Zerstörtes Boot in Kalabrien – ein Zeugnis der Tragödie.

Foto: EPA/CARMELO IMBESI

Es ist zu einem frustrierenden Ritual geworden: Nach schlimmen Flüchtlingsdramen wie jenem vom Sonntag in Kalabrien sind das Entsetzen und die Betroffenheit jeweils groß. Dann folgen die gegenseitigen Schuldzuweisungen, von links nach rechts und umgekehrt. Und schließlich, unausweichlich, das große Vergessen und Verdrängen.

Die simple Wahrheit ist: Die Politik ist vom epochalen Phänomen der Flüchtlingsströme überfordert. Die Rechte kann zwar, wie in Italien, mit der Hetze gegen Einwanderer Wahlen gewinnen – aber die Zahl der Bootsflüchtlinge steigt dennoch sprunghaft an. Und die Linke vergisst nur allzu oft, dass der Aufnahmebereitschaft nicht nur psychologische Grenzen gesetzt sind, sondern mitunter auch praktische. Das erlebt Deutschland gerade mit den Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern, die außerhalb ihrer Heimat Schutz suchen: Es wird immer schwieriger, sie auf menschenwürdige Art und Weise unterzubringen.

Fluchtursachen bekämpfen

Die einzige Möglichkeit, die globalen Fluchtbewegungen einzudämmen, bestünde darin, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Das würde aber – ähnlich wie die Bekämpfung des Klimawandels – ein hohes Maß an Einsicht und ein noch höheres Maß an finanziellem Einsatz bedingen. Dass dies geschieht, ist wenig wahrscheinlich. Und so werden die Opfer von Krieg und Verfolgung, von Hunger und Armut, weiterhin zu uns kommen. Vielleicht könnte sich die Politik wenigstens auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen: dass die Parteien aufhören, auf dem Buckel dieser Menschen ihr politisches Süppchen zu kochen. (Dominik Straub, 2.3.2023)