Gleichzeitig mit dem Ausbau der Erneuerbaren sind auch neue Kapazitäten bei Hochspannungsleitungen notwendig.

Foto: Jochen Tack/www.imago-images.de

Nach mehrjähriger Wartezeit und zähem Ringen hat der Nationalrat Mittwochabend die Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren beschlossen (UVP-G-Novelle) – die erste seit 2018. Viele Regelungen stellen einen Kompromiss dar; wenig überraschend, wenn eine der Wirtschaft nahestehende Partei und eine dem Umweltschutz verschriebene Partei einander in der Koalition "gegenüberstehen."

Gerade beim Thema Energiewende zeigt die Novelle aber deutlich, dass Wirtschaftsinteressen und Klimaschutz nicht zwingend diametral sind, sondern auch in Gleichklang stehen können. Neu eingeführt wird eine neue Kategorie von Vorhaben, nämlich "Vorhaben der Energiewende". Als solche bezeichnet das Gesetz den Ausbau erneuerbarer Energien sowie Projekte des Eisenbahnausbaus. Die Begriffsbestimmung legt den Grundstein für Erleichterungen im Bewilligungsverfahren.

Schnellerer Baustart?

Bei den genannten Projekten darf eine Abweisung nicht ausschließlich aufgrund von Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds erfolgen, wenn im Rahmen der Energieraumplanung eine strategische Umweltprüfung durchgeführt wurde. Bei der Gesamtbewertung und der darin integrierten Interessenabwägung wird Vorhaben der Energiewende nun explizit ein "hohes öffentliches Interesse" zugestanden. Die Bedeutung dieser Neuregelung ist in der Praxis allerdings beschränkt. Die Gesamtbewertung rückte bisher immer nur in den Fokus, wenn zwar die Prüfung nach den diversen Genehmigungsbestimmungen erfolgreich verläuft, aber das Vorhaben dennoch in Summe zu einer hohen Belastung führt. Da sich die Regierung bei der nun adaptierten Regel zudem nicht zur Festlegung eines "überwiegenden öffentlichen Interesses" durchringen konnte, wird die Relevanz dieser Regelung überschaubar bleiben.

Ebenfalls erleichtert werden sollen die Voraussetzungen für den behördlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei Vorhaben der Energiewende. Beschwerden von Projektgegnern sollen demnach weniger oft dazu führen, dass der Baustart verschoben werden muss. Auch dieser verfahrensbeschleunigenden Maßnahme fehlt es allerdings an der letzten Konsequenz. Einerseits sollen diese Erleichterungen nur dann greifen, wenn unsubstantiierte Beschwerden erhoben werden, andererseits hat das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren dieselben Vorschriften anzuwenden, die von ihm bisher äußerst restriktiv ausgelegt werden und zuletzt immer dazu geführt haben, dass Projektwerber mit dem Start der Bauarbeiten warten müssen.

Druck auf Bundesländer

Aus dem Blickwinkel der Energiewende lässt sich positiv festhalten, dass sie mit der vorliegenden Novellierung ausdrücklich Eingang in das UVP-G findet. Die einzelnen Regeln sind auch zu begrüßen und in ihren Zielen nachvollziehbar, dennoch fehlte offensichtlich der Mut, wirklich einschneidende Maßnahmen zu setzen, wie zum Beispiel die Genehmigungsfiktion in "go-to-areas", die im EU-Plan Repower EU bereits vorgesehen sind, schon vorab umzusetzen.

Eine solche "progressive" und überraschende, weil auch gegen den Willen der ÖVP-regierten Bundesländer beschlossene Regelung findet sich dann aber doch auch noch in der Novelle. Die Sprache ist vom neu eingeführten § 4a, der durch Untätigkeit der Länder bzw. der Gemeinden bei der Windenergieraumplanung entstandene Genehmigungshindernisse beseitigen soll. Besteht eine überörtliche Energieraumplanung für die Windkraft, liegt aber auf der örtlichen Ebene noch keine erforderliche Flächenwidmung vor, können Windparks auch ohne entsprechende Widmung der Gemeinde genehmigt werden. Fehlt auch vorgelagert die Energieraumplanung auf Landesebene, so gilt dies ebenfalls, dann allerdings nur mit Zustimmung der betroffenen Standortgemeinde. Unschwer zu erkennen, soll die Bestimmung verhindern, dass der Ausbau der Windkraft in einigen Bundesländern durch fehlende planungsrechtliche Festlegungen gehemmt wird.

Die Kritik der Bundesländer war zu erwarten; nach deren Ansicht legt der Bundesgesetzgeber seine Bedarfsgesetzgebungskompetenz zu weit aus und greift unzulässigerweise in Landeskompetenzen ein. Tatsächlich bewegt sich der Gesetzgeber in diesem Punkt nicht auf von der Rechtsprechung abgesichertem Terrain, sondern baut lediglich auf eine juristische Auslegung des in Anspruch genommenen Kompetenztatbestands. Welche Projektwerberin sich als Erste findet und einen Windpark gegen oder zumindest mit fehlendem Willen des Bundeslands bzw. der Gemeinde umsetzt, kann daher ebenso mit Spannung erwartet werden wie die Entscheidung des allenfalls angerufenen Verfassungsgerichtshofs zu dieser Frage.

Mehr Struktur im Verfahren

Der lange Gesetzwerdungsprozess lässt beinahe vergessen, dass die Novellierung ursprünglich angestoßen wurde, um das Gesetz wieder in Einklang mit dem Unionsrecht zu bringen. Wie dabei üblich, sollten auch unliebsame Praxis- und Rechtsprechungsentwicklungen zurechtgerückt werden. Abseits des Themenkreises Energiewende liefert die Novelle daher in gewohnter Manier sowohl Erleichterungen als auch Verschärfungen.

Die Erleichterungen im Verfahren, beispielsweise eine stärkere zeitliche Strukturierung, die Pflicht zur konkreten Ausformulierung von Beschwerden, das Einfrieren des Stands der Technik mit der behördlichen Auflage (anstatt der mündlichen Verhandlung), die Möglichkeit zur Vorschreibung von "Konzeptauflagen" bzw. der Schaffung von Flächenpools für Ausgleichsmaßnahmen und die Einführung einer bloßen Anzeigepflicht bei Austausch von Maschinen mit solchen neueren Typs (zum Beispiel leistungsstärkere Windenergieanlagen), wurden dabei primär von einer durch das Klimaschutzministerium (BMK) bestellten Expertengruppe erarbeitet, die gleichermaßen Behörden-, Gerichts-, NGO-, Projektwerbervertreter und Umweltanwältinnen umfasste. Natürlich sind auch diese Maßnahmen nicht völlig friktionsfrei, umgesetzt wurden aber in der Regel nur jene, für die in der Arbeitsgruppe selbst ein breiter Konsens herrschte.

Neue Pflicht für Logistikzentren

Die Verschärfungen drehten ebenso wie die Erleichterungen an vielen kleinen Stellschrauben. Gänzlich neu eingeführt wurde die UVP-Pflicht für Logistikzentren. Zum Schutz vor Flächenversiegelung ist dieser Tatbestand zu begrüßen, bestand doch bislang ein Regelungswiderspruch, wenn zum Beispiel Park-and-ride-Anlagen, die den Verkehr aus Städten abziehen sollen und noch dazu naturgemäß in die Höhe gebaut werden, UVP-pflichtig waren, während Logistikzentren, die sich primär in der Fläche ausdehnen und auch in der Lage sind, mehr Verkehr zu generieren als Parkhäuser, vom Gesetz nicht erfasst waren. Zukünftig ist auch ein Bodenschutzkonzept vorzulegen. Dieses folgt dem Vorbild der Einführung des Klima- und Energieschutzkonzepts im Jahr 2009. Auch mit diesem Konzept korrespondierte bei der Einführung kein Genehmigungstatbestand – zumindest bis heute. Nunmehr sind die Emissionen von Treibhausgasen ebenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen.

Wer sich unmittelbar durch die Novelle einen Turbo für Genehmigungsverfahren generell bzw. die Energiewende im Speziellen erwartet, stellt zu hohe Ansprüche an ein einzelnes Gesetz, das noch dazu zum Großteil aus verfahrensrechtlichen Bestimmungen besteht. Dennoch werden viele in die richtige Richtung gehende Maßnahmen gesetzt. Für weitergehende Schritte sind aber insbesondere auch die mitzukonzentrierenden Materiengesetze, wie zum Beispiel die Naturschutzgesetze der Länder, zu überarbeiten und die inhaltliche Prüftiefe nachhaltig zu senken. (Dieter Altenburger, 1.3.2023)