Mario Kunasek könnte von den Behörden verfolgt werden, wenn der Landtag seiner Auslieferung zustimmt.

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Graz – Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt beantragte die Auslieferung von Mario Kunasek. Sie möchte gegen den steirischen FPÖ-Chef und Landtagsabgeordneten im Zusammenhang mit der FPÖ-Graz-Affäre ermitteln: Dort wurden mutmaßlich 1,8 Millionen Euro Klubgelder veruntreut. Kunasek wird vorgeworfen, mehr über die Malversationen gewusst zu haben, als er gegenüber den Ermittlern angab. Die Ermittler legen außerdem nahe, dass Kunasek auch Beweismaterial unterdrückt oder sogar bewusst falsche Berichte weitergegeben haben könnte.

Die FPÖ teilte mit, dass Kunasek dem Begehr der Staatsanwaltschaft zustimmen werde. Das Auslieferungsansuchen kam nicht überraschend, im Gegenteil. Überraschend war, wie lange es gedauert hatte, machte die Kripo doch schon seit Monaten Druck auf die Justiz, weil sie ohne Aufhebung der Immunität nicht weiterermitteln konnte. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hatte den Fall aufgrund der Gefahr der Befangenheit der Grazer Staatsanwaltschaft im Vorjahr übernommen.

Schwere Anschuldigungen

Doch seit Donnerstag hat man die Vorwürfe im Schreiben der Staatsanwaltschaft Klagenfurt schwarz auf weiß – und die sind nicht ohne: "Ausgehend von den zwischenzeitlichen Ermittlungsergebnissen besteht der Anfangsverdacht, Mario Kunasek habe zu den malversiven Handlungen der bisherigen Beschuldigten beigetragen", heißt es in einem Schreiben, das die Staatsanwaltschaft am Donnerstagmorgen an Medien ausgeschickt hat. Der ehemalige Verteidigungsminister bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Es geht um den Finanzskandal, der die Grazer FPÖ im Herbst 2021 in den Abgrund gerissen hatte – DER STANDARD berichtete mehrmals. Die damalige Parteispitze rund um Ex-Vizebürgermeister Mario Eustacchio trat zurück, gegen ihn und fünf andere Personen wird wegen Betrugs, Untreue und im Falle zweier Männer wegen NS-Wiederbetätigung ermittelt.

Kunasek hatte als Landesparteichef gebetsmühlenartig wiederholt, alles zu tun, um zur Aufklärung der Finanzaffäre beizutragen, dies aber mit seinen politischen Handlungen konterkariert: Denn jene in der Stadtpartei, die Widersprüche und Ungereimtheiten offen ansprachen, wurden allesamt aus der FPÖ ausgeschlossen – von Kunasek und Bundesparteichef Herbert Kickl. Sie haben mittlereweile mit der Stadträtin Claudia Schönbacher einen neuen Gemeinderatsklub, den (Korruptions-)Freien Gemeinderatsklub Graz (KFG), gegründet.

Vorwürfe bestritten

Für die Staatsanwaltschaft Klagenfurt steht Kunsaek nun im Verdacht, als "Beitragstäter" und "in seiner Funktion als Landesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Steiermark in Kenntnis der Tathandlungen diese bewusst nicht unterbunden" zu haben.

Er stehe daher selbst im Verdacht, "das Verbrechen des Förderungsmissbrauchs, das Verbrechen der Veruntreuung und das Verbrechen der Untreue" begangen zu haben, so die Staatsanwaltschaft. Im Landtag war das Schreiben am Donnerstagnachmittag noch gar nicht bekannt. Man habe zuerst aus den Medien vom Antrag auf Aufhebung der Immunität erfahren, hieß es auf Nachfrage bei mehreren Parteien.

Der Auslieferungsantrag wird nur einen Tag vor dem Stadtparteitag am Freitag der stark dezimierten Grazer FPÖ bekannt. Dort soll der designierte neue Parteichef Axel Kassegger gekürt werden. Bei einem Rundruf des STANDARD in den Klubs der anderen Landtagsparteien vor mehreren Wochen gaben diese an, sich von Kunasek zu erwarten, sich freiwillig auszuliefern, da er immer angegeben habe, für die Aufklärung des Finanzskandals zu sein.

Grüne fordern volle Aufklärung

In ersten Reaktionen hatten ÖVP, SPÖ, Grüne, KFG und Neos Kunasek am Donnerstag aufgefordert, sich freiwillig auszuliefern. Es sei inakzeptabel, dass politische Vertreter unter dem Verdacht stünden, Steuergelder zu veruntreuen, und sich möglicherweise der Strafverfolgung entziehen, teilten ÖVP-Klubobfrau Barbara Riener und SPÖ-Klubobmann Hannes Schwarz mit. Über das weitere Vorgehen seitens der Koalition wollte man entscheiden, wenn der Auslieferungsantrag mit den konkreten Vorwürfen vorliege und Kunasek sich nicht stellen wolle.

Deutlich wurde auch der grüne Klubchef Lambert Schönleitner: "Ich gehe davon aus, dass Kunasek selbst für die Aufhebung seiner Immunität eintreten wird. Außerdem erwarten wir uns von der FPÖ, dass sie für die volle Aufklärung des Grazer FPÖ-Finanzskandals sorgt. Hier sind noch viele Fragen offen." Die KPÖ werde dem Auslieferungsantrag "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zustimmen", heißt es von einem Sprecher der sterischen Kommunisten, die sich allerdings auch erwarten, dass Kunasek dem vorgreife.

Die FPÖ kritisierte in einer Aussendung, dass der Antrag kurz vor der Kärntner Landtagswahl gestellt wurde. Generalsekretär Christian Hafenecker vermutet, das "Establishment" schalte kurz vor der Kärnten-Wahl den "tiefen Staat auf Hochtouren". Eine Aussage, die an "Deep State"-Verschwörungstheorien erinnert. Anders sehen das die ehemaligen Mitstreiter vom KFG, Stadträtin Schönbacher und Klubchef Alexis Pascuttini: " Das 'System Mario' könnte damit ein Ende finden", heißt es in deren Aussendung. (Colette M. Schmidt, 2.3.2023)