Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat Hoffnungen auf eine baldige Unterzeichnung des EU-Vorschlags für ein Abkommen zwischen den beiden Staaten zerschlagen. Am vergangenen Montag hatte er sich in Brüssel mit EU-Vertretern und dem kosovarischen Premier Albin Kurti getroffen. Nun, am Donnerstag, sagte er nach seiner Rückkehr nach Belgrad, er werde das Abkommen wegen jener Punkte nicht unterschreiben, die sich auf die gegenseitige Anerkennung und den Beitritt Kosovos zu den Vereinten Nationen beziehen.

Aleksandar Vučić (links) und Albin Kurti (rechts) am vergangenen Montag in Brüssel.
Foto: Reuters / Johanna Geron

Er schloss jedoch nicht aus, dass er das Abkommen in abgeänderter Form unterzeichnen könnte. "Wir sind bereit, den Umsetzungsplan auszuhandeln – aber ich werde ihn nicht unterzeichnen", so Vučić. Auf die Frage, welche Chancen es gebe, den europäischen Vorschlag zu ändern, antwortete er allerdings: "Keine."

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte am Montag gemeint, dass es keine Notwendigkeit mehr geben würde, weitere Treffen zu dem EU-Vorschlag zu machen. Es ginge jetzt um die Umsetzung.

UN-Mitgliedschaft unrealistisch

In Artikel vier des Elf-Punkte-Abkommens, das von der EU veröffentlicht wurde, heißt es: "Die Parteien gehen davon aus, dass keiner der beiden den anderen im internationalen Raum vertreten oder in seinem Namen handeln kann. Serbien wird keine Einwände gegen die Mitgliedschaft des Kosovo in einer internationalen Organisation erheben." Die UN-Mitgliedschaft ist aber ohnedies keine realistische Option für den Kosovo, weil Russland und China als Vetomächte des UN-Sicherheitsrats diese verhindern würden. Die UN-Mitgliedschaft ist auch nicht explizit in dem Abkommen genannt.

Es bleibt daher undurchsichtig, weshalb Vučić die UN-Mitgliedschaft, die überhaupt nicht zur Debatte steht, als Grund für die Nichtunterzeichnung angibt. Möglicherweise geht es ihm darum, Zeit zu gewinnen. Für die serbische Regierung ist die ungelöste Kosovo-Sache ein wichtiges Instrument, um sich außenpolitisch Gehör zu verschaffen und von und in der EU Aufmerksamkeit, Geld und Einfluss zu erhalten. Aus machtpolitischer Sicht gibt es deshalb möglicherweise gar kein Interesse, die Kosovo-Frage zu lösen.

Kurti hätte unterschrieben

Interessant ist, dass in den vergangenen Wochen Diplomaten – vor allem jene aus Deutschland – davon ausgingen, dass Kurti möglicherweise das Abkommen nicht unterzeichnen würde. Wie sich am Montag zeigte, war dies jedoch keinesfalls so. Kurti wollte bereits am Montag das Abkommen signieren, der Widerstand kommt vielmehr von Vučić.

Kurti schrieb nun auf Twitter: "Serbiens Präsident hat gestern Abend geschworen, sich gegen die Mitgliedschaft Kosovos in der Uno zu stellen. Dies wäre ein klarer Verstoß gegen Artikel vier des EU-Vorschlags. Eine Normalisierung der Beziehungen ist nur möglich, wenn beide Parteien in gutem Glauben verhandeln. Serbien hat sich offenbar dagegen entschieden."

Dodik blockiert Reisefreiheit

Unterstützung bekommt die serbische Regierung indes von dem bosnisch-serbischen Nationalisten, Kreml-Freund und Chef der Partei SNSD, Milorad Dodik. Dieser blockiert nun nämlich das Abkommen mit dem Kosovo, das vergangenes Jahr in Berlin unterschrieben wurde und das besagt, dass Kosovaren und Kosovarinnen visafrei nach Bosnien-Herzegowina und Bosnierinnen und Bosnier visafrei in den Kosovo einreisen können sollen. Bosnien-Herzegowina erkennt die Unabhängigkeit und Staatlichkeit des Kosovo wegen des Widerstands serbischer Nationalisten nicht an.

Dodik begründete seine Blockade mit der angeblichen Notlage der serbischen Minderheit im Kosovo. Der Präsident des bosnischen Landesteils Republika Srpska, sagte, er werde "keine Fortschritte in dieser Frage zulassen". Bosnien-Herzegowina müsste nämlich ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Dodik meinte: "Wir haben es abgelehnt, der Ministerrat hat es auch nicht verabschiedet."

Seine Partei, die SNSD, ist Teil der neuen Regierung auf Staatsebene in Bosnien-Herzegowina und in dieser Funktion sehr mächtig. Dodik kann praktisch alles blockieren. Das Abkommen, das auf großes öffentliches Interesse stieß, wurde bereits am 23. Februar von der Regierung des Kosovo ratifiziert.

Anklagen gegen Thaci und Co

Im Kosovo selbst wurden indes Details zu den Anklagepunkten gegen den früheren Premierminister Hashim Thaçi vom Sondergericht für Kriegsverbrechen veröffentlicht. Das Gericht in Den Haag will im April mit Verfahren gegen vier ehemalige Mitglieder der Kosovo-Befreiungs-Armee (UÇK) beginnen. Die neueste Version der Anklageschrift, die am 27. Februar von der Staatsanwaltschaft eingereicht wurde, enthüllt auch die Namen einiger Albaner, Serben und Roma, die Opfer der Kriegsverbrechen waren, sowie Einzelheiten über Drohungen und Druck gegen die politischen Rivalen der UÇK.

Thaçi wird am 3. April zusammen mit Kadri Veseli, einem ehemaligen Sprecher des kosovarischen Parlaments, und den beiden Politikern Jakup Krasniqi und Rexhep Selimi vor Gericht gestellt. Die Anklageschrift wirft den vier Männern vor, im Rahmen eines "gemeinsamen kriminellen Unternehmens" zwischen März 1998 und September 1999 Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben und für fast 100 Morde strafrechtlich verantwortlich zu sein.

Misshandlung und Gewalt

Zu den "Methoden" der UÇK-Leute gehörten demnach "rechtswidrige Einschüchterung, Misshandlung, Gewaltanwendung und Entfernung von Personen, die als Gegner galten". Zu den Opfern gehören zwölf Serben, die im Jahr 2005 in einem Massengrab gefunden wurden. Sie wurden Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge am 19. Juli 1998 erschossen. (Adelheid Wölfl, 2.3.2023)