Im Weltuntergangsthriller "Der Schwarm" droht eine mysteriöse Gefahr von unten.

Foto: ORF/ZDF/Schwarm TV Production GmbH & Co

Die Regisseurin Barbara Eder beim Österreichischen Filmpreis 2022.

Foto: Robert Newald

Tote Fische in Schwärmen in "Der Schwarm", ab 6. März auf ORF 1.

Foto: ORF/ZDF/Schwarm TV Productions GmbH & Co

Franziska Weisz ist eine der Wissenschafterinnen, die in "Der Scharm" dem Rätsel auf die Spur kommen wollen.

Foto: ORF/ZDF/Schwarm TV Productions GmbH&Co

Barbara Eder war vor kurzem bei der Berlinale, wo die Serie "Der Schwarm" Premiere hatte: "Schön war's", sagt die Regisseurin, die vier von acht Folgen inszeniert hat: "Es war ein Wiedersehen mit ganz vielen netten Menschen vom Dreh." Mit einem Budget von 40 Millionen Euro gehört die ZDF-Produktion, an der unter anderem auch der ORF beteiligt ist, zu den teuersten je in Europa gedrehten Serien.

Erzählt wird nach der Vorlage des Bestsellers von Frank Schätzing ein Weltuntergangsdrama, ausgelöst durch eine mysteriöse Gefahr aus dem Meer. Eders Freude über die Premiere ist dennoch nicht ungetrübt. Schätzing, der Autor der Vorlage, der auch in die Serie involviert war, kritisierte die Verfilmung im Vorfeld öffentlich und heftig. Eder ist es wichtig, dazu etwas zu sagen.

ZDF Filme und Serien

STANDARD: Frank Schätzing sagt, in der Serie "pilchert" es mehr, als es schwärmt. Was sagen Sie dazu?

Eder: Diese Aussagen sind mir zu emotional. Du spürst zwischen den Zeilen eine Wut und so viel Befindlichkeit, dass ich sage: Okay, da ist jemand wütend und schreit ganz laut. Mehr kann ich nicht empfinden. Seine Aussagen sind sehr kränkend, ich kann das nur so interpretieren. Ich habe Schätzing nie persönlich getroffen, aber ich war beim Dreh und habe vieles aus der Ferne mitgekriegt. Unser Showrunner Frank Doelger hat versucht, uns von allen Konflikten fernzuhalten, sodass wir frei arbeiten konnten.

STANDARD: Schätzing holt ziemlich aus. Er sagt, der Showrunner Frank Doelger habe das Storytelling an sich gezogen.

Eder: Er wollte sicher mehr Raum, den es allerdings nicht geben kann, wenn so viele an einer Produktion beteiligt sind. Es ist aber nicht so, dass er keinen Einfluss hatte. Ganz im Gegenteil, da waren ganz viele Dinge, von denen ich wusste, okay, das müssen wir jetzt machen, weil das ist Ansage Frank Schätzing. Es gab einen Handlungsstrang, der stark verkleinert wurde, was für uns Kreative, die gar nicht in die Diskussionen eingebunden waren, ein Wahnsinn war. Wir hatten Locations, die waren der Hammer! Wir hatten eine Schauspielerin engagiert, die war Hollywood-Star-Qualität. Das floss alles den Bach runter und noch mehr und oft auch kurzfristig. Das sind Dinge, die für uns Kreative sehr schwer zu akzeptieren waren. Wir hatten großes Vertrauen zu Frank Doelger. Wir wussten, dass es stundenlange Diskussionen gegeben hatte und wir nicht länger über Dinge zu diskutieren brauchten, die nicht mehr zu ändern sind. Aber es war natürlich hart.

Mein Eindruck war, dass seine Reaktionen extrem waren: Einmal war alles super und toll, dann wieder war alles fürchterlich.

STANDARD: Hat sich das Ausmaß des Unmuts Schätzings während des Drehs abgezeichnet?

Eder: Für mich nicht. Wir waren von ihm abgeschottet, aber aus der Ferne bekommt man natürlich Verschiedenes mit. Mein Eindruck war, dass seine Reaktionen extrem waren: Einmal war alles super und toll, dann wieder war alles fürchterlich. Vielleicht ist er so ein Mensch, ich kenne ihn nicht persönlich.

STANDARD: "Rühr- und redseliges Beziehungskisten-TV", lautet eine weitere Kritik Schätzings.

Eder: Was Schätzing hier anklagt, ist sein Buch. Es gab von Regisseuren den Wunsch, davon etwas rauszunehmen. Das wäre nicht gegangen. Da gab es Kräfte in ihm, die total dagegen angekämpft haben. Eine weitere ganz große Geschichte in seinem Buch ist eine Beziehungskiste, allerdings zwischen einem älteren weißen Mann und einer jungen Frau. Da könnte man den Vorwurf bringen, das ist eine Männerfantasie. Dem wollten wir sehr wohl entgegenwirken. Heutzutage kann man gewisse Rollenkonstellationen nicht mehr zeigen, ohne Menschen zu verletzen. Über diesen Satz habe ich mich sehr gewundert.

STANDARD: Schätzing beanstandet auch, dass der Roman, der vor 20 Jahren erschienen ist, zu wenig in die heutige Zeit transportiert worden ist. Themen wie die Macht der Tech-Konzerne, KI, Klima-Aktivismus fehlen ihm.

Eder: Das kann man zur Kenntnis nehmen. Frank Doelger ist anderer Meinung. Er sagte: Schau, wenn ich zu viel Aktuelles hernehme, ist der Film in fünf Jahren alt. Man soll sich Der Schwarm in zehn Jahren auch noch anschauen können. Ich freue mich, wenn man meine Folgen einmal sieht und in die Geschichte reindriftet. Es ist nicht die superschnelle Erzählung. Wir wollten subtil vorgehen, und wenn man sich darauf einlässt, hat man ein schönes Schauerlebnis.

Handwerklich hätten wir es in der Bildsprache wie einen fetten amerikanischen Blockbuster aussehen lassen können. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, das nicht zu tun.

STANDARD: Inwiefern versteht sich "Der Schwarm" als bewusster Gegenentwurf zu amerikanischen Blockbuster-Serien?

Eder: Es war uns sehr wichtig, uns davon zu unterscheiden. Handwerklich hätten wir es in der Bildsprache wie einen fetten amerikanischen Blockbuster aussehen lassen können. Wir haben uns ganz bewusst entschieden, das nicht zu tun, weil wir unsere eigene Sprache entwerfen wollten. Natürlich war Englisch die dominierende Sprache, aber wir wollten weiter gehen und die Dinge anders machen. Wir wollten eine europäische Art der Erzählung.

STANDARD: Was heißt das?

Eder: Zum Beispiel Handkameras stärker einbringen und nicht alles nur mit dem Dolly zu fahren. In der Stilistik durften Änderungen sein. Es kam nicht von ungefähr, dass ich die mittleren vier Folgen inszeniert habe und Luke Watson die ersten beiden und Philipp Stölzl den Schluss.

STANDARD: Bei einer US-Serie gibt es für gewöhnlich mehrere Regisseure pro Staffel, und man soll den Unterschied möglichst nicht erkennen. Das ist hier anders..

Eder: Wir drei unterscheiden uns sehr stark voneinander. Frank hat sehr lange überlegt, welche Folgen für wen gut wären. Ich gehe zum Beispiel irre gern nahe an Menschen ran, ich will ihre Emotionen, und wenn ich nur irgendetwas im Skript spüre, dann versuche ich daraus mehr zu machen. Ich bin eine sehr nahe Regisseurin und wurde genau in den Folgen eingesetzt, wenn die Figuren zusammenkommen und ein Team werden. Und ich fand es großartig, dass man seine eigene Bildsprache zeigen durfte. Dass alles gleich ausschauen soll, kenne ich von Netflix oder anderen Streamern. Das schränkt ein und kann zu Kämpfen zwischen den Regisseuren führen. Frank hat uns genau zum Gegenteil ermutigt. Zum Glück war das ein Ausprobieren, das auch mir Sicherheit gegeben hat. Frank sagte: Ich weiß genau, wie du es machst, ich habe deine Filme gesehen, und genau so will ich es.

STANDARD: US-Serien dominieren den Markt und bestimmen den weltweiten Seriengeschmack. Kommt eine Serie wie "Der Schwarm" als Gegenentwurf vielleicht nicht sogar schon zu spät, so dass diese andere Art der Erzählung missverstanden wird?

Eder: Die Gefahr des Missverständnisses ist groß. Die Entwicklung des Streamingmarktes hat man in Europa verschlafen. Es ist spät, ja, aber nicht zu spät. Die großen Streamer versuchen ja auch Lokalität zu schaffen. Alles, was zusätzlich ein Türchen aufmacht, finde ich gut.

STANDARD: Noch radikaler wäre gewesen, es nicht zu synchronisieren und stattdessen Untertitel zu setzen. War das ein Diskussionspunkt?

Eder: Ja, es war ein großes Thema, aber wenn ein Sender, der investiert, sagt, Synchronisation ist für mich Grundvoraussetzung, wird es schwierig.

STANDARD: Die Grunderzählung von "Der Schwarm" in der Serie ist – zumindest in den ersten drei Folgen – eher elitär. Es gibt die Wissenschafter-Riege, die dem Unding auf der Spur ist. Die betroffenen Menschen existieren nur am Rande. Das ist eigentlich ziemlich gegen Ihre Art zu filmen, die es liebt mit Laiendarsteller:innen zu drehen?

Eder: Ich habe versucht, die Wissenschaft außen vor zu lassen und die Emotionen in den Vordergrund zu bringen. Mich haben die Beziehungen interessiert. Der Schlüssel für mich war die Meeresbiologin Antje Boetius, die uns wissenschaftlich beraten hat. Ich wollte wissen, wie diese Art von Wissenschafter sind, wie sie ticken und habe mir zig von ihr empfohlene Dokus angesehen – über Menschen, die Monate auf Arktis-Schiffen wissenschaftlich arbeiten. Man sieht einerseits, wie sie Woche für Woche schlimmer aussehen, aber auch, wie lustig sie sein können. Da habe ich einen Zugang gefunden, den ich in die Inszenierung einfließen lassen konnte.

STANDARD: Viele Szenen entstanden in Brüssel, im größten Unterwasserstudios Europas. Wie war das?

Eder: Das Studio ist faszinierend. Du gehst hin und drückst einen Knopf und hast den Wellengang, den du willst, und dann drückst du wieder auf einen Knopf und hast stundenlangen Sonnenuntergang. Super! Es ist sehr praktisch, aber es verführt. Die künstlerische Freiheit liegt meinem Verständnis nach im Fehler, und das mag ich, wenn ich real drehe.

STANDARD: Viele Szenen entstanden tatsächlich auf offenem Meer, zum Beispiel in Italien. Wie ging es Ihnen dabei?

Eder: Es waren meine liebsten, aber auch die schwierigsten Szenen. Wenn ich wirklich auf einem Boot stehe, und weiß, der Schauspieler muss da jetzt ins Wasser rein, und er spielt, dass er nicht weiß, was da unten ist – das ist großartig. Aber es ist auch wahnsinnig anstrengend. Weil am Wasser ein Boot nie still steht. Es ist nie gleich, es schwankt, es dreht sich, dann hast du wieder einen Kameraschatten auf dem Schauspieler und musst wieder zurück rudern. So geht es ständig. Und je kleiner das Boot, desto anstrengender ist es, weil du Energien nicht ausweichen kannst.

STANDARD: Alle sitzen im selben Boot.

Eder: Genau. Man stelle sich vor, ein 300 Mann großes Team auf einem kleinen Boot. Da ist so viel Energie, dass du wahnsinnig wirst. Ich bin gern nah bei den Schauspielerinnen und Schauspielern, aber dann kann ich wieder rausgehen. Hier hätte ich nur ins Wasser springen können, und ich war mehrmals knapp davor. Es hätte allerdings eine riesengroße Rettungsaktion zur Folge gehabt, deshalb ließ ich es bleiben. Von meiner kreativen Arbeit waren es trotzdem die schönsten Momente, weil wir sehr intensiv werden konnten. Für mich war das cool, ich mag es, etwas zu wagen. Es war ein Wagnis zu sagen, ich bin neun Monate in einem anderen Land, aber ich traue mich das, ich traue mich da drüber. (Doris Priesching, 4.3.2023)

Mehr über Serien: