In Moldaus Hauptstadt Chișinău wird demonstriert. Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht in den russischen Krieg gegen die Ukraine hineingezogen werden.

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Willkommen in Absurdistan: Transnistrien, jener von russischen Truppen besetzte schmale Landstreifen zwischen den EU-Beitrittskandidaten Ukraine und Moldau, ist eine Art sowjetisches Freilichtmuseum mit rund 500.000 Einwohnern. Überall sieht man Lenin-Statuen, der international nicht anerkannte Pseudostaat hat eine eigene Grenzkontrolle und sogar eine eigene Währung, den transnistrischen Rubel. Seit 1992 existiert dieses Land, weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit. Einer der "eingefrorenen Konflikte", entstanden durch dem Zerfall der Sowjetunion.

Nunmehr aber ist Transnistrien in den Fokus gerückt. Die Ukraine plane einen Einmarsch, so das russische Militär unter Berufung auf angebliche Erkenntnisse der Geheimdienste. Eine Art Operation "unter falscher Flagge", teilte man der staatlichen Nachrichtenagentur Tass mit. Ukrainische Soldaten in russischen Uniformen würden den Einsatz durchführen, um Russland dann die Schuld an einem Einmarsch zuzuschieben. Kiew wolle diesen Einsatz dann als Vorwand für eine Invasion in das Gebiet nutzen. Beweise für diese Angaben legte das Militär nicht vor.

Interessante Munitionsvorräte

Transnistrien könnte für die ukrainische Armee durchaus interessant sein. Denn dort lagern angeblich große Munitionsvorräte noch aus Sowjetzeiten. Und an Munition mangelt es der Ukraine zunehmend. Ein Einmarsch nach Transnistrien würde aber die Souveränität Moldaus verletzen, zu dessen Staatsgebiet Transnistrien völkerrechtlich gehört. Und so dementierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj prompt: "Wir respektieren Moldaus Souveränität."

Äußere Kräfte würden die Situation anheizen, sagt hingegen Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Natürlich ist die Situation in Transnistrien Gegenstand unserer größten Aufmerksamkeit und ein Grund für unsere Besorgnis." Auch warnt Russland vor Angriffen auf in Transnistrien stationierte russische Soldaten. Solche Attacken würden als Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden, erklärt das Außenministerium.

Annulliertes Dekret

Erst vor ein paar Tagen hatte der russische Präsident Wladimir Putin ein in der Angelegenheit des eingefrorenen Transnistrien-Konflikts ausschlaggebendes Dekret aus dem Jahr 2012 annulliert. Das Präsidialdekret hatte festgelegt, dass eine endgültige Lösung des Konflikts um das von Moldau abtrünnige Gebiet ausschließlich "unter Einhaltung der Souveränität, territorialen Integrität und Neutralität der Republik Moldau" erfolgen könne.

Auch in der Republik Moldau, einem der ärmsten Länder Europas, ist die Lage alles andere als stabil. Immer wieder gibt es Proteste gegen inflationsbedingte Preissteigerungen und hohe Energiekosten. Dazu kommt noch die Flüchtlingswelle aus der Ukraine. Erst im Februar war die proeuropäische Regierungschefin Natalia Gavrilia zurückgetreten.

Maia Sandu, die Präsidentin der Ex-Sowjetrepublik, warnt vor russischen Umsturzversuchen. Der Plan Moskaus beinhalte, gewalttätige Ausschreitungen und Angriffe auf staatliche moldauische Institutionen anzuzetteln und diese als Proteste zu tarnen, sagte Sandu Medienberichten zufolge. "Das Ziel ist, die verfassungsmäßige und legitime Ordnung in eine illegitime umzuwandeln." Die Polizeipräsenz an öffentlichen Orten würde verstärkt, so das moldauische Innenministerium.

Aus Sicherheitsgründen

"Wir wären allen Staaten der Welt, einschließlich der Russischen Föderation, dankbar für die Wertschätzung der Wahl unseres Volkes", erklärt das moldauische Außenministerium. Und es weist Vorwürfe des russischen Außenministers Sergej Lawrow zurück. Dieser hatte im russischen Staatsfernsehen behauptet, Moldau werde nach dem Vorbild der Ukraine vom Westen zu einem "neuen Anti-Russland" aufgebaut.

Die Situation in Transnistrien und in Moldau entwickelt sich zunehmend zum gefährlichen Pulverfass. Hinzu kommt: Die Republik Moldau grenzt im Westen an den EU- und Nato-Staat Rumänien. Droht hier der nächste Krieg? Die ungarische Fluglinie Wizz Air jedenfalls hat schon reagiert. Ab dem 14. März will man den Flugverkehr in die moldauische Hauptstadt Chișinău einstellen. Aus Sicherheitsgründen. (Jo Angerer, 2.3.2023)