In ihrem Gastkommentar beschreibt die Ökonomin Monika Köppl-Turyna die Schwächen einer neuen Studie zur Arbeitszeitverkürzung. Sie warnt vor zu viel Euphorie. Man dürfe die Gefahr einer höheren Inflation und eines Wettbewerbsnachteils nicht außer Acht lassen.

Lässt sich die Produktion mit weniger Arbeitszeit immer halten? Oder steigt damit der Druck auf die Arbeitskräfte?
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Eine britische Studie über die Arbeitszeitverkürzung macht gerade die Runde (siehe "Weniger Stress und Krankenstände: Bisher größte Studie über Vier-Tage-Woche"). Demnach wäre eine Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 32 Stunden absolut unproblematisch. Es lohnt sich ein kritischer Blick auf diese Erhebung, beginnend mit der Methodik.

Erwartbar positiv

Durch die freiwillige Teilnahme an einem Pilotprojekt ist die Stichprobe nicht zufällig. Das nennt sich in der Volkswirtschaftslehre "self-selection". Firmen, die sich davon vorab positive Effekte erwarten, entscheiden sich eher dafür, mitzumachen. Das lässt keine Schlüsse über andere Firmen zu. Ein richtiges Studiendesign wäre es zum Beispiel, Firmen nach Firmenbuchnummer per Los auszusuchen. Die Firmen, die an der britischen Studie teilgenommen haben, wurden darüber hinaus vor dem Versuch gecoacht, womit man die Wahrscheinlichkeit positiver Effekte eher erhöht.

Es haben weiters nur sehr wenige Unternehmen aus dem produzierenden Bereich teilgenommen, wo eine Produktivitätssteigerung nicht so wahrscheinlich ist wie etwa in der Wissensarbeit. Die Produktivität wurde auch nicht direkt gemessen. Es wurde lediglich der Umsatz beobachtet, Daten lagen nur für ein Drittel der Firmen vor, und das auch nur im Vergleich zur Vorperiode (!). Das ist, als würde man sagen: Gestern hatte ich Kopfweh, heute habe ich keins – das ist ein Beweis für die Wirksamkeit des Früchtetees, den ich gerade trinke. Zu viele Faktoren beeinflussen diese Größe, um Kausalität feststellen zu können.

Attraktivere Jobs

Dennoch ist es nicht auszuschließen, dass in gewissen Branchen eine kürzere Arbeitszeit mit Lohnausgleich – also höherem Stundenlohn – eine Möglichkeit darstellt, Jobs zu attraktivieren. Aus meiner Sicht gibt es grob umrissen drei Bereiche:

Erstens die Gruppe der Unternehmen, etwa aus der Kreativbranche oder Wissensarbeit, wo ein Produktivitätserhalt trotz reduzierter Stunden wahrscheinlicher ist. Deren Motivation ist es, damit Arbeitskräfte zu locken. Allerdings dauert dieser "first-mover advantage" nur eine gewisse Zeit an. Wenn andere folgen, gibt es keinen Vorteil mehr, aber alle Unternehmen sind mit höheren Kosten konfrontiert. Das ist ein Beispiel für das in der Volkswirtschaftslehre oft vorkommende Gefangenendilemma.

Zweitens die Bereiche, wo Produktivitätssteigerungen (kurzfristig) sehr unwahrscheinlich sind: etwa im öffentlichen Verkehr oder in den Gesundheitsberufen. Hier ist die primäre Konsequenz eine Verteuerung der Arbeit.

Zusätzlicher Druck

Drittens die Bereiche, wo ein Produktivitätszuwachs zwar möglich ist, aber nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führt, sondern eher zu einer Verschlechterung der Qualität. Eine am Fließband beschäftigte Person steht – sofern keine neuen Arbeitskräfte eingestellt werden – unter hohem Druck, in der kürzeren Zeit so viel wie vorher zu produzieren. Oder eine Putzkraft in einem Hotel, die nun weniger Zeit für dieselbe Anzahl der Zimmer hat. Wenn es gesundheitliche Vorteile der Verkürzung gibt, stehen die diesem zusätzlichen Druck gegenüber. Da es derzeit bereits mehr als 200.000 offene Stellen gibt und sich die Demografie nicht unbedingt zu unseren Gunsten entwickelt, ist die Variante, wo sich trotz der scheinbaren Attraktivierung des Berufs weiterhin keine Arbeitskräfte finden lassen, eine wahrscheinliche.

Umverteilung nach oben

Auffällig ist, dass die erste Gruppe eher zu den Berufsgruppen gehört, in der es ohnehin höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gibt. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung könnte hier eine perverse Art von Umverteilung nach oben bedeuten. Und, ähnlich wie in der Homeoffice-Frage während der Lockdowns, zu Spannungen innerhalb der Unternehmen oder zwischen den Berufen führen.

Was sagt die Empirie? Die wenigen vorhandenen Studien zeigen nur sehr moderate Effekte auf die Produktivität – meistens wurde eine lineare Beziehung zwischen Arbeitszeit und Produkt gefunden. Das bedeutet: Geht die Arbeitszeit um ein Viertel zurück, geht auch die Produktion um ein Viertel zurück. Die wenigen positiven Beispiele sind weit davon entfernt, eine zehnprozentige Reduktion der Arbeitszeit zu kompensieren. Ein dafür notwendiger Anstieg der Produktivität müsste fast dreimal so hoch sein wie der höchste jährlich gemessene Wert in Österreich in den letzten 30 Jahren, der bei lediglich 3,8 Prozent lag. Sollte er niedriger ausfallen, geht das Bruttoinlandsprodukt zwangsläufig zurück. Es ist zwar nicht unvorstellbar, dass eine derartige Erhöhung der Kosten der Unternehmen eine Produktivitätswelle auslöst, aber diese braucht eine gewisse Zeit.

Flexiblere Zeiten

Wenig hingegen spricht gegen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit – etwa der 40-Stunden-Woche, die in vier Tagen erledigt wird. Dieses Modell wird sowohl im produzierenden als auch im Dienstleistungsbereich bereits angewandt. Auch hier gilt: Höhere Flexibilität und Entscheidungen auf betrieblicher Ebene sind für eine Wirtschaft meistens zielführender als Vorgaben von oben.

Ein letzter Gedanke: Ein Arbeitskräftemangel kombiniert mit explodierenden demografiebedingten Ausgaben – um unsere alternde Gesellschaft zu unterstützen – erfordert, dass genug Geld in die Staatskassen fließt, also die Wirtschaft wächst und die Aufträge erfüllt werden können. Die Reduktion der Arbeitszeit würde – zumindest kurzfristig – das Gegenteil erreichen. Die Folgen: Inflation und eine Verschlechterung der Wettbewerbsposition Österreichs. Eine Reduktion der Arbeitszeit mit Lohnausgleich ist, wie erwähnt, einer Stundenlohnerhöhung gleichzusetzen und somit auch einer Erhöhung der Lohnstückkosten. Diese müssen – sofern die Produktivität nicht massiv steigt – an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden, was wiederum die Inflationsraten befeuern würde. Auch die wegen der Energiepreise unter Druck stehende Exportwirtschaft bekäme ein weiteres Problem.

Schlechter Zeitpunkt

Während es politisch gesehen nachvollziehbar ist, dass die Forderung einer Arbeitszeitverkürzung derzeit kommt – schließlich haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aktuell mehr Verhandlungsmacht –, ist es ökonomisch betrachtet dafür ein denkbar schlechter Moment. (Monika Köppl-Turyna, 5.3.2023)