Die Mutter aller Magazine hat überlebt, aber an Bedeutung eingebüßt.

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Eine Institution: "Person of the Year" des "Time"-Magazins, im Jahr 2022 kam Präsident Wolodymyr Selenskyj zum Zug.

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Zur Time-"Person of the Year" wird es für "Time" wohl nicht reichen, für einen Kopf des Tages allemal: Die Mutter aller Nachrichtenmagazine wurde am Freitag 100.

Die "Person des Jahres", zuletzt Wolodymyr Selenskyj, ist längst relevantester Beitrag zur Medienwelt und zum eigenen wirtschaftlichen Dasein. Das Magazin (im Bild die Jubiläumsausgabe) hat über die Jahre wesentlich an publizistischem Gewicht eingebüßt.

Die Medienbeobachter von Memeorandum bewerten Präsenz von Medien im politischen Diskurs der USA, sie sahen Time 2022 auf Platz 43. Ganz vorn Washington Post, New York Times und Politico. Newsweek hatte Ende 2022 dreimal mehr Online-Traffic in den USA.

Das Magazin war Grundstein für einen legendären US-Medienkonzern, Time Inc. mit Magazinen wie "Fortune", "Life" und "People". Seit Jahrzehnten wird er wild fusioniert und gespalten: 1989 Fusion mit Warner, später mit AOL, bald wieder abgespalten von AOL und 2014 von Warner, 2017 vom Verlagsriesen Meredith für drei Milliarden Dollar gekauft. 2021 kaufte der Salesforce-Gründer und Tech-Milliardär Marc Benioff das Magazin für 190 Millionen Dollar heraus.

Personalisierte Nachrichten

"Time" setzt unter seinem aktuellen Eigentümer Benioff wesentlich auf das Geschäft mit Events, das mittlerweile ein Drittel der Umsätze einspielen soll: mit einem "Time 100 Summit", einem "Women of the Year"-Event, natürlich einer Gala zur "Person of the Year".

Statt wöchentlich erscheint "Time" nur noch alle 14 Tage gedruckt. "Das Magazin wird schrittweise in ein Kompendium von Listen umgewandelt", notierte Ben Smith, einer der prominentesten Medienkritiker, in seinem Digitalmedium "Semafor".

Immerhin: Nachrichten zu personalisieren ist die DNA des am 3. März 1923 gegründeten "Tim"-Magazins, das über Jahrzehnte allein Menschen als Titelfoto hatte.

US-Verleger Henry Luce gründete Time als erstes Nachrichtenmagazin, das Menschen mit wenig Zeit News kompakt vermitteln sollte, mit einem anfangs stark konservativen Kurs. Die später gestarteten Herausforderer "Newsweek" und "US News and World Report" hat es als Magazin überlebt.

"Time" schreibt Verluste, 2023 plant man ein ausgeglichenes Ergebnis. Das verbindet die Mutter der Nachrichtenmagazine mit dem österreichischen "Profil" im 43. Jahr. Dessen neue Chefredakteurin Anna Thalhammer sagte "Profil" gerade weitere 100 Jahre im Markt voraus – wenn auch nur noch zehn Jahre gedruckt. (Harald Fidler, 3.3.2023)