Ischgl stand im März 2020 im Fokus der Corona-Berichterstattung.

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Zahlreiche Ischgl-Kläger haben bei ihrem Bestreben, die Republik Österreich wegen Corona-Versagens haftbar zu machen, einen Rückschlag erlitten. Wie der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem aktuellen Urteil entschieden hat, gilt die Pandemie rechtlich als "Katastrophe" und damit als "außergewöhnliches Ereignis", das von vielen Rechtsschutzversicherungen nicht gedeckt ist. Betroffene müssen die Verfahren gegen die Republik Österreich nun selbst finanzieren. Im Fall einer Niederlage würden sie endgültig auf den Kosten sitzenbleiben (OGH 25.1.2023, 7 Ob 196/22g).

Zur Erinnerung: Im Herbst 2021 waren zahlreiche Ischgl-Urlauber gegen die Republik vor Gericht gezogen. Der Vorwurf: Sie selbst oder ihre Angehörigen hätten sich aufgrund eines "Behördenversagens" in Tirol mit Covid-19 angesteckt. Verantwortlich sei die Republik, die für Amtsträger haftet, die bei Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 zu lasch agiert hätten. Unter den Klägerinnen und Klägern war auch eine Frau, deren Mann aufgrund einer Corona-Infektion verstarb. Er war am 13. März 2020 wie viele andere unter chaotischen Bedingungen in einem überfüllten Bus abgereist. Für die Hinterbliebene ist die Sache klar: Hätten die Behörden rechtmäßig und unverzüglich gehandelt, wäre ihr Mann nie erkrankt und noch am Leben.

Keine Haftung für "Naturereignis"

Inhaltlich sind die zahlreichen Ischgl-Verfahren noch nicht entschieden. Der Versuch, die Kosten dafür auf die Rechtsschutzversicherungen zu übertragen, ist nun aber gescheitert. Im Gegensatz zu deutschen Versicherungen haben alle österreichischen die Übernahme der Verfahrenskosten abgelehnt – in den meisten Fällen wohl zu Recht. Die Versicherungen, im aktuellen Fall die Allianz, dürfen sich laut dem OGH auf eine Klausel berufen, nach der sie nicht für "Katastrophen" haften.

Laut den Vertragsbedingungen, die bei der Mehrheit der Versicherer üblich sind, ist eine Katastrophe ein "Naturereignis, durch das dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht". Genau das sei bei Covid-19 der Fall gewesen, heißt es in der OGH-Entscheidung. Die Pandemie sei eine "weltweite, praktisch alle Lebensbereiche erfassende Krise" gewesen, die wegen der "damals nicht verfügbaren wirksamen Medikation und Impfung eine enorme Zahl an Erkrankten und Toten forderte".

Verfahren weiter offen

Insgesamt wurden in den Klagen gegen die Republik und gegen das Land Tirol laut dem Verbraucherschutzverein (VSV) von Peter Kolba rund sieben Millionen Euro geltend gemacht. Weitere Klagen oder Zahlungsaufforderungen müssten bis Mitte März eingebracht werden, weil die Ansprüche zu diesem Zeitpunkt verjähren. Der VSV hat deshalb zuletzt eine weitere Sammelklage für 121 Covid-Infizierte gegen das Land Tirol gestartet.

Der Ausgang der Verfahren ist alles andere als sicher. Das Landesgericht Wien wies vergangenes Jahr zahlreiche Klagen in erster Instanz ab, das Oberlandesgericht Wien hob diese Entscheidungen allerdings wieder auf. Das Argument: Es sei zumindest theoretisch möglich, dass der Staat für Falschinformationen im Zuge des Pandemiemanagements haftet, die Gerichte müssen deshalb zusätzliche Beweise einholen. Die Finanzprokuratur, die die Republik in dem Verfahren vertritt, hat diese Entscheidung vor dem OGH angefochten. Ein erstes Urteil könnte bereits in den nächsten Monaten ergehen. (Jakob Pflügl, 2.3.2023)