Die RBI kommt vom Regen in die Traufe: Dass sie in Russland noch immer aktiv ist, brachte der Bank Kritik ein. Jetzt interessiert sich das Institut auch noch für Reste der Sberbank Europe.

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Die Idee der Raiffeisen Bank International (RBI), die Reste der früheren Sberbank Europe zu übernehmen (Projektname "Red Bird"), sorgt weiterhin für viel Wirbel. Die Tochter der russischen Sberbank wurde ja, wie berichtet, unter Sanktionen gestellt und abgewickelt – jenes Vermögen, das noch vorhanden ist, schlummert nun in der in Liquidation befindlichen Sber Vermögensabwicklungs AG. Einer der Abwickler der Gesellschaft ist Alexander Witte, er war 2012 bis 2014 in der RBI tätig und übersiedelte Ende 2017 in den Vorstand der Sberbank Europe, der in Wien angesiedelten Europa-Zentrale der Moskauer Sberbank.

Sanktionen und die Folgen

Die Sberbank Europe wurde wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sanktioniert und in der Folge, wegen Liquiditätsmangels, abgewickelt – und diese Abwicklung ging rasch über die Bühne. Die Abwicklungsgesellschaft ist mangels Lizenz auch keine Bank mehr, an ihrem Vermögen gab es jedenfalls reges Interesse.

Der Erlös, der aus den Verkäufen erzielt wurde, durfte aber wegen der westlichen und der US-Sanktionen nicht nach Russland fließen – zur Moskauer Mutter –, es wurden aber Mittel und Wege gefunden, die Transaktionen trotzdem abzuwickeln, und zwar mit dem Sanktus der US-Sanktionshüter von der Ofac, die der RBI mittlerweile auch einen Fragenkatalog zu ihrem Russland-Geschäft geschickt hat.

Sondererlaubnis

So hat etwa die Bawag Assets im Wert von rund einer Milliarde Euro erstanden – das Geld dafür zahlte sie in die Einlagensicherung ein. Andere Käufer von Assets der Sber-Abwicklungsgesellschaft überwiesen ihre Zahlungen auf Konten von Treuhändern, die damit, zum Beispiel, Forderungen bedienten, die westliche Gläubiger gegen die russische Sberbank hatten. Diese von den Amerikanern ausgestellte Erlaubnis für Abwicklungstransaktionen war aber zeitlich begrenzt.

Wie viel die Assets wert sind, die nun noch in der Sber-Abwicklungsgesellschaft liegen, ist wie berichtet nicht klar. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und die FMA sind nicht mehr für die Gesellschaft zuständig, da sie ja keine Bank mehr ist; Einblick in deren finanzielle Verhältnisse haben die Bankenaufseher also nicht.

Zeitfrage

Die RBI hat ihren Vorstoß in Richtung Ex-Sberbank-Europe, der via Falter öffentlich wurde, sinngemäß auch damit gerechtfertigt, dass die OeNB als für Sanktionsangelegenheiten im Bankensektor zuständige Stelle ihre Zustimmung zur Erstellung einer Due Diligence erteilt habe. Laut STANDARD-Informationen stammte diese Zustimmung aber aus der Zeit, als die Sberbank Europe noch eine Bankkonzession hatte, also von vor dem 15. Dezember.

In der Sber-Abwicklungsgesellschaft liegen nun gemäß Schätzungen aus der Branche noch Bargeld (in der sogenannten Cash-Box) sowie Forderungspakete in der Höhe von einigen Hundert Millionen Euro, die Schätzungen reichen von 150 bis 400 Millionen Euro.

Die Werthaltigkeit dieser Positionen hängt aber davon ab, gegen wen diese Forderungen bestehen: Stehen sie in Bezug zu russischen Oligarchen oder russischen Unternehmen und Immobilien, ist ihr Wert wegen der Sanktionen gering. Andere noch nicht abgewickelte Portfolios, die nichts mit Russland und russischen Kunden zu tun haben, wären mehr wert und passten auch zum Geschäft der RBI mit Unternehmenskunden.

Kompensationsgeschäft?

Sollte deren Plan sein, diese Assets aus der Sber-Abwicklungsgesellschaft herauszukaufen, und der Erlös nicht nach Russland gehen, könnte das sanktionstechnisch auch möglich sein – heißt es in der Branche. Ob oder wie die RBI mit der angedachten Transaktion gedenkt, zu kompensieren, dass die Gewinne der Moskau-Tochter (zuletzt zwei Milliarden Euro, auch Dividenden dürfen nicht nach Wien ausgezahlt werden) in Russland bleiben müssen, ist bislang nicht klar.

Zu hören ist aber, dass die RBI mit dem Sberbank-Deal tatsächlich versuchen könnte, Vermögen zu tauschen: jenes in Russland gegen jenes der Abwicklungsgesellschaft – sofern die Behörden dieser Transaktion zustimmen. Hintergrund sind hier einmal mehr die Sanktionen. Nicht nur die RBI hat eingefrorene Assets in Russland – auch Russland kann aufgrund der Sanktionen auf Vermögenswerte im Westen nicht zugreifen.

Kratzer am Image

Dem ohnedies schon angekratzten Image der Bank, die den Löwenanteil ihres Gewinns in Russland macht und seit einem Jahr auch einen Rückzug aus Moskau prüft, hat das Bekanntwerden des Sber-Übernahmeplans nicht sehr gedient. Die Grünen haben am 1. März eine parlamentarische Anfrage dazu an Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) eingebracht, sie befürchten, dass eine Umsetzung des Projekts Österreich Schaden zufügen könnte. Eine Befürchtung, die Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nicht teilt, wie sie dem Ö1-Morgenjournal am Donnerstag sagte. Aus dem Finanzministerium heißt es jedenfalls, dass man die Anfrage der Grünen innerhalb der vorgegebenen Frist von acht Wochen beantworten wird.

Selbst im Raiffeisen-Sektor (die börsennotierte RBI gehört mehrheitlich den acht Raiffeisen-Landesbanken) ist die Idee umstritten, und auch die Bankenaufseher in der EZB, die für die RBI zuständig sind, sollen nicht begeistert sein. Die Kritik innerhalb des Sektors bezieht sich auch darauf, dass die RBI ihr Vorhaben nicht erklärt – allen voran sei Aufsichtsratspräsident Erwin Hameseder gefordert, das zu tun.

Deal or no deal

Allerdings geht man in der Branche gar nicht davon aus, dass die Transaktion noch umgesetzt wird – das vorzeitige Bekanntwerden mache das unwahrscheinlich, wie zu hören ist.

In der Ukraine – auch da hat die RBI eine Tochterbank – beobachtet man die Vorgänge in Wien naturgemäß mit Argusaugen; bis auf eines stehen alle RBI-Vorstandsmitglieder rund um RBI-Chef Johann Strobl auf der Prä-Sanktionsliste der Ukrainer, und der Chef der Moskauer RBI-Tochter sowie einer seiner Kollegen finden sich bereits auf der Liste der umgesetzten Sanktionen.

Unbestätigten Gerüchten zufolge planen die Ukrainer nun, selbst die ukrainische Raiffeisen-Tochterbank auf ihre Sanktionsliste zu setzen, zusammen mit anderen Gesellschaften in der Ukraine, die mit Feind Russland zusammenarbeiten. Zudem wartet die Ofac auf Daten der RBI zu Dollar-Transaktionen via Swift. (Renate Graber, 2.3.2023)