Das BMW-Motorenwerk in Steyr wächst. 2025 sollen im Dieselkompetenzzentrum die ersten Elektroantriebe vom Band laufen.

Foto: HO / BMW Group Steyr

Mit der Verlagerung der Produktion von Diesel- und Benzinaggregaten von München ins BMW-Motorenwerk Steyr wurde Oberösterreich zu einem von zwei Antriebszentren für Verbrennungsmotoren des bayerischen Autobauers weltweit. Wie sein Vorgänger versucht auch der neue Chef Klaus von Moltke Produktion und Entwicklung von E-Mobilität in Steyr auszubauen. Das Werk wird erweitert, 2025 laufen die ersten elektrischen Antriebe in Steyr vom Band.

STANDARD: Sie sind gebürtiger Venezolaner, waren für BMW weltweit im Einsatz – und sind jetzt im beschaulichen Steyr. Was haben Sie angestellt, dass sie von der Metropole München in die oberösterreichische Provinz verräumt wurden?

Von Moltke: (lacht) Ich wurde nirgendwohin "verräumt" und auch nicht nach Steyr "strafversetzt". Meine langjährige Erfahrung im Ausland hat dafür gesorgt, dass man mit diesen Fähigkeiten an diesen Standort kommt, und ich bin jetzt für den führenden Antriebsstandort der BMW Group verantwortlich. Und darauf bin ich durchaus stolz. Ich bin gut in Steyr angekommen. Voll integriert, wie man so schön sagt.

STANDARD: Bei Neuzulassungen in Österreich verzeichnete BMW zuletzt mit 16.316 Fahrzeugen ein Plus von 4,4 Prozent. Nach Modellen zeigt sich aber, dass etwa der X1 ein Minus von 34,7 Prozent verzeichnete, das sind tausend Stück weniger, und vom X3 wurden 3,5 Prozent (2.668 Stück) weniger verkauft. Der Mini ging ebenso um 15 Prozent (auf 2.202) zurück wie die 3er-Reihe (auf 1.962). Woran liegt dieser doch auffällige Rückgang?

Von Moltke: Ich spreche ungern über einzelne Entwicklungen von Produkten. Aber was wir in der Tat sehen, ist, dass wir einen Anstieg im Bereich der E-Mobilität haben und einen Rückgang bei den Verbrennern. Und diese Entwicklung begleiten wir als Antriebsstandort intensiv. Im Premiumsegement verzeichnen wir aber auch bei den Verbrennern einen Anstieg.

Der neue Geschäftsführer in Steyr, Klaus von Moltke, kommt aus der Produktionsplanung des Konzerns in München. Er weiß um den Kostendruck in der Produktion und kann das Stammhaus mit den eigenen Waffen schlagen.
Foto: HO / BMW Group Steyr

STANDARD: Der Anteil von Elektrofahrzeugen liegt in der EU bei überschaubaren 11,3 Prozent. Da gibt es ordentlich Luft nach oben – woran scheitert der Ausbau?

Von Moltke: Maßgeblich ist für uns die Entwicklung des Marktes. Und wir haben bereits mehr als eine Million elektrifizierte Fahrzeuge auf den Markt gebracht. 2022 waren es 15 vollelektrische Modelle, die wir zur Produktion gebracht haben. Unser Ziel ist es, bis Ende 2025 mehr als zwei Millionen Fahrzeuge auf die Straße zu bringen.

STANDARD: Das war nicht die Frage. Woran liegt es, dass vergleichsweise wenige E-Autos in privater Hand sind? Ist es der doch sehr hohe Preis? Die fehlende Ladeinfrastruktur? Der hohe Strompreis?

Von Moltke: Es ist sicher eine Mischung aller Faktoren. Aber letztlich ist das reine Spekulation. Ein wesentlicher Teil ist sicher die Infrastruktur. Aber diese Frage müssen Sie der Politik stellen. Das Angebot an Fahrzeugen ist jedenfalls vorhanden. Und für die Marke BMW sehen wir keinen Mangel an Nachfrage. Wir sind in Steyr ab 2025 in der Lage, 600.000 Einheiten an E-Maschinen pro Jahr zu produzieren.

Auf dieser Baustelle im BMW-Werk in Steyr werden bald Hallen stehen. Mehr als 300 Maschinen und Anlagen für die E-Antriebsproduktion sind bestellt.
Foto: HO / BMW Group Steyr

STANDARD: Die Nachfrage kommt hauptsächlich von Unternehmen, die ihre Flotten umstellen. Wie viel Potenzial sehen Sie in diesem Bereich noch?

Von Moltke: Ich will und werde hier nicht spekulieren. Wir sorgen dafür, dass wir den Markt mit Antriebskomponenten bedienen. Und wir sind in der Lage, die Marktanforderungen in unserem Segment zu bedienen.

STANDARD: Die Aktivitäten in Steyr in Sachen Elektromobilität sind vergleichsweise mickrig, hingegen werden die Hälfte aller Antriebsaggregate von BMW in Steyr gefertigt. Könnte sich die Aufwertung des Werks in Steyr durch die Verlagerung der Verbrennungsmotoren aus München im Lichte des von der EU beschlossenen Aus für Verbrennungsmotoren 2035 als Danaergeschenk erweisen? Ein Werk in Steyr lässt sich im Ernstfall leichter zusperren als eines in München ...

Von Moltke: Ich sehe diesbezüglich keine Gefahr. Wir haben unsere Verbrennerkapazitäten bewusst von München weg auf zwei Standorte fixiert – im englischen Hams Hall und eben in Steyr. Hier haben wir heute 4.400 Mitarbeiter beschäftigt, davon 700 im Bereich Entwicklung. Ein Drittel der Mannschaft beschäftigt sich also mit dem Thema E-Mobilität. 90 Prozent sollen es bis zum Jahr 2030 werden. Mit Produktion und Entwicklung an einem Standort sind wir für die Zukunft gut aufgestellt, ein Unique Selling Point im Konzern.

STANDARD: Ein großes Thema ist der Preis. Wann wird es leistbar für die breite Masse?

Von Moltke: Dazu werde ich nichts sagen. Es wäre reine Spekulation. Den Preis bestimmt letztlich der Markt.

STANDARD: Georg Brasseur, emeritierter Professor der Technischen Universität Graz, ist überzeugt, dass E-Autos genauso schnell verschwinden werden, wie sie gekommen sind. Vor allem weil es an Strom mangelt, ein unkontrollierter Zugang zu allen geplanten Ladestationen würde das Netz zusammenbrechen lassen, Hausanschlüsse fehlen überhaupt. Würden Sie diese These unterschreiben?

Von Moltke: Das Wachstum der E-Mobilität wird sicherlich davon abhängig ein, wie die Entwicklung der Stromversorgung aussieht. Wie bereits erwähnt: Die Ladeinfrastruktur muss von der Politik geschaffen werden. Dadurch, dass wir jetzt in Steyr beides machen – Verbrenner und Elektro –, sind wir gut auf die Zukunft vorbereitet. Aber wir haben keine Glaskugel, die uns sagt, wie sich die Weltmärkte entwickeln. Aber wir können liefern – egal in welche Richtung.

STANDARD: Wie viel von den 3,35 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2021 entfiel auf Antriebe und Komponenten für Elektrofahrzeuge?

Von Moltke: Konkrete Zahlen werde ich Ihnen jetzt nicht nennen. Und ich werde mich jetzt nicht zu einer Schätzung versteigen. Aber vier bis fünf Prozent der gesamten Produktionsmannschaft sind im Bereich E-Mobilität tätig.

Sieht unspektakulär aus, ist aber Präzisionsarbeit: die Herstellung von Gehäusen für Elektroautos.
Foto: APA / Barbara Gindl

STANDARD: BMW hat in Steyr reichlich investiert. Rund 37 Millionen Euro flossen in die Kapazitätsaufstockung bei E-Mobilitätskomponenten (460.000 Einheiten pro Jahr) plus eine zweite Linie E-Antriebsgehäuse. Wie entwickelt sich das, wie sehen die weiteren Pläne aus?

Von Moltke: Für den ersten Schritt der Transformation 2022 bis 2030 haben wir eine Milliarde Euro genannt. Und ein großer Teil davon sind die Investitionen in der Produktion. Und dann natürlich Investitionen im Personal- und Entwicklungsbereich.

STANDARD: Chinesische Hersteller wie BYD, Geely und Great Wall drängen massiv nach Europa. Mit hohen Reichweiten wollen sie das Elektrosegment erobern. Lässt Sie das noch ruhig schlafen?

Von Moltke: (lacht) Ich schlafe ausgezeichnet. Es kommen halt mehr und mehr neue Player auf den Markt. Wir sind allerdings mit unseren Produkten gut aufgestellt, in vielen Bereichen sind wir Vorreiter.

STANDARD: Viele elektrische Modelle sind in Europa wegen der anhaltenden Chipknappheit, die im Vorjahr auch in Steyr zu Kurzarbeit führte, nur mit langer Wartezeit zu haben. Da steht man doch im Vergleich zu den chinesischen Anbietern klar auf dem Pannenstreifen, oder?

Von Moltke: Ich würde ungern darüber spekulieren, wie sich die Lieferzeiten entwickelt haben. Wir wissen allerdings, dass es in Summe Engpässe gab und Fahrzeugwerke nicht in der gewohnten Stückzahl liefern konnten. Wir konnten aber sehr gut aufholen. Wegen Steyr wurde kein Fahrzeug weniger gebaut. Letztlich haben wir unsere Komponenten ans Netzwerk liefern können.

STANDARD: Hat man den Einstieg in den Elektromarkt – etwa im Vergleich zu Tesla – letztlich verschlafen und hinkt jetzt nach?

Von Moltke: Mit dem i3 und dem i8 waren wir sehr flott auf dem Markt und haben neue Maßstäbe gesetzt. Wir bedienen heute unseren Markt in der gewünschten Stückzahl und sehen eine absolut positive Entwicklung.

Bei der Präsentation von Investitionsplänen ist die Politik gern dabei. So auch im Juni 2022, als Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) neben BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljković saß, als der Startschuss für den Ausbau Richtung E-Mobilität in Steyr gefeiert wurde.
Foto: APA / Fotokerschi.at / Kerschbaummayr

STANDARD: Erwarten Sie bei der Transformation mehr Unterstützung von der Politik?

Von Moltke: Wir stehen in sehr engem Kontakt mit der Politik. Und wir begrüßen es, dass die Politik die Transformation am Standort Steyr eng begleitet und unterstützt. Die notwendigen Vorrausetzungen sind geschaffen worden. Ansonsten hätten wir die Entscheidungen am Standort Steyr auch nicht getroffen.

STANDARD: Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sorgt mit seinem Vorschlag, Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit zu kürzen, für Diskussionen. Wäre das ein gangbarer Weg, um Vollbeschäftigung attraktiver zu machen?

Von Moltke: Wir äußern uns als Unternehmen grundsätzlich nicht zu politischen Vorhaben. In Steyr sind wir ganz grundsätzlich flexibel, bieten beste Vorrausetzungen für unsere Mitarbeiter und sind damit in der Region ein sehr attraktiver Arbeitgeber. Aktuell sehe ich keine Notwendigkeit für neue Arbeitszeitmodelle. Aber grundsätzlich sind Kostensteigerungen – sei es bei Arbeitskosten oder Energie – nicht vorteilhaft für die Wettbewerbsfähigkeit.

STANDARD: Spüren Sie den Arbeitskräftemangel?

Von Moltke: Für bestimmte technische Bereiche suchen auch wir Mitarbeiter, die wir nicht so einfach finden. Das ist sicher ein aktuelles Thema. Wir begrüßen daher jegliche Initiative, die junge Menschen für technische Berufe begeistern soll. Wir sind da auch in einem engen Austausch etwa mit der Fachhochschule Steyr. Im Vorjahr haben wir unser eigenes Ausbildungszentrum mit 25 Lehrlingen gestartet. (Markus Rohrhofer, Luise Ungerboeck, 5.3.2022)