Die Flagge des De-facto-Regimes Transnistrien neben der russischen Flagge.

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Ein freiwilliges dreimonatiges Trainingscamp für alle Männer im wehrfähigen Alter, um für "friedenserhaltende Missionen" ausgebildet zu werden. Dazu ruft die Armee des von der Republik Moldau abtrünnigen De-facto-Staates Transnistriens seit 1. März auf. Dazu kommt, dass die pro-westlich orientierte moldauische Präsidentin Maia Sandu vor einigen Tagen noch vor einem russischen Putsch in ihrem Land gewarnt hat, während Kreml-Sprecher Dimitri Peskow von "äußeren Kräften" sprach, welche die Situation in Transnistrien "aufheizen" würden.

Am Dienstag gab es zudem Proteste in Chișinău, der moldauischen Hauptstadt, die von der prorussischen Shor-Partei unterstützt beziehungsweise organisiert wurden. Die Lage im kleinen osteuropäischen Staat ist also wieder einmal brisant.

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Transnistrien ist ein Landstreifen östlich des Flusses Dnister im äußersten Osten der Republik Moldau und grenzt dort an die südwestliche Ukraine. Lediglich Russland erkennt das Gebiet als souveränen Staat an. Völkerrechtlich ist Transnistrien jedoch Teil der Republik Moldau. Einst gehörte Moldau zur Sowjetunion, ihre Unabhängigkeit erlangte das Land im Jahr 1991.

Seit einem Bürgerkrieg Anfang der 1990er hat Russland "Friedenssoldaten" in der Region stationiert, welche von Separatisten mit der Unterstützung Moskaus verwaltet wird. Der deutsche Historiker Stefan Troebst schätzt die russische Präsenz auf etwa 2.000 Soldaten. Dazu gesellen sich rund die rund 3.000 reguläre, prorussische transnistrische Streitkräfte. Zudem soll in Transnistrien eines der größten Waffendepots Osteuropas liegen. Vieles davon dürfte jedoch veraltet sein.

Pro-europäische Mehrheit in Moldau

Schon im vergangenen April hatte sich die Situation in der Region dramatisch angespannt, als es Anschläge auf einige Sendemasten in Transnistrien gab. Die Sorge vor einer russischen False-Flag-Aktion war groß. Die Angst vor einer Kriegsausweitung damals wohl größer als heute, schätzt der Historiker Troebst. Die Situation sei damals "zugespitzter" gewesen, weil es so aussah, als ob die russischen Truppen versuchen könnten eine Landbrücke über den Süden und Westen der Ukraine nach Transnistrien zu ziehen.

Dennoch alarmieren die jüngsten Aussagen von Peskow viele in Europa. Russland wirft Moldau vor, eine Invasion gegen die prorussische Region zu planen. Obwohl Präsidentin Sandu dies dementierte und laut Kreml-Sprecher Russland eine "friedliche Lösung" anstrebe, so würde jeder Angriff auf Transnistrien als Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden, heißt es aus dem Kreml.

Moskau spielt damit wieder einmal mit der historischen Spaltung in Moldau zwischen denjenigen, die eine engere Anbindung an Russland wünschen und jenen, die sich der EU annähern möchten. Der Kurs der derzeitigen Präsidentin Sandu geht klar in Richtung Unions-Beitritt. Kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine stellte das Land einen Beitrittsantrag. Meinungsumfragen zeigten damals eine 70-prozentige Zustimmung der moldauischen Bevölkerung für eine tiefere Integration mit dem Westen. Bestärkt wurden die beschleunigten Beitrittswünsche von der Sorge, dass der Krieg in der Ukraine auf Moldau übergreifen könnte – Russland allenfalls versuche, einen weiteren Staat zu destabilisieren.

"Aufwärmen" eingefrorener Konflikte

Was aber könnte die russische Motivation hinter der zu eskalieren drohenden Lage sein? Etwa gar die Ablenkung der ukrainischen Armee durch einen weiteren Konfliktherd? Laut Troebst stünden die russischen Soldaten in Transnistrien derzeit auch vor dem Problem, dass sie von Russland abgeschnitten sind. Aufgrund des gesperrten Luftraumes kann man keine neuen Waffen in das Land bringen. Freilich sehen sich auch die Menschen in Transnistrien selbst zusehends in einer aussichtslosen Lage.

Die Abhängigkeit, in die das Regime Putin den kleinen De-facto-Staat seit Jahren gebracht hat, nützt ihm aktuell jedenfalls. Jahrelang wurde der Konflikt um die Region bewusst eingefroren, um ihn bei Bedarf notfalls wieder "aufzuwärmen". Von zahlreichen prorussischen Social-Media-Accounts verbreitete Falschmeldungen, wonach Truppen des Nato-Mitglieds Rumänien schweres Gerät wie Himars-Mehrfachraketenwerfer oder Schützenpanzer in Richtung moldauische Grenze brachten, passen zu diesem Bild. Sie wurden rasch vom rumänischen Verteidigungsministerium als falsch zurückgewiesen. (Tabea Hahn, 1.3.2023)