Verschränkte Finger und ein unaufgeregter Blick, das ist das klassische Erscheinungsbild von Markus Braun im Wirecard-Prozess.

Foto: IMAGO/Sven Simon

Üblicherweise lauscht Richter Markus Födisch mit stoischer Ruhe den Ausführungen der Angeklagten. Doch die Aussagen des Hauptangeklagten im Wirecard-Prozess Markus Braun diese Woche wollte Födisch nicht einfach so hinnehmen. In einer stundenlangen Powerpoint-Präsentation versuchte der einstige Vorstandsvorsitzende des kollabierten Zahlungsdienstleisters, mithilfe von Kontoauszügen seine Unschuld zu beweisen. Braun ist unter anderem wegen Marktmanipulation, gewerbsmäßigen Bandenbetrugs und Untreue angeklagt.

Braun wollte darstellen, wie der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, Oliver Bellenhaus, über Jahre Firmengelder in großem Stil abgezweigt haben soll. "Man hat sich ab 2013 massiv Gelder gegönnt", sagte Braun. Geflossen sei das Geld vor allem an "einige wenige Veruntreuungsgesellschaften".

Skeptischer Richter

Födisch ließ Skepsis gegenüber den Aussagen durchblicken. Er fragte Braun mehrfach, warum die Täter den Umweg über Scheinbuchungen hätten nehmen sollen, wenn sie auch mühelos Geld aus echten Geschäften hätten abzweigen können: "Warum soll sich das jemand antun, wenn es auch viel leichter geht?" Mit Brauns anschließenden Erklärungen war der Richter nicht zufrieden: "Verstehen Sie, was ich sage, oder verstehen Sie nicht einmal, was ich meine?"

Ins Trudeln kam Braun auch bei seinen Erläuterungen zur sogenannten Ad-hoc-Meldung vom 22. April 2020, zwei Monate, bevor Wirecard zusammenbrach. In der Börsenpflichtmeldung ging es um eine Sonderuntersuchung von den Wirtschaftsprüfern von KPMG, die untersuchen sollten, ob bzw. welche Probleme es beim Asiengeschäft gibt.

Eine fragwürdige Ad-Hoc-Meldung

Braun hatte darin erklärt, bei der Sonderuntersuchung seien keine Belege für eine Bilanzmanipulation gefunden worden. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft konnte die KPMG jedoch solche Belege gar nicht finden, weil die Prüfer keinen umfassenden Einblick bekommen hätten. Diese Prüfungshemmnisse ließ Braun aber bewusst unerwähnt. Immer wieder hakte der Richter nach, warum das verschwiegen wurde. Zur Begründung sagte Braun, er habe damit gerechnet, dass Wirecard fehlende Unterlagen hätte nachreichen können. Außerdem sei er juristisch so beraten gewesen, dass es am Markt irreführend gewesen wäre, hätte er die Schwierigkeiten erwähnt. "Es ist doch nicht der Maßstab, was Sie glauben", entgegnete der Richter. "Wenn man einen Teil nicht prüfen kann, dann ergibt sich natürlich auch nichts." Es ist das erste Mal, dass der Richter einen konkreten Punkt erkennt, an dem Braun Fehler gemacht hat.

Außerdem konfrontierte der Richter Braun mit Zeugenaussagen ehemaliger Mitarbeiter, laut denen es große Lücken zwischen dem tatsächlichen Wirecard-Geschäft und den von Braun geforderten ehrgeizigen Umsatz- und Gewinnzielen des 2020 kollabierten Dax-Konzerns gab. Braun bestritt das. "An diese Aussagen kann ich mich definitiv nicht erinnern", sagte der seit bald drei Jahren in Untersuchungshaft sitzende Manager.

Frage der Zuständigkeit

Auch in puncto Zuständigkeit gibt es Ungereimtheiten. Braun wird nachgesagt, ein Workaholic gewesen zu sein, der gern über alle Vorgänge im Konzern Bescheid wusste. Kronzeuge Bellenhaus bezeichnete ihn als "absolutistischen CEO", der ein strenges Regime führte. Auf gewisse Prozesse und Bereiche im Unternehmen angesprochen, meinte Braun allerdings, das sei nicht sein Aufgabenbereich gewesen, oder er habe auf die Aussagen der Zuständigen vertraut.

Der Zahlungsdienstleister Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als bekannt wurde, dass in der Kasse 1,9 Milliarden Euro fehlten. Die Pleite ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. (red, 3. 3. 2023)