Die RBI erzielte vergangenes Jahr einen Rekordgewinn, von 3,6 Milliarden Euro kamen rund zwei Milliarden aus dem Russland-Geschäft.

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Wien – Die Beziehung zwischen der Raiffeisenbank International (RBI) und Russland sorgt seit Kriegsbeginn regelmäßig für Schlagzeilen. Es folgt eine weitere, eine durchaus interessante. Angeblich will die RBI die aus Russland stammende staatliche Sberbank Europe mit Sitz in Wien übernehmen, wie der "Falter" berichtet. Zur Erinnerung: Die Sberbank Europe befindet sich in Liquidation und wurde vergangenen Dezember abgewickelt. Dass der Deal unter den aktuellen Umständen politisch und sanktionstechnisch umstritten wäre, liegt auf der Hand. Laut "Falter" gehen aber auch innerhalb der RBI die Meinungen dazu weit auseinander.

Mit Hauptsitz in Moskau ist die Sberbank die größte Bank Russlands, die dortige Zentralbank hält 50 Prozent der Anteile plus eine Aktie, also die Mehrheit. Als die Österreichischen Volksbanken während der Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten waren und vom Staat gerettet werden mussten, übernahm die Sberbank deren Osteuropageschäft.

Projekt roter Vogel

Die RBI soll Wirtschaftsprüfer von PwC und die Anwaltskanzlei Baker McKenzie beauftragt haben, eine Due-Diligence-Prüfung der Sberbank Europe zu übernehmen – also den wirtschaftlichen und juristischen Zustand des Unternehmens zu überprüfen. Das Unterfangen trägt laut PWC-Report den Decknamen "Project Red Bird", heißt es im "Falter"-Bericht. Weiters, dass sich eine ordentliche Sorgfaltspflichtprüfung für 2020 und 2021 nicht durchführen habe lassen, da die Daten teilweise unvollständig und nicht ausreichend seien. Vor allem zu den Tochtergesellschaften in Albanien, Tschechien, Ungarn und Italien lasse sich keine Einschätzung abgeben.

Was sind die Überreste der Abwicklungsgesellschaft wert? So genau lässt sich das nicht sagen. Es geistert die Zahl 300 Millionen herum, von Treffsicherheit kann dabei allerdings keine Rede sein. Mitte Dezember hat die Bank all ihre Geschäfte abgewickelt und ihre Bankkonzession zurückgelegt. Die Konzession ist laut Finanzmarktaufsicht (FMA) mit 15. Dezember rechtswirksam erloschen.

Kein Kommentar

Diese Übernahme ließe in jedem Fall viel Interpretationsspielraum zu. Ein zu niedriger Preis könnte als Gegenleistung für das in Russland befindliche RBI-Vermögen gedeutet werden, ein zu hoher als Investition in die Beziehung zum Kreml.

"Nach unserem Wissensstand hat die OeNB als zuständige Sanktionsbehörde die Einleitung einer Due Diligence zur Evaluierung und Vorbereitung eines möglichen Kaufs der Anteile an der Sberbank Europe AG in Abwicklung genehmigt", sagt eine RBI-Sprecherin auf Anfrage des STANDARD. Man halte sich aber an sämtliche sanktionsrechtlichen Vorschriften. Darüber hinaus kommentiert das Unternehmen die Sache nicht.

Sanktionen und Treuhandkonten

Verkäufer der Sberbank Europe wäre der russische Staat, Erlöse darf dieser aber keine entgegennehmen, solange die Sanktionen der EU und der USA gelten. In der Praxis wäre das allerdings kein großes Problem, da das Geld vorübergehend auf Treuhandkonten geparkt werden könnte, bis die Sanktionen irgendwann nicht mehr greifen. Zehn Sanktionspakete hat es bisher gegen Russland gegeben, die russische RBI-Tochter ist aber nach wie vor nicht davon betroffen und geht weiter ihren lukrativen Geschäften nach.

Vergangenes Jahr erzielte die RBI mit 3,6 Milliarden Euro sogar einen Rekordgewinn, davon stammen rund zwei Milliarden aus dem Russland-Geschäft. Dort bliebt das Geld vorerst auch, weil Dividendenausschüttungen aus Russland ins Ausland untersagt sind. Immer wieder betont Konzernchef Johann Strobl, man prüfe alle Optionen zu einem Ausstieg aus Russland, konkreter wurde er bisher nicht.

Tausende Mitarbeiter vor Abwicklung

Die Sberbank Europe betreute – bevor sie in Schieflage geriet – mit 3.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in acht Tochterbanken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa rund 775.000 Kunden. Die Bilanzsumme belief sich auf rund 13,5 Milliarden Euro. In Not geriet die Bank im Februar aufgrund starker Geldabflüsse nach Beginn des Ukrainekriegs und der darauf folgenden Sanktionen gegen Russland. Am 1. März 2022 untersagten die Aufsichtsbehörden den Geschäftsbetrieb mit sofortiger Wirkung, das löste gesetzlich den Einlagensicherungsfall aus, da die Bank die Guthaben nicht mehr auszahlen konnte. Die Einlagensicherung sorgt dafür, dass jeder Kunde bis zu 100.000 Euro ausbezahlt bekommt.

Das Einlagensicherungssystem habe sich bewährt, Sparer und Anleger seien rasch entschädigt worden. Insgesamt seien mehr als 900 Millionen Euro an ehemalige Kundinnen und Kunden der Sberbank Europe ausgezahlt worden, hieß es damals bei der FMA.

Grüne kritisieren Vorhaben

Die Grünen haben nun eine parlamentarische Anfrage zur RBI an Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) eingebracht. "Wir Grüne halten das geschäftliche Treiben der Raiffeisen Bank in Russland doch für sehr gravierend", sagte die bei den Grünen für Finanzen zuständige Abgeordnete Nina Tomaselli. "Wir denken, da ist potentieller Schaden da für den Finanzplatz, für den Wirtschaftsplatz in Österreich".

Die Grünen-Abgeordnete verweist darauf, dass die RBI von den wirtschaftlichen Sanktionen gegen russische Kreditinstitute und dem Ausstieg anderer westlicher Banken profitiere. Zudem könnte die Bank die Geschäfte mit Russland noch weiter ausbauen. (red, 1.3.2023)