Ob im Fitnessstudio oder draußen in der Natur: Sport tut in jedem Fall gut. Dabei kommt es nicht unbedingt auf Dauer und Intensität an. Bereits kleine Einheiten helfen, den Körper gesünder und fitter zu halten.

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Der Frühling macht sich bemerkbar, und die Lust auf Sport steigt. Runter von der Couch und raus an die frische Luft heißt die Devise. So manche sind dabei besonders motiviert, wollen beim Training wirklich alles richtig machen – und lassen sich von hartnäckigen Fitnessmythen verunsichern. Und der innere Schweinehund schreit auf bei der Behauptung, dass die Fettverbrennung erst nach einer halben Stunde startet – wenn ein einfacher Spaziergang nichts verändert, könne man doch gleich auf der Couch liegen bleiben. Doch das ist natürlich Blödsinn.

Fakt ist: Jede Bewegung ist gesund. Wer Sport treibt, stärkt sein Herz-Kreislauf-System und senkt das Risiko für schwere Erkrankungen. Die WHO empfiehlt für Erwachsene 150 bis 300 Minuten moderaten Sport oder 75 bis 150 Minuten intensives Training pro Woche. Auch eine Kombination aus beidem ist möglich, und mehr ist natürlich immer in Ordnung. Moderate Bewegung bedeutet übrigens, dass man sich dabei theoretisch noch gut unterhalten kann, etwa Walken, langsames Joggen oder Radfahren.

Für richtige Bewegungsmuffel gibt es übrigens eine erfreuliche Nachricht: Eine Studie, die soeben im Fachmagazin British Journal of Sports Medicine veröffentlicht wurde, zeigt, dass bereits elf Minuten Spazierengehen pro Tag einen positiven Effekt erzielen kann. Die Forschenden fanden heraus, dass selbst diese kurze Bewegung einen von zehn vorzeitigen Todesfällen verhindern kann. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen war in diesem Fall um 17 Prozent und das Krebsrisiko um sieben Prozent gesenkt. Es reiche demnach schon aus, täglich eine Bushaltestelle früher auszusteigen oder auch das Auto etwas weiter weg zu parken als üblicherweise und den Rest der Strecke zu Fuß zu gehen.

Obwohl es klar zu sein scheint, dass jede Bewegung bereits einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat, ist mehr natürlich besser. Wie man es richtig macht, ist aber oft die Frage. Denn gerade beim Thema Sport glauben viele, es ganz besonders gut zu wissen. Doch es gibt viele Binsenweisheiten und Mythen, die wissenschaftlich einfach nicht haltbar sind. DER STANDARD hat deshalb Expertinnen und Experten gefragt, welche Mythen man kübeln kann.

Fettverbrennung beginnt erst nach 30 Minuten

Dieser Mythos hält sich immer noch sehr hartnäckig. Die gute Nachricht gleich vorweg: Die Behauptung ist schlicht falsch. Robert Csapo, Professor für Trainingswissenschaft am Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport der Uni Wien, erklärt: "Auch in Ruhe werden Fettsäuren oxidiert, also unter Verwendung von Sauerstoff verstoffwechselt." Wie viel Fett man bei einer Aktivität tatsächlich verbrennt, hängt "von der Intensität der körperlichen Anstrengung, dem Fitnessniveau und der Verfügbarkeit anderer Energieträger, etwa wie gut die Kohlenhydratspeicher gefüllt sind, ab", sagt Csapo weiter.

Ein weiterer Irrglaube bei der Fettverbrennung ist, dass eine bestimmte Herzfrequenz erreicht werden muss, um mehr Fett zu verbrennen. "Das stimmt so nicht. Prinzipiell gilt: Je schneller man läuft, desto mehr Energie wird pro Zeiteinheit verbraucht", weiß Elisabeth Niedereder, Sportwissenschafterin bei Tristyle. Das heißt: Läuft man fünf Kilometer in 30 Minuten, verbrennt man genauso viele Kalorien wie jemand, der fünf Kilometer in 60 Minuten schafft, obwohl es doppelt so lange ist.

Muskelkater ist ein gutes Zeichen – dann habe ich genug trainiert

Man stemmt Gewichte im Fitnessstudio und spürt am nächsten Tag jeden Muskel im Körper. Fühlt sich irgendwie gut und effizient an, aber ob ein Training erfolgreich ist, zeigt sich nicht unbedingt durch schmerzende Muskeln – ganz im Gegenteil. Michael Koller, Sportwissenschafter in der Sportordination Wien, weiß: "Muskelkater ist ein Signal von Überforderung. Dabei kommt es in der vollen Ausprägung zu Mikroschäden in der Muskulatur. Diese sind insbesondere für den Krafttrainingsreiz wichtig, der Muskel baut sich in der Folge auf. Es ist aber nicht erstrebenswert, immer einen Muskelkater zu haben." Er empfiehlt, das Training so zu strukturieren, dass Körper und Muskeln dazwischen Zeit haben, sich wieder zu erholen.

Wer Muskelkater nach dem Training bekommt, braucht sich aber auch keine Sorgen zu machen, sagt Robert Csapo: "Die Mikroverletzungen beim Muskelkater sind in keiner Weise bedenklich und heilen innerhalb weniger Tage vollständig aus. Kurzfristig werden während der Heilung der beschädigten Muskelteile auch bindegewebsartige Strukturen im Inneren des Muskels verstärkt, dadurch ist der Muskel vor einer neuerlichen Konfrontation mit einem ähnlichen Belastungsreiz besser geschützt." Sprich: Wer neue Muskeln im Körper trainiert, wird vermutlich Muskelkater spüren. Umgekehrt werden Hochtrainierte bei ihrer normalen Fitnessroutine auch dann keinen Muskelkater spüren, wenn sie sehr hart trainiert haben.

Mit Sport kann man eine Erkältung rausschwitzen

Man ist mittendrin im Training, und dann kommt eine Erkältung – das empfinden so manche als nervige Unterbrechung. Und so schlecht, dass man nicht mehr trainieren kann, fühlt man sich doch gar nicht. Kann in diesem Fall Sport helfen, schneller wieder fit zu werden? "Nein", sagt Sportwissenschafter Koller. "Wenn man bereits eine Erkältung hat, kann Schwitzen natürlich helfen." Aber dafür sorgt der Körper ganz von allein, etwa durch erhöhte Körpertemperatur. "Durch Sport kommt es zwar auch zu einer Erhöhung der Körperkerntemperatur, aber meist erst bei einer Belastung, die so intensiv ist, dass unser Immunsystem durch die Anstrengung in den sogenannten Open-Window-Effekt fällt. Es wird durch die Anstrengung geschwächt, das bietet Viren und Bakterien ein Einfallstor."

Regelmäßiger Sport hilft aber, schneller wieder gesund zu werden, wenn man sich eine Erkältung eingefangen hat. "Man nimmt an, dass die durchschnittliche Dauer einer Erkältung bei Personen, die regelmäßig Ausdauertraining betreiben, rund 40 Prozent kürzer ist als bei körperlich inaktiven Personen", weiß Sportwissenschafter Csapo. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass körperliche Aktivität mit moderater Intensität die Symptome bereits bestehender Infekte der oberen Atemwege lindern kann. Doch der Experte warnt: "Hier ist auf jeden Fall Vorsicht geboten, denn große Anstrengungen können die Funktionalität des Immunsystems beeinträchtigen und einen unerwünschten Anstieg von Stresshormonen bedingen. Ein Spaziergang an der frischen Luft ist in Ordnung, ein High-Intensity-Intervall-Training im Fitnessstudio eher nicht. Wichtig ist, auf den eigenen Körper zu hören und auf übermäßige Anstrengung zu verzichten."

Wer Seitenstechen bekommt, atmet falsch

Man startet beim Laufen durch, und auf einmal sticht es so stark in der Seite, dass man sich fast krümmt – schnelles Weiterlaufen unmöglich. Die Ursachen für Seitenstechen sind immer noch nicht restlos geklärt. Damit, dass man untrainiert ist, hat es nur bedingt zu tun, auch erfahrene Athleten kennen es. Elisabeth Niedereder erklärt: "Seitenstechen tritt häufig auf, wenn man zu knapp vor dem Training gegessen oder auch zu viel getrunken hat, vor allem wenn es kohlensäurehaltige Getränke waren." Wer Seitenstechen beim Sporteln bekommt, sollte "runter vom Gas gehen und sich mehr Zeit fürs Warm-up nehmen".

Auch Sportwissenschafter Csapo empfiehlt ein gründliches Aufwärmen zu Beginn. Zudem können "tiefes und rhythmisches Atmen und eine aufrechte Körperhaltung während des Sports dabei helfen, Seitenstechen vorzubeugen".

Vor dem Sport sollte man dehnen

Die einen schwören darauf, bereits zu Beginn des Trainings die Muskeln zu dehnen, andere sind überzeugt, dass es danach viel mehr Sinn macht. Was ist nun richtig? "Es kommt darauf an", sagt Michael Koller. Er erklärt: "Statisches Dehnen, also wenn die Dehnposition länger gehalten wird, nimmt die Spannung vom Muskel, der Muskeltonus wird gesenkt. Das führt zu Leistungsverlust, außerdem kann es die Verletzungsanfälligkeit fördern." Dynamisches Dehnen, also mehrmals in eine Position hinein- und wieder hinausgehen, macht dagegen vor dem Sport absolut Sinn. Denn das senkt den Muskeltonus nicht, die Muskulatur wird durch die dynamischen Bewegungen gut auf die Belastung vorbereitet.

Ausnahmen sind jene Sportarten, die eine große Beweglichkeit erfordern. Robert Csapo erklärt: "Bei manchen Aktivitäten, etwa bei der Gymnastik, kann das Senken des Muskeltonus durchaus gewünscht sein." Dann kann man auch vor dem Training statisch dehnen.

Krafttraining lässt Frauen aussehen wie Bodybuilderinnen

Frauen machen Ausdauertraining, Männer heben Gewichte – diese Einstellung kennt Hannes Woschner, Inhaber von Five Training, nur zu gut. Er erzählt: "Erstaunlich viele Frauen fürchten sich davor, dass sie durch Krafttraining zu schnell zu viel Muskelmasse aufbauen." Diese Angst ist aber vollkommen unbegründet. "Ja, Frauen können, genauso wie Männer, mit der richtigen Ernährung und der richtigen Trainingsintensität einen starken Muskelzuwachs verbuchen. Aber sie werden dadurch nicht zu Bodybuilderinnen." Bei dieser Annahme wird nämlich übersehen, dass Bodybuilding Leistungssport ist. "99 Prozent der Hobbysportlerinnen werden nie die Intensität und Frequenz erreichen, um so auszusehen", weiß Woschner. Und er betont, dass mehr Muskelmasse auch deshalb Sinn macht, weil es einen höheren Kalorienumsatz bringt. Außerdem hilft eine gut trainierte Muskulatur auch bei Ausdauersportarten, Verletzungen zu vermeiden. (Jasmin Altrock, 4.3.2023)