Die hohe Inflation wird auf dem Pensionskonto erst ab 2025 abgegolten. Wer zuvor in Ruhestand geht, dem drohen Einbußen – besonders wenn dies in der zweiten Jahreshälfte erfolgt.

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Der ersehnte Ruhestand – gerade für ältere Erwerbstätige oft die Karotte vor der Nase. Für etwa 105.000 Menschen in Österreich wird es heuer so weit sein. Doch der Inflationsschub des Jahres 2022 macht ihnen einen Strich durch die Rechnung, unter dem der Lebensstandard in der Pension voraussichtlich leiden wird. Ein Problem stellen die Pensionskonten der Beitragszahler dar, auf denen die Teuerungswelle mit zwei Jahren Verzögerung abgegolten wird. Zudem sorgt die von der türkis-grünen Regierung eingeführte Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung für Willkür. Das Sozialministerium verspricht auf Anfrage Lösungen bis zur nächsten Aufwertung zu Jahresbeginn 2024.

Nach derzeitigem Stand wird die hohe Inflation auf dem Pensionskonto, wo die Beitragszahlungen gesammelt werden, nämlich erst ab 2025 entsprechend abgegolten. Die Folge: Wer bis dahin in Pension geht, bei dem wird die Kaufkraft aller vor dem Jahr 2022 geleisteten Beitragszahlungen in die Pensionsversicherung empfindlich entwertet.

Weniger Kaufkraft

Denn laut Pensionsversicherungsanstalt erfolgt für das Jahr 2022 eine Aufwertung, wie die Verzinsung der Pensionskonten genannt wird, von lediglich 3,1 Prozent. Bei einer Jahresinflation von 8,6 Prozent gehen also mehr als fünf Prozent Kaufkraft flöten. Da die Erhöhung auf volkswirtschaftlichen Daten beruht, kommt es zu einer starken zeitlichen Verzögerung.

Das Pensionskonto wird nicht um die Inflation angepasst, sondern – vereinfacht gesagt – auf Basis der Lohnentwicklung. Warum? Weil dadurch nicht nur die Teuerung abgegolten wird, sondern die Beitragszahler auch von Produktivitätsgewinnen profitieren, also langfristig besser aussteigen, erklärt Pensionsexperte Erik Türk von der Arbeiterkammer (AK). Allerdings bringt dies eine zeitliche Verzögerung der Aufwertung mit sich.

Denn die Inflation des Jahres 2022 wird erst im Folgejahr durch Lohnerhöhungen abgegolten. "Die tatsächliche Lohnentwicklung des Jahres 2023 kennt man erst 2024, und sie kann ab 2025 berücksichtigt werden", erklärt Türk die lange Dauer. Die Folge: "Im Jahr 2023 wird es zu einer deutlichen relativen Entwertung kommen." Dieser Effekt werde sich im nächsten Jahr weiter aufbauen, ab 2025 abflachen und ab dem Jahr darauf fast ausgebügelt sein – vorausgesetzt, die Inflation wird wie erwartet bald nachlassen.

Schutz einziehen

Dabei sieht Türk eine Lösung für das Problem, nämlich indem man eine Schutzbestimmung einführt. Die letzten zwei Aufwertungen des Pensionskontos sollten demnach zumindest in der Höhe der Anpassungen der Pensionen erfolgen, da diese Inflationsanstiege schneller abbilde. Für 2022 würde das Pensionskonto um 5,8 statt 3,1 Prozent erhöht werden. "Dann wäre das Problem zumindest entschärft."

Zudem adressiert Türk ein weiteres, von den Pensionskonten unabhängiges Problem, nämlich die Aliquotierung der ersten Inflationsabgeltung nach Pensionsantritt. Das bedeutet, dass die Erhöhung nach dem Monat des Pensionsantritts gestaffelt erfolgt. Wer im Jänner in Pension geht, erhält noch die vollständige Pensionsanpassung im Folgejahr. Für jeden Monat, den der Pensionsantritt später erfolgt, wird die Erhöhung um zehn Prozent verringert, sodass es ab November gar keine mehr gibt.

Abwegige Regelung

Dabei handelt es sich für Türk um eine grundsätzlich "abwegige" Regelung. Die nächste Inflationsanpassung für Pensionsbeziehende werde voraussichtlich neun Prozent betragen – sprich, der Monat des Pensionsantritts entscheidet darüber, ob die künftigen Bezüge um diesen Faktor höher ausfallen oder nicht.

"Bei einer hohen Inflation kann die Aliquotierungsregelung zu Benachteiligungen führen", heißt es aus dem Sozialministerium. Daher habe man die Pensionsanpassung 2023 dahingehend geändert, dass alle Menschen, die 2022 ihre Pension antraten, zumindest die halbe Erhöhung erhalten haben. Auch für die nächste Anpassung werde man sich "um eine Lösung der nachteiligen Effekte bemühen".

Für AK-Experten Türk ist auch eine halbe Pensionsanpassung noch "völlig unzureichend". Denn von der Problematik sind wegen der schrittweisen Anhebung des Regelpensionsalters auf 65 Jahre Frauen besonders betroffen. Von den Jahrgängen 1964 bis 1968 werden aus diesem Grund fast alle weiblichen Arbeitskräfte in der zweiten Jahreshälfte in Pension gehen, in der die Aliquotierung stark ausfällt. Dabei erhalten Frauen ohnedies im Mittel eine dürftigere Pension, nämlich laut Statistik Austria 18.638 Euro jährlich verglichen mit 29.574 Euro bei Männern.

Verfassungsbeschwerde

Auch wenn das Sozialministerium Lösungen für beide Probleme in Aussicht stellt – lange will die SPÖ offenbar nicht mehr warten. Sie fordert, die Aliquotierung rasch wieder zu beheben, und gibt der Regierung laut Vize-Klubchef Jörg Leichtfried dafür noch im März Zeit. Danach wolle man eine Verfassungsbeschwerde einbringen. (Alexander Hahn, 3.3.2023)