Jobsharing ermöglicht zweimal Teilzeit, in Stunden aber Vollzeit für den Arbeitgeber.

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Wer heute keine neuen Arbeitszeitmodelle anbietet, wird bald keine Arbeitskräfte mehr finden, so der Tenor in der Wirtschaft. Ob Viertagewoche, Arbeitszeitverkürzung oder hybrides Arbeiten – irgendein Zuckerl muss jede Firma bieten. Ein Konzept jedoch, das Teilzeit und Vollzeit gleichzeitig möglich machen soll, ist das Jobsharing. Zwei Personen, zweimal 20 Stunden.

Vor allem bei Führungsaufgaben gilt traditionell: in Teilzeit unmöglich. Wer im Chefsessel sitzt, sollte am besten immer erreichbar sein und für den Job leben. Doch selbst Top-Stellen lassen sich teilen, zeigt eine Studie von abz Austria, PwC und der Industriellenvereinigung. In der Befragung von 177 Führungskräften zu dualer Führung gaben 65 Prozent an, sie könnten sich vorstellen, ihre Position zu teilen. Ein Drittel der Befragten übte bereits eine Doppelspitze aus.

Jobsharing kann Unternehmen dabei helfen, Menschen mit Teilzeitwunsch zu binden und gleichzeitig nicht weniger Kapazitäten zu haben, ist Katharina Miller überzeugt. Sie ist zusammen mit Sigrid Uray Co-Gründerin von Jobtwins. Ihr Geschäftsmodell beruht darauf, Unternehmen schnell mit dem Jobsharing vertraut zu machen. Gerade arbeiten sie etwa mit dem Drogerieunternehmen DM zusammen, wo Mitarbeiter sich bereit oder bald schon Positionen teilen.

Matchmaking für die Stelle

Auf der digitalen Plattform von Jobtwins sucht ein Algorithmus aus, welche Menschen gut als Duo zusammenarbeiten könnten. "Wenn es klappt, kann dabei zum Wissenstransfer und der Wiedereingliederung beigetragen werden, aber auch mehr Alters- und Karenzteilzeit ermöglicht werden", sagt Miller. Doch bedeuten mehr Mitarbeiter nicht auch mehr Kosten für Firmen? Nicht unbedingt, sagt Miller, die Lohn- und Nebenkosten würden bei zwei Teilzeitstellen gleich bleiben. Nur könnten bei der Einarbeitung mehr Stunden anfallen – und das Unternehmen muss natürlich doppelt Arbeitsgeräte zur Verfügung stellen. Rund zehn Prozent finanziellen Mehraufwand würde Jobsharing für Firmen bedeuten.

Um aber etwa ältere Personen in Beschäftigung zu halten oder junge Menschen, für die nur noch ein Teilzeitmodell infrage kommt, anzuwerben, ist der Aufwand gerechtfertigt, ist Miller überzeugt. Selbst der Gleichstellung der Geschlechter könne man damit näherkommen, so die Gründerinnen. Denn würde sich Jobsharing vielerorts etablieren, würden auch Männer immer häufiger in Karenz oder in Teilzeit arbeiten gehen.

Sie sind schon seit 16 Jahren ein Führungsteam.
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Manuela Vollmann & Daniela Schallert: Geschäftsführerinnen der ABZ*Austria

Sie haben schon alle Varianten ausprobiert: von zehn bis vierzig Stunden Arbeit in der Woche. "Das Schöne ist, dass wir unsere Stundenanzahl als Führungsduo ganz flexibel gestalten und immer wieder neu anpassen können. Je nach Lebenssituation", sagt Daniela Schallert. Sie und Manuela Vollmann sind schon seit 16 Jahren die Geschäftsführerinnen der Non-Profit-Frauenorganisation abz Austria. Gerade in unsicheren Zeiten – je nachdem wie viele Aufträge und Arbeit es gibt – sei es für Unternehmen von Vorteil, die Stundenzahl je nach Situation zu ändern.

Nach dem Motto zwei Hirne wissen mehr, vier Augen sehen mehr, schätzen sie die Zusammenarbeit sehr. Da sie sich die operativen Aufgaben aufteilen, können beide besser inhaltlich involviert sein. Alle wichtigen Entscheidungen, wie zum Beispiel die Strategie und Ausrichtung der Firma, treffen sie aber gemeinsam. Da sie sich ein Büro teilen, brauchen sie nicht viel Zeit für die Abstimmung. Telefonate bekommt die andere dadurch automatisch mit und sollte eine einmal nicht im Haus sein, schreibt man sich kurz online.

"Ob Bildungskarenz, Mutterschutz, Altersteilzeit oder als Generationenprojekt: Sharing-Modelle lohnen sich immer!" Davon ist Manuela Vollmann überzeugt. Beide Frauen sind sich einig: Sie ergänzen einander gut. Die eine liebt Struktur, die andere sprüht nur so vor Ideen. Eine Doppelung hätte ihrer Meinung nach nur wenig Mehrwert. Statt also eine Managerin oder einen Manager anzustellen, die oder der mit Überstunden wesentlich mehr als 40 Stunden arbeitet und dadurch eventuell mehr Fehler macht oder bald ausgelaugt ist, wäre es besser, gleich zwei Personen anzustellen.


Sie haben unterschiedliche Glaubenssätze, aber dasselbe Ziel.
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Marlis Heintschel & Nina Leindecker-Purrer: Sales Tribe Leader bei A1 Telekom Austria

Vor rund zwei Jahren wurden die beiden im Zuge einer Umstrukturierung als Führungsduo eingesetzt. Seitdem arbeiten sie im Vertrieb von A1 Telekom Austria mit dem Ziel, die A1-Shops zu digitalisieren. Jede betreut die Themen, die ihr besser liegen. Ihre rund 70 Mitarbeitenden können sie aber beide jederzeit zu allen Themen ansprechen.

"Oft wird Shared Leadership als reines Teilzeitmodell gesehen. Mir ist wichtig zu betonen: Egal mit welcher Stundenanzahl oder in welcher Lebenssituation – es ist immer ein Gewinn, sich die Führung zu teilen!", sagt Marlis Heintschel. In ihrem Fall arbeitet eine der beiden 25 Stunden, die andere Vollzeit. Selbst als sie beide in Teilzeit arbeiteten und kleine Kinder hatten, hat die Zusammenarbeit gut funktioniert, und die Aufgaben im Unternehmen haben nicht darunter gelitten.

Wie kann es funktionieren, eine Position zu teilen? Es brauche den Willen Macht abzugeben und der anderen blind zu vertrauen, sagen beide. Auf Augenhöhe zu arbeiten ist für sie ebenfalls eine Grundvoraussetzung. Ihre Glaubenssätze sind zwar unterschiedlich, doch ihre Ziele und ihre Arbeitsweise gleichen sich. "Wir sind sehr strukturiert. Deshalb kosten uns die Abstimmungen nicht viel mehr Zeit, als wenn wir allein arbeiten würden", sagt Heintschel. Beide sind von ihrer dualen Führungsrolle so überzeugt, dass sie mittlerweile im Unternehmen Workshops und Vorträge über Shared Leadership halten. "Ich bin schon länger in der Firma und habe auf verschiedenste Weise gearbeitet. Deshalb ist mir klar: Ich möchte nie wieder anders arbeiten!", sagt Leindecker-Purrer. (Natascha Ickert, Melanie Raidl, 6.3.2023)