von Verhalten im Fokus – mit ähnlichen Methoden. (Reinhard Kleindl, 1.3.2023)