Das Tanzquartier zeigt das Stück "Soiled" nach seiner Hamburger Uraufführung jetzt erstmals in Österreich.

Michael Loizenbauer

Schmutzig ist man nicht gern, denn Sauberkeit gilt als Ausdruck von Zivilisiertheit. Wir unterscheiden zwar zwischen ordentlich gewaschen und übertrieben geschniegelt, aber unsere Gesellschaft braucht trotzdem gewisse kulturelle Kompensationen für ihre Verbannung des Schmutzes.

Also darf sich anpatzen, wer bestimmte Arbeiten oder Freizeittätigkeiten verrichtet. Manche mögen auch "dirty sex" oder schmierige Witze. Beim Schlammringen ist Matsch Kult, und Actionfiguren wie John McClane (Bruce Willis) in "Die Hard" zum Beispiel bekommen ihren Dreck hochprofessionell auf den Leib gepickt.

Eine ähnliche Ersatzleistung wird auch bei "Soiled", der neuen Performance des Wieners Michael Turinsky, zelebriert. Das Tanzquartier zeigt das Stück nach seiner Hamburger Uraufführung jetzt erstmals in Österreich. Schon in Turinskys früher Arbeit "My Body, your pleasure" (2014) flog der Pudding und pappte sich über Haut und Haar.

Politische Botschaft

Jetzt geht es in "Soiled" für die drei Figuren auf der Bühne – David Bloom, Sophia Neises und Liv Schellander – erdiger, eventuell sogar öliger zu. Die Botschaft dahinter politisch gemeint. Michael Turinsky mit seiner Körperbehinderung könnte gewissermaßen als ein österreichischer Raimund Hoghe verstanden werden, wenn auch eher philosophisch als literarisch und verschwenderischer in seiner Ästhetik.

Was beide verbindet, ist der Blick ins Utopische – für Turinsky auf einen "bodennahen" Körper, der sich eben nicht als aseptisch hyperproduktiv aufführt, sondern stoffwechselt und schmutzt. Und diese Emanzipation, siehe "My Body, your pleasure", zeigt sich als mit Scham verscheuchender Lust erfüllt.

Dieser Kampf gegen Ausgrenzungen hat in der Performance eine Tradition, die unter anderem bis zu Carolee Schneemanns "Meat Joy" und dem Wiener Aktionismus zurückreicht: als Opposition gegen den inneren Dreck von Saubermännern, die äußerlich gerne mit disziplinärem Furor und wahnhaftem Purismus zu politischen Reinigungsaktionen antreten. (Helmut Ploebst, 2.3.2023)